Hamburg. Man konnte sie weder übersehen noch überhören, und zum Teil auch nicht überriechen. Zu Hunderten zogen Gruppen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt am Mittwochmittag durch die City, trommelnd, Fahnen schwenkend und Parolen skandierend. Und den studentisch Beschäftigten, die aus dem Univiertel zum Gewerkschaftshaus am Besenbinderhof marschierten, wehte zudem eine kräftige Bengalo-Rauchschwade voraus.
Am Ende hatten sich im Schatten des Hauptbahnhofs weit über 1000 Streikende versammelt. „Wir gehen heute nicht mehr zur Arbeit“, rief Sieglinde Frieß, stellvertretende Landesvorsitzende der Gewerkschaft Ver.di, der Menge zu, während die Organisatoren den Teilnehmern immer wieder einbläuten, Abstand zu halten und Maske zu tragen – was im Rahmen des Möglichen diszipliniert befolgt wurde.
Warnstreik in Hamburg: 4000 Beschäftigte legten Arbeit nieder
Der laute Auftritt war genau so beabsichtigt. Denn am Wochenende steht in Potsdam die dritte Verhandlungsrunde in der bundesweiten Tarifauseinandersetzung um die Länder-Beschäftigten an, und da die Arbeitgeber – für die unter anderem Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) mit am Tisch sitzt – bislang kein Angebot vorgelegt haben, wollten die Gewerkschaften noch einmal kräftig Muskeln zeigen.
Außer den Teilnehmern der Kundgebung legen nach Ver.di-Angaben weitere 2000 bis 3000 Beschäftigte die Arbeit nieder. Frieß zählte zufrieden auf, wo sich das bemerkbar machte: Einige Kitas eines privaten Betreibers, der sich am Tarifvertrag der Länder orientiere, seien zu, die Bauhöfe seien dicht, in Schulen, Vorschulen und in der Jugendmusikschule gebe es ebenso Einschränkungen wie in den Bezirksämtern.
Warnstreik: Nur vereinzelte Engpässe in Kundenzentren
In den Kundenzentren kam es dabei nur zu vereinzelten Engpässen. „Einschränkungen sind ausschließlich in Eimsbüttel aufgetreten. Hier mussten streikbedingt 63 Termine abgesagt werden“, teilte das bei dem Thema federführende Bezirksamt Harburg auf Abendblatt-Anfrage mit. Zudem habe das Kundenzentrum Eimsbüttel schon um 17 Uhr schließen müssen.
Die Schulbehörde teilte mit, dass von „einzelnen Schulstandorten Kundgebungen und Streikmaßnahmen“ gemeldet worden seien: „Angestellte Lehrkräfte, Vorschullehrkräfte (Sozialpädagogen) und weiteres Schulpersonal haben streikbedingt nicht ihren Dienst angetreten. Die Warnstreiks haben aber den Schulbetrieb nicht wesentlich beeinträchtigt, unter anderem weil rund 90 Prozent der Lehrkräfte verbeamtet sind.“ Zudem bestehe ohnehin eine Betreuungsgarantie bis zum 14. Lebensjahr.
Warnstreik in Hamburg: Finanzsenator setzt auf Einigung
Wie berichtet, fordern die Gewerkschaften fünf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 150 Euro monatlich sowie 100 Euro mehr monatlich für Auszubildende, Studierende und Praktikanten um. Außerdem erwarte man die Tarifeinbindung der Studentischen und Wissenschaftlichen Hilfskräfte – daher zogen diese mit einem großen Transparent voran: „Prekäre Arbeit. Studieren auf Schulden. Sparpolitik? Wir haben die Schnauze voll!“ Insgesamt sind in Hamburg rund 70.000 Beschäftigte von der Tarifrunde betroffen, darunter 30.000 Tarifbeschäftigte und 40.000 Beamte.
Mehrfach richteten sich die Gewerkschaftsvertreter direkt an Finanzsenator Dressel. Dass er die Ver.di-Forderung im Abendblatt-Interview als „viel zu hoch“ vor dem Hintergrund der Corona-Krise bezeichnet hatte, wurde naturgemäß ebenso kritisiert wie die „Personalkostenbremse“, mit der der Senat die ausufernden Personalausgaben in den Griff bekommen will. Drittens sorgte für Empörung, dass die Arbeitgeber einerseits unter Verweis auf Krise und klamme Kassen kein Angebot vorlegen, andererseits die Steuerschätzung Hamburg nicht nur Milliarden an Mehreinnahmen, sondern sogar die Rückkehr zum Vor-Krisen-Einnahmeniveau voraussagt.
„Kein Geld für Lohnerhöhungen, aber die Steuereinnahmen steigen um Milliarden? Das ist nicht fair, das machen wir nicht mit“, wetterte Hamburgs Ver.di-Chef Bertold Bose. Er habe aber registriert, dass Dressel bei der Präsentation der Steuerschätzung erstmals Bereitschaft gezeigt hatte, den Gewerkschaften die Hand zu einem Kompromiss zu reichen: „Wir nehmen die Hand“, so Bose, „aber nur, wenn auch was drin ist.“
Warnstreik in Hamburg: Auch Fridays for Future kritisiert Senat
Dass der Senat die Personalkostenbremse auch braucht, um Klimaschutzmaßnahmen finanzieren zu können, rief auch die Bewegung Fridays for Future auf den Plan: „Klimaschutz gegen Soziale Gerechtigkeit und gute Arbeit auszuspielen ist nicht nur eine schlechte Ausrede, es ist brandgefährlich“, sagte FFF-Vertreterin Inga Mühlheims.
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Christoph Heß, Beschäftigter bei der Umweltbehörde, unterstützte das: „Dass der Senat beim Personal sparen will, um mehr Klimaschutz umzusetzen, ist nicht nur ungerecht, sondern wird auch nach hinten losgehen. Wir brauchen dringend Personal in den Behörden und Bezirken, um die Klima-Projekte umzusetzen.“
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