Segeltörn

Abenteuer voraus: Das segelnde Klassenzimmer sticht in See

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Friederike Ulrich
Voller Vorfreude auf das erste große Abenteuer ihres Lebens: die Hamburger Schüler Johannes Heber (v. l.), Linus Horn, Jonathan Cimander und Adam Pohlmann an Bord der „Gulden Leeuw“.

Voller Vorfreude auf das erste große Abenteuer ihres Lebens: die Hamburger Schüler Johannes Heber (v. l.), Linus Horn, Jonathan Cimander und Adam Pohlmann an Bord der „Gulden Leeuw“.

Foto: Roland Magunia/Funke Foto Services

Sieben Monate lang lernen die Schüler der High Seas High School an Bord eines Traditionsseglers. Auch Hamburger sind dabei.

Hamburg. Am O’Swaldkai liegen sonst eher Containerschiffe. Die HHLA verlädt hier unter anderem ausgediente Lastwagen, die nach Afrika verschifft werden. Doch heute hat ein historischer Großsegler am Kai festgemacht. An Land ein buntes Durcheinander aus See- und Rucksäcken, Reisetaschen – und aufgeregte Eltern, die immer wieder ihre Kinder in den Arm nehmen, die in Segeljacken stecken und das größte Abenteuer ihres bisherigen Lebens vor sich haben.

Sie werden gemeinsam an Bord der „Gulden Leeuw“ den Atlantik überqueren, Stürmen trotzen und ferne Länder entdecken. Sieben Monate lang werden sie auf dem 1937 erbauten Dreimaster auf hoher See unterwegs sein. Nach einem Zwischenstopp auf den Kanaren wird er sie quer über den Atlantik, in die Karibik, nach Panama und Kuba und wieder zurück nach Norddeutschland bringen.

Auf ins Abenteuer mit dem segelnden Klassenzimmer

„High Seas High School“ heißt das auf Spiekeroog initiierte Projekt, das eine Mischung aus Klassenreise und Austauschjahr ist und zum 29. Mal stattfindet. 2019 war es unter Coronabedingungen zu Ende gegangen und im Jahr darauf komplett ausgefallen. Am Sonnabend heißt es jetzt für 44 Schülerinnen und Schüler wieder: „Leinen los!“ Einchecken müssen sie bereits am Mittwoch, bis zum Ablegen gilt Quarantäne.

Noch stehen Jonathan Cimanda, Johannes Heber (beide 16), Linus Horn und Adam Pohlmann (beide 15) am Kai. Immer wieder werden sie von Eltern und Geschwistern gedrückt. Die Gymnasiasten sind die einzigen Schüler aus Hamburg, die anderen Jungen und Mädchen kommen aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sind sie aufgeregt? „Sehr, aber nicht ängstlich“, sagt Adam aus Othmarschen, der die französische Schule in Lokstedt besucht.

„Wären am liebsten gleich weitergefahren“

Bis auf den einwöchigen Vorbereitungstörn, den alle Jugendlichen zuvor mit der „Gulden Leeuw“ von Bremerhaven ins dänische Esbjerg unternommen haben, hat der 15-Jährige keine Segelerfahrung. „Aber mich reizt das Zusammensein mit den anderen, das gemeinsame Abenteuer“, sagt er mit leuchtenden Augen. Auch für Jonathan war es das erste Mal Segeln.

„Wir durften steuern, die Segel hissen und kochen. Und wären am liebsten gleich weitergefahren“, sagt der St.-Ansgar-Schüler, der in Harvestehude lebt. Er sei gleich Feuer und Flamme gewesen, als seine Mutter von dem Segel-Projekt erzählt habe. „Jetzt bin ich zwar traurig, meine Familie so lange nicht zu sehen, aber auch froh, dass es losgeht.“

Von der Alster aufs Weltmeer

Linus aus Winterhude segelt, seit er ein Kind ist. „Erst auf dem Segelboot meiner Großeltern, später habe ich dann Segel- und Katamaranschein gemacht“, erzählt der Schüler des Wilhelm-Gymnasiums. Eigentlich habe er ein Austauschjahr in Neuseeland verbringen wollen, was wegen Corona nicht ging.

„Als ich dann vor drei Monaten vor der High Seas High School gehört habe, wusste ich gleich: Das ist das Richtige.“ Auch Johannes aus Bönningstedt, der die Julius-Leber-Schule in Schnelsen besucht, hat Segelerfahrung: Er ist oft auf der Alster unterwegs und war vom Schulleiter auf das Projekt aufmerksam gemacht worden. „Er weiß, dass ich gerne segel und ein Abenteuertyp bin.“

„Die ersten vier Wochen haben die Jugendlichen ausschließlich Segel- und Sicherheitstraining und werden im Navigieren unterrichtet“, sagen Christiane Goltz und Christoph Schmidt, die pädagogischen Leiter der High Seas High School. Denn Segel setzen, steuern, das Wetter lesen, die Gezeiten verstehen und navigieren sollen die Schüler nach einigen Wochen selbst übernehmen, bei Tag und Nacht, Wind und Wetter.

High Seas High School: Erster Segeltörn 1993

„Beim gemeinsamen Manövrieren und Navigieren lernen sie, Verantwortung für sich und die Gemeinschaft zu übernehmen und den Kräften der Natur zu trotzen“, so die Eheleute. Nebenbei würden dabei Mathematik und Physik veranschaulich, auf Tauchgängen werde Biologie zum Abenteuer und an Land würden Bezüge zu Erdkunde (im Regenwald und auf Expeditionen) sowie zu Geschichte und Politik (beim Nacherleben historischer Routen großer Entdecker) hergestellt.

Den Unterricht laut gymnasialem Lehrplan übernehmen vier Lehrer, die mit an Bord sind. Außerdem gibt es acht Crewmitglieder, zu denen auch die beiden Kapitäne und Eigner der „Gulden Leeuw“ gehören. In Mittelamerika gehen die Jugendlichen für vier Wochen an Land, leben in Gastfamilien, lernen Spanisch vor Ort und arbeiten auf einer Finca bei der Kaffee- und Zuckerrohrernte.

Zum ersten Mal stach die High Seas High School 1993 in See – initiiert vom damaligen Leiter der Hermann Lietz-Schule auf Spiekeroog, Hartwig Henke, einem ehemaligen Marineoffizier. Mit rund 25.000 Euro für die siebenmonatige Reise und den Vorbereitungstörn ist das Angebot nicht ganz billig. Den Schülern wird dafür aber auch eine Menge geboten. Was, darüber werden sie alle zwei, drei Tage in einem Blog berichten. So können auch die Familien, die zurückbleiben, an der Reise teilnehmen.

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