Kiel. Ein 41-Jähriger soll zwei Frauen in Rendsburg ermordet haben. Der Mann schweigt. Das psychiatrische Gutachten zeigt einen selbstmitleidigen Mann, der sich als Opfer sieht.

Als die Rede auf seine Eltern und den strengen Vater kommt, weint der mutmaßliche Doppelmörder hemmungslos und schneutzt mehrfach in ein Taschentuch. Auch als die psychiatrische Gutachterin seine letzte Partnerin erwähnt, in deren Wohnung er eine von zwei Frauen umgebracht haben soll, schluchzt der 41-Jährige. Im Kieler Prozess um zwei Frauenmorde in Rendsburg scheint der Angeklagte am Mittwoch Gefühle zu zeigen - vor allem aber Selbstmitleid.

Psychiaterin Raphaela Basdekis-Jozsa zeichnet vor dem Kieler Landgericht das Bild eines Mannes, der sich zu Unrecht des zweifachen Mordes beschuldigt sieht und in seinem ganzen Leben als Opfer der anderen. "Er betonte, er habe nichts gemacht. Es sei alles nicht wahr, er sei völlig zu Unrecht in Haft", trägt die Sachverständige für forensische Psychiatrie aus ihrem Gutachten über den Angeklagten vor. Seine DNA-Spuren am Tatort könne er sich nicht erklären, habe er gesagt und auch nicht, wie eine der beiden Leichen auf seinen Dachboden gekommen sei, als sie ihn mit der Aktenlage konfrontierte.

"Alle würden ihn für einen Mörder halten, aber er sei wirklich keiner," habe er behauptet. Andererseits habe er aber erklärt, "er komme sicher lange ins Gefängnis", berichtete die Gutachterin. Auf Antrag der Verteidigung war nur für ihre Exploration mit dem Angeklagten die Öffentlichkeit zugelassen. Während ihrer diagnostischen Schlussfolgerungen und Prognose zur Gefährlichkeit des Angeklagten wurde das Publikum zum Schutz von dessen Persönlichkeitssphäre ausgeschlossen.

Die Anklage wirft dem Deutschen zwei Morde vor - "zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, aus Habgier und heimtückisch". Demnach tötete er im August 2018 eine 26-Jährige aus Geesthacht in seiner und im September 2020 eine 40-Jährige in deren Rendsburger Wohnung. Beide Opfer wurden laut Anklage geschlagen und mit Klebeband gefesselt, bevor ihnen Plastiktüten über den Kopf gezogen wurden und sie qualvoll erstickten. Zumindest im zweiten Fall soll der Tatverdächtige dem Todeskampf zugesehen haben. Die erste Leiche wurde erst nach dem zweiten Mord auf dem Dachboden des Mannes gefunden.

Während der Angeklagte gegenüber der Gutachterin angab, "Peitschen, Fesseln, Knebeln", habe er nur mit der letzten Partnerin ausprobiert, "sonst habe er keine sado-masochistischen Neigungen", beschrieben ihn Zeuginnen vor Gericht anders. Er habe als Fußfetischist im Chat lebensgefährliche Fesselungs- und Drosselungspraktiken mit völliger Unterwerfung vorgeschlagen und dabei eingeräumt, dass die Praktiken an Mord grenzen könnten.

Es habe in den Aussagen des Angeklagten und gegenüber der Aktenlage viele Diskrepanzen gegeben, sagte die Gutachterin. So habe der Mann erklärt, "Arbeit und Kinder seien das A und O seines Lebens" und bestritten, dass seine Ex-Frau mit dem ältesten Sohn zum Kinderarzt musste, nachdem er das Kind grün und blau geschlagen habe. Pornografie auf seinem PC haben ihm nach seinen Worten andere untergeschoben.

Auch bestritt er zunächst Kontakte zu Prostituierten und Gespräche auf Sex-Hotlines. Doch habe der Mann, der zuletzt als Möbelpacker arbeitete, ihr auch erzählt, dass ihn mal eine Prostituierte bei einem Umzug angesprochen habe, ob er das auch mal privat für sie machen würde, sagte die Gutachterin. "Die sei später ermordet worden," habe er dazu gesagt. Das Urteil wird am 10. September erwartet.

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