Hamburg. Hamburg belegt bei der Corona-Inzidenz unter den Bundesländern den negativen Spitzenplatz. Mit neuen Einschränkungen müssen die Bürger dennoch nicht rechnen - auch wenn ein neuer Fall eines infizierten Barbesuchers für Aufregung sorgt.

Trotz der höchsten Corona-Inzidenz unter den Bundesländern sieht der rot-grüne Senat in Hamburg vorerst keine Notwendigkeit für weiteren Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Eine am Dienstag verabschiedete Verordnung schreibe die bestehende im Wesentlichen fort, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer. Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) sieht in den Reiserückkehrern den Hauptgrund für die steigenden Zahlen. Unterdessen beschäftigt ein möglicher Corona-Ausbruch in einer Bar ihre Behörde. Bis zu 500 Personen sind zu einem Reihentest aufgerufen.

Die Corona-Inzidenz stieg erstmals seit zwei Monaten wieder über die Marke von 30. Die Gesundheitsbehörde gab die Zahl der Neuinfizierten je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen mit 30,61 an. Am Montag hatte die Sieben-Tage-Inzidenz bei 29,4 gelegen, vor einer Woche bei 16,9. Laut Robert Koch-Institut (RKI), das die Inzidenz auf anderer Grundlage berechnet, belegt Hamburg mit einem Wert von 26,8 den Negativ-Spitzenplatz unter den Ländern, gefolgt von Berlin (24,8) und dem Saarland (22,6).

"Hamburg ist als eines der ersten Bundesländer in die Sommerferien gestartet. Wir merken deswegen früher als andere Teile der Bundesrepublik den Effekt von Corona-Infektionen, die im Ausland erfolgt sind und nun durch Rückreisen hierher getragen werden", sagte Leonhard der Deutschen Presse-Agentur. Dass Menschen im Sommer verreisen, sei völlig in Ordnung. "Allerdings ist es erforderlich, nach der Rückkehr zu verhindern, dass wegen einer unbemerkt gebliebenen Infektion andere angesteckt werden."

Hauptaufgabe der Behörde sei es deshalb im Moment, durch die Kontrolle von Einreiseanmeldungen und -quarantänen sowie zügiger Kontaktnachverfolgung im Falle von Infektionen die Verbreitung des Virus möglichst gering zu halten, erklärte die Senatorin. Durch die vorsichtigen Lockerungsschritte in Hamburg sei man nun in der Lage, "nicht hektisch bestimmte Dinge zurücknehmen zu müssen". Da viele Infektionen sich nicht in Hamburg zugetragen hätten, sondern bei Auslandsreisen, seien umfassende zusätzliche Einschränkungen im Moment nicht erforderlich.

Bis zu 500 Besucher einer Cocktailbar sind für Donnerstag aufgerufen, sich einem Reihentest zu unterziehen. Grund sei ein Besucher der "Sands Bar" am Dammtor, der später positiv getestet worden sei, sagte der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Martin Helfrich. Schon am Tag nach seinem Besuch am vergangenen Sonnabend habe er heftige Symptome entwickelt. "Teilnehmer des Abends berichten ebenso wie Bild- und Videoaufnahmen von im späteren Verlauf nicht mehr eingehaltenen Abständen, Maskenpflichten und zahlreichen Kontakten unter den tanzenden, feiernden und singenden Gästen."

Der Inhaber der Bar, Kristian Zrno, wies die Darstellung zurück. Zwar seien an dem Abend in seinem Lokal vier Geburtstage gefeiert worden, bei denen auch "Happy Birthday" gesungen worden sei. Es sei aber nicht massenhaft zur Musik gesungen oder getanzt worden. "Das Tanzen ist definitiv gelogen", sagte er der dpa. Die Bar bewirtschafte derzeit nur den Außenbereich mit rund 150 Sitzplätzen. "Es findet alles auf der Terrasse statt, unter freiem Himmel."

Laut Gesundheitsbehörde sind 305 Barbesucher über hinterlegte Kontaktdaten erreichbar. "Wir gehen aber aufgrund der Schilderungen von einem deutlich größeren Personenkreis aus, der sich in Ansteckungsgefahr befindet", sagte Helfrich. "Ein- bis zweihundert Personen, die sich angesteckt haben könnten, können wir daher nicht erreichen." Ein Reihentest, der am Donnerstag in der "Sands Bar" stattfinde, solle Klarheit schaffen. "Wir rufen daher alle Personen, die sich am vergangenen Sonnabend nach 19.30 Uhr in der Bar Sands aufgehalten haben, auf, sich beim Gesundheitsamt zu melden und für eine Testung anzumelden."

Barinhaber Zrno bestritt die hohe Zahl angeblich nicht registrierter Besucher. "Ich habe über 450 Kontaktdaten übertragen." Zudem könnten auch keine Gäste in die Bar gelangen, ohne sich über eine App zu registrieren. Dafür sorgten fünf Türsteher, sagte der Gastronom.

In den vergangenen Wochen hatten Fälle möglicher Ausbrüche nach den Besuchen infizierter Personen in zwei Bars in der Langen Reihe in St. Georg und im "Molotow"-Musikclub am Nobistor Schlagzeilen gemacht, bei denen für mehr als 200 Menschen Quarantäne angeordnet worden war. Bei Testungen war allerdings nur eine weitere Infektion nachgewiesen worden.

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