Hamburg. Wer aus unterschiedlichen Stimmlagen Harmonie schafft und berufliche Schieflagen mit Zuversicht und Tatkraft umschifft, gibt den Ton professionell an. Mit Bravour meistern vier Hamburger Frauen diverse Tücken – nicht nur coronabedingt. Voller Hoffnung blicken sie vorwärts. Der Name dieser mobilen Gesangscombo ist Programm: „Applaus für die Perlen“.
In der Tat gibt es unangenehmere Termine als diesen in einem beschaulichen Hinterhof im Norden Altonas. Im Obergeschoss des urigen Gebäudes werkelt ein Künstler, in der ehemaligen Tischlerei darunter ist auf 60 Quadratmetern ein lichtdurchflutetes Musikstudio entstanden. Helles Parkett, eine Wohnküche und sieben Fenster stimmen positiv. Im Garten vor der Tür blüht es üppig. In dieser Idylle ist Kreativgeist zu Hause.
Drei kämpferische Damen
Eine Künstlerin aus dem Quartett muss an diesem Julivormittag passen. Da die persönlichkeitsstarken Perlen jedoch ohnehin ausschließlich zu dritt auftreten, stimmt die Besetzung dennoch. Weil zum Finale zudem eine Überraschung folgt, entwickelt sich dieser Tag zu einem besonderen. Und dass die drei Damen Kämpferinnen sind, jede für sich, ist auf Anhieb klar. „Wir mussten uns immer wieder neu erfinden“, sagt Birte Villnow bei einem Pott Kaffee. Ebenso wie ihre Mitstreiterinnen Mareike Voß und Miriam Lotz steht sie im Job auf eigenen Beinen. Sie sind Soloheldinnen. So heißt das Hamburger Netzwerk meist selbstständiger Kleinunternehmerinnen, die beruflich ihre Frau stehen. Birte Villnow und Mareike Voß sind ausgebildete Gesangslehrerinnen, Miriam Lotz Sängerin und Schauspielerin. Die Vierte, Maaike Brussel, ist neu an Bord. Auch in ihrem Fall erwuchs aus der Not eine Tugend: Da sich Kollegin Miriam verstärkt um ihre zwei und fünf Jahre alten Kinder kümmern möchte, macht die Verstärkung das Angebot flexibler.
Die Damen eint eine Menge. Dass Jammern ein Fremdwort ist zum Beispiel. Obwohl es Anlass gäbe. Kaum war das 2018 gegründete Trio in Schwung gekommen, bremste Corona. Zuvor wurden die Perlen von Firmen für Weihnachtsfeiern, Betriebsfesten oder Jubiläumsveranstaltungen gebucht. Mit ihren leidenschaftlichen, fantasievollen Auftritten wusste die unkonventionelle Combo zu begeistern – und mitzureißen.
Drei Künstlerinnen aus unterschiedlichen Genres
Die drei Künstlerinnen aus unterschiedlichen Genres trafen mehr als nur den Ton. Sie singen a cappella, also ohne instrumentale Begleitung. Mithin kommt es entscheidend auf die Stimme an. Eine Bühne ist kein Muss. Auf Wunsch schreiten die Damen während der Darbietungen in schicken, aber nicht schillernden Kleidern von Tisch zu Tisch. Dann gilt tatsächlich: Applaus für die Perlen! Bis die Pandemie ausbrach. Aufträge und Proben waren passé. Monatelang ging fast nichts mehr. Wirtschaftlich war es ein Segen, dass die Perlen beruflich mit Gesangsstunden für Privatpersonen und Profis, Chorleitungen sowie Workshops ein solides berufliches Standbein haben. Familiärer Zusammenhalt schuf Stabilität.
Neben dem vor Corona einstudierten Programm für Weihnachtsfeiern mit variablen Längen bis zu dreimal 20 Minuten entwickelte das Team während des Lockdowns ein neuartiges Partypaket: „Sisterhood“. Übersetzt heißt das: Während der Krise fand die „Schwesternschaft“ kreative Lösungen für den Neuanfang – von Zuversicht beseelt.
Courage schon vorher bewiesen
Parallel wurden Facetten des Programms online, per Video sowie in den sozialen Medien präsentiert. Besser als gar nichts, indes weder künstlerische Erfüllung noch finanzielle Entspannung. Einem Prinzip blieben die Perlen treu: „Für einen Auftrag lassen wir uns nicht verbiegen.“ Weder Gage noch Programm noch Kleidung betreffend.
Courage hatten sie vorher bewiesen. Die gebürtige Berlinerin Mareike Voß, als sie an der renommierten Hochschule für Musik und Kunst in Arnheim in den Niederlanden erst nach der 13. Aufnahmeprüfung angenommen wurde. Miriam Lotz brachte nach ihrem Studium am Konservatorium in Wien Engagements in Musicals und Theatern mit der Familie in Einklang. Und Birte Villnow entschloss sich nach ihrem Bachelor zur Sozialpädagogin zu einem radikalen Kurswechsel: Von ihrer ursprünglichen Leidenschaft angespornt, studierte sie in Kopenhagen Gesang.
Mit dem eigenen Studio in Altona wurde 2019 ein Traum wahr. „Wir leben Zuversicht“, sagt das Trio unisono, „und haben gelernt, Misserfolge nicht persönlich zu nehmen.“ Aufgeben? Was ist das denn? Und wenn eine mal durchhängt, stehen ihr die anderen Frauen bestärkend zur Seite. Sie sind zwischen 36 und 42 Jahre alt. Kampferprobt. Vor allem haben sie niemals die Triebfeder ihres Berufs aus dem Sinn verloren: Begeisterung und Zuversicht können Flügel verleihen.
"Perlen" können jederzeit an den Start gehen
Unter diesen Vorzeichen stellten die Frauen nun das Signal erneut auf Grün. An den Unterhaltungsprogrammen wurde während der Zwangspause gefeilt, sodass die Perlen jederzeit an den Neustart gehen können. Im Juni traten sie im Auftrag einer Modedesignerin in deren Kleidern in Lüneburg auf. Anfang August sind Auftritte während des Hamburger Kultursommers geplant. Und dann kommt hoffentlich wieder richtig Musik ins Geschäft der Perlen.
Das Programm steht. Allerdings wird es eine Änderung geben. Bei ihren Liveauftritten sang die Combo bisher ausschließlich frei, ohne Mikrofon. Diese Technik via Lautsprecher jedoch soll fortan helfen, sich open air Gehör zu verschaffen. Auch in Sälen tragen Mikros dazu bei, sich nahezukommen. Menschen zu berühren und doch Abstand zu halten, ist die wahre Kunst. Spontan treten die drei Perlen in die Mitte des Raumes. Dieser Privatchor, a cappella, mit Charme und Inbrunst präsentiert, ist ein Ausklang nach Maß.
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