Hamburg. Eine unzureichende Ausbildung, kein Job und vor allen Dingen: wenig Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Wer gehörlos ist, der erfährt mitunter, dass der Weg in das Berufsleben ziemlich steinig sein kann. Hürden gibt es schließlich viele: zu wenige Anlaufstellen, zu wenige Gebärden-Dolmetscher und oft sind nicht zuletzt die Unternehmen selbst skeptisch, wenn es darum geht, Gehörlose einzustellen.
Ein neues Kompetenzzentrum in Barmbek soll nun dabei helfen, Gehörlose in den regulären Arbeitsmarkt zu vermitteln. Das Zentrum mit dem Namen „equalizent“ ist das einzige Weiterbildungszentrum Hamburgs, dass speziell auf Gehörlose ausgerichtet ist, von denen etwa 2000 in Hamburg leben.
Grundkonzept stammt aus Wien
Das Grundkonzept stammt aus Wien, wo „equalizent“ bereits seit 17 Jahren Gehörlose weiterbildet. Zentral ist dabei, dass Teams aus gehörlosen und hörenden Trainern gemeinsam unterrichten – und zwar immer in Deutscher Gebärdensprache (DGS). Auch die Arbeitsmaterialien sind speziell auf die Bedürfnisse von gehörlosen Menschen ausgerichtet, sind also in der Regel bildhafter und kommen mit wenig Text aus.
„equalizent“ wird unter dem Dach des gemeinnützigen Unternehmens ausblick hamburg angeboten. Dennis Stender, Geschäftsleiter bei ausblick hamburg, der ebenfalls verantwortlich für „equalizent“ ist, betont: „Auch durch die Gespräche mit dem Jobcenter wissen wir, dass der Bedarf definitiv da ist. Als wir dort vor einiger Zeit angefragt hatten, waren dort 300 Gehörlose gemeldet, die zu dieser Zeit nicht versorgt werden konnten.“
Bezug zur Arbeitswelt
Vorwiegend richtet sich das equalizent-Kompetenzzentrum an gehörlose Jugendliche und Erwachsene, die primär in Gebärdensprache kommunizieren. Zum Kursprogramm gehörten etwa Kleingruppen-Schulungen, die als Ziel haben, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Anschluss in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt werden können. „Vermittelt werden vertiefte Sprachkenntnisse der deutschen Schriftsprache und der Gebärdensprache, sowie unter anderem Inhalte aus den Bereichen Arbeit und Inklusion, Digitale Kompetenz, Diversity und Soziales, aber auch berufsbezogene Mathematik“, so Dennis Stender.
Wichtig ist, dass schon während der Schulungen der Bezug zur Arbeitswelt hergestellt wird. „Dieser Bezug ist zu Beginn allgemein und wird dann je nach Interessen konkreter auf Tätigkeitsbereiche zugeschnitten.“ Zusätzlich soll es auch ein Angebot für Hörende geben, die Gebärdensprache als Zusatz-Qualifikation erwerben wollen.
Spezielle Inklusionsbegleiter
Weiter gibt es bei equalizent spezielle Inklusionsbegleiter, die gehörlose Arbeitssuchende und (zukünftige) Arbeitgeber bei der Zusammenarbeit unterstützen. Bei vielen Firmen gebe es einen hohen Informationsbedarf. „Gerade kleinere Unternehmen scheuen sich oft, Gehörlose einzustellen. Viele wissen zum Beispiel nicht, dass ihnen eine finanzielle Förderung zusteht“, so Stender weiter. Große Anschaffungen seien – bis auf gegebenenfalls einen visuellen Feueralarm – allerdings in der Regel gar nicht nötig.
„Es kommt vor allen Dingen auf kleine Änderungen im Alltag an“, sagt Patricia Resl, die seit einigen Jahren als pädagogische Leitung bei „equalizent“ in Wien arbeitet und selbst gehörlos ist. „Sinnvoll ist es etwa, die Kommunikationsart umzustellen und weniger zu telefonieren und dafür mehr zu schreiben“, so Resl. Außerdem wichtig: Bei den Weiterbildungen würden Gehörlose mit erfolgreichen Role-Models in Kontakt treten – mit Gehörlosen also, die ihren Weg gegangen und im Beruf angekommen sind. „Das ist enorm wichtig, weil einigen Teilnehmern so erst wirklich klar wird, dass alles möglich ist und dass man alles erreichen kann.“
Wer Interesse hat, sich bei „equalizent“ weiterbilden zu lassen, kann sich ab sofort unter www.equalizent.eu/hamburg melden.
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