Pandemie

Hamburger können sich jetzt vor dem Altar impfen lassen

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Matthias Schmoock
Corona-Impfung in der Sülldorfer Kirche: Monica Bergmann impft den Schüler Hendrik Otto aus Wedel, dessen Mutter Kerstin schaut dabei zu.

Corona-Impfung in der Sülldorfer Kirche: Monica Bergmann impft den Schüler Hendrik Otto aus Wedel, dessen Mutter Kerstin schaut dabei zu.

Foto: Michael Rauhe / FUNKE Foto Services

Monica Bergmann verabreicht die Dosen mit dem Corona-Schutz in der Sülldorfer Kirche. Die Atmosphäre entspannt die Hamburger.

Hamburg. Still stehen die Menschen, die einen Impftermin wahrnehmen möchten, in einer kleinen Reihe am Eingang. Fast andächtig sehen sie sich beim Eintreten um. Kein Wunder. Die Sülldorfer Kirche ist sicherlich einer der ungewöhnlichsten Orte, um sich in Hamburg impfen zu lassen. In der vergangenen Wochen saß Monica Bergmann aus dem Team der Praxis von Dr. Frauke Mantey-Stiers an mehreren Tagen hier, um Impfwilligen ihre Dosen zu verabreichen. Das Abendblatt hat ihr dabei zugesehen.

Kerstin Otto und ihr Sohn Hendrik sind als Nächste dran. Der 15-Jährige soll zum ersten Mal geimpft werden, seine Mutter hat ihn aus Wedel zum Sülldorfer Kirchenweg gefahren. Es gibt noch ein paar Fragen zu den möglichen Nebenwirkungen, etwas nervös wirken die beiden schon. Monica Bergmann erläutert alles geduldig und freundlich – auch wenn es zum wiederholten Mal dieselben Fragen und Antworten sind.

Nach der Impfung in Hamburger Kirche: 15 Minuten ausruhen

Ihr zur Seite sitzt als Unterstützer Jason Stiers, Sohn der Praxisinhaberin. „Heute Abend ist Couch-Abend“, sagt sie zu Hendrik Otto, „da machst du außer Fernsehen mal gar nichts.“ Wann er denn wieder mit dem Sport loslegen könne, möchte Hendrik wissen – Antwort: „Wenn du dich wieder danach fühlst.“ Dann das immer gleiche Ritual: Jacke ausziehen, gegebenenfalls Ärmel hochkrempeln, „Rechts- oder Linkshänder?“, ein schneller Piks. Noch 15 Minuten müssen sich die Geimpften ausruhen, bevor sie wieder aufbrechen dürfen.

„Wir haben es durchaus schon erlebt, dass Menschen nach der Impfung in die Knie gegangen sind“, berichtet Bergmann. Der gefürchtete anaphylaktische Schock war allerdings nicht dabei – eher Kreislaufschwäche. Das hänge mit der inneren Anspannung zusammen. Erstaunlicherweise seien davon häufiger junge Männer betroffen gewesen.

"Die Praxisräume sind zu klein für die vielen Impfwilligen"

Die insgesamt mehr als 500 Dosen Biontech, die hier in der Kirche verabreicht werden, stammen aus einem nicht benötigten Kontingent von Betriebsärzten. Hinter der Idee, beim Sülldorfer Pastorat nachzufragen, steckte zunächst eine Notwendigkeit. „Die Praxisräume sind zu klein für die vielen Impfwilligen“, erläutert Bergmann. Manche Kollegen würden die Patientinnen und Patienten zwar auch draußen stehen lassen, aber das sei bei schlechtem Wetter doch eine ziemliche Zumutung.

Nun also das Impfritual in der Kirche – und es kommt an. Besonders gefällt den Geimpften, dass sie die vorgeschriebene 15-minütige Ruhephase in einer Kirchenbank mit Blick zum Altar sitzen und dabei ihren Gedanken nachhängen können – ohne vom Stadt-Gewusel gestört zu werden.

Schöner als im Hamburger Impfzentrum

„In der Tat hat die Atmosphäre hier etwas Entspannendes“, sagt Kerstin Otto. „Der Ort ist ruhig und schön – schöner als eine nüchterne Praxis.“ Das sieht auch Petra Wachsmann aus Barmbek so, die seit zehn Minuten in einer der Bänke sitzt. Eine wahre Odyssee habe sie hinter sich, berichtet Wachsmann, immer wieder habe es mit Impfterminen im letzten Moment dann doch nicht geklappt.

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„Bekannte haben mir von dieser Möglichkeit hier berichtet, und besser hätte ich es gar nicht treffen können“, sagt Wachsmann. „Man ist ja doch etwas aufgeregt, aber diese schöne Atmosphäre lässt das sofort verfliegen.“ Mit ihrer betagten Mutter war sie im Impfzentrum beiden Messehallen. Dort sei die Betreuung zwar auch „hervorragend“ gewesen, aber am Sülldorfer Kirchenweg gefalle es ihr doch noch deutlich besser.

Ungewöhnlicher Ort führte zu guten Gesprächen

Das sei ihr in den vergangenen Tagen immer wieder von Impfwilligen gesagt worden, bestätigt Monica Bergmann, und auch auf sie selbst habe diese Stimmung abgefärbt. Viele Stunden verbrachte sie innerhalb der vergangenen Wochen in der Kirche, aber die Arbeit habe sie weder gestresst noch gelangweilt. Neben der Alltagsroutine, die mit dem Aufziehen der Dosen beginne und mit dem Aufräumen ende, gebe es doch eine Menge zu beobachten und auch immer wieder viele gute Gespräche rund um das ungewöhnliche Impfritual in der Sülldorfer Kirche.

Eine anrührende Geschichte fällt Bergmann dazu ein: „Vor ein paar Tagen saß ein älteres Ehepaar länger als 15 Minuten in der Kirchenbank, und beide plauderten leise miteinander. Als sie rausgingen, sagte der Mann: „Wir haben uns eben wieder wie bei unserer Trauung gefühlt.“

Weitere Corona-Impftermine in Hamburg

Die Praxis Mantey-Stiers vergibt auch in den kommenden Tagen weitere Impftermine, die Zweittermine sind jeweils garantiert. Noch bis zum 26. Juli ist das möglich, Termine gibt es unter Tel.: 040/82 241 180 (mehrmals versuchen).

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