Kiel. Pünktlichere Züge, kürzerer Takt, mehr Fahrgäste als vor Corona: Bis 2030 soll der Bahnverkehr in Schleswig-Holstein zudem klimaneutral werden. Für einige wichtige Projekte fehle aber Geld, sagt der Verkehrsminister.

Landesregierung und Nahverkehrsverbund wollen deutlich mehr Menschen in Schleswig-Holsteins Züge locken als vor der Corona-Pandemie. "Unser Ziel ist es, das Nahverkehrsaufkommen gegenüber 2019 um 20 Prozent zu steigern bis 2026", sagte Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) am Dienstag bei der Vorstellung des Nahverkehrsplans für die kommenden fünf Jahre. Pünktlichkeit und Verlässlichkeit sollen besser werden und künftig alle Bahnstationen barrierefrei sein.

Derzeit sind die Züge im Norden aber weit weniger voll als vor der Pandemie. Der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes NAH.SH, Arne Beck, sprach deshalb von einem Kraftakt - "in einem Umfeld, in dem Fahrgäste möglicherweise verunsichert sind". Gegenüber 2019 - vor Corona - habe es im ersten Quartal einen Einbruch um 60 Prozent gegeben. Die Fahrkarten-Erlöse sanken im Zuge der Pandemie 2020/21 um 250 Millionen Euro. Die Einbußen werden je zur Hälfte von Bund und Land getragen.

Die Planungen fußen auf einem Gutachten, dass Potenziale und Machbarkeiten auf den Bahnstrecken untersucht hat. "Wir wollen ein bisschen den großen Wurf", sagte Buchholz. Er räumte ein, dass sich in den kommenden Jahren nicht alle Bahnstrecken angehen ließen. Eine Finanzierungslücke besteht beispielsweise noch für einen Ausbau der Strecke Kiel-Lübeck.

Bis Mitte September können sich unter anderem Kreise und kreisfreie Städte in die Planungen einbringen. Ziel ist auch Klimaneutralität. Nach Angaben von Buchholz könnte der Bahnverkehr 2030 komplett dieselfrei laufen. Möglich machen das der Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke von Itzehoe nach Sylt und der geplante landesweite Einsatz von 55 Batterie-Zügen auf Nebenstrecken. "Und das möglichst mit regional in Schleswig-Holstein erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien", sagte Buchholz. Durch die Elektrifizierung der sogenannten Marschbahn bis spätestes 2030 nach Sylt sollen künftig acht Millionen Euro jährlich eingespart werden.

Das Land will bis 2027 unter anderem das Angebot zwischen Hamburg und Lübeck verbessern, die Zugverbindungen zwischen Kiel und Preetz aufstocken, die Strecke von Niebüll nach Dagebüll elektrifizieren und neben der Strecke Kiel-Schönberger Strand auch die Trassen Wrist-Kellinghusen und Rendsburg-Rendsburg-Seemühlen reaktivieren. Zudem sollen die S-Bahnen im Hamburger Rand in kürzeren Abständen fahren. Wichtig seien auch die Fertigstellung der S4 über Ahrensburg nach Bad Oldesloe (geplant 2029) und der Bau der der S4 West bis nach Elmshorn, sagte Buchholz.

Als Problem haben die Gutachter ausgemacht, dass die Strecken von Hamburg nach Westerland, nach Flensburg und nach Kiel alle über Elmshorn laufen. Helfen soll der zweigleisige Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke Neumünster-Bad Oldesloe. "Dieser Bypass wäre eine Entlastung", sagte Buchholz. Mit den bereits finanzierten und weiteren angedachten Projekten beläuft sich das mögliche Investitionsvolumen in den nächsten zehn Jahren laut Buchholz auf knapp vier Milliarden Euro.

Vom Bund erhält das Land jährlich etwa 300 Millionen Euro an Regionalisierungsmitteln für den öffentlichen Nahverkehr - Tendenz steigend. Vor Corona waren im Norden laut Ministerium werktags rund 150 000 Menschen mit dem Zug unterwegs, den Bus nutzten demnach jährlich rund 190 Millionen Menschen.

Einen Schub für den Bahnverkehr verspricht sich die Regierung vom Jobticket, dass sie mit 30 Euro je Landesbeschäftigtem fördert.

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