Karlsruhe. Geschäftsideen im Internet wirbeln den Markt auf, das gilt auch für die Anwaltsbranche. Die einen freuen sich über die neuen Möglichkeiten - bei anderen wecken die Angebote Befürchtungen. Besetzen die Neulinge unzulässigerweise ureigene Aufgaben?

Auf Smartlaw.de können sich zahlende Nutzerinnen und Nutzer Schritt für Schritt auf sie zugeschnittene Rechtsdokumente wie Patientenverfügungen oder Mietverträge erstellen - aber das Angebot ist umstritten. Denn der Betreiber, der Fachverlag Wolters Kluwer, hat keine Zulassung zur Anwaltschaft. Das hat ihm eine Klage der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer eingebracht. Jetzt wird der Bundesgerichtshof (BGH) die Frage grundsätzlich klären, am Donnerstag wurde in Karlsruhe in letzter Instanz verhandelt. (Az. I ZR 113/20)

Die Kammer wirft dem Verlag vor, unzulässigerweise Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Darunter versteht das Gesetz "jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert".

Der Verlag hat den Generator, der sich an Privatleute und Firmen richtet, nach eigenen Angaben gemeinsam mit Anwälten entwickelt. Die Nutzer klicken sich selbst durch verschiedene Eingabemasken mit Fragen. Am Ende wird dann der Text aus Bausteinen zusammengesetzt.

Die große Frage ist, ob das nach der Definition eine Rechtsdienstleistung ist. Wenn ja, dann wäre Smartlaw wohl eher nicht erlaubt, wie der Vorsitzende Richter Thomas Koch andeutete. Der entscheidende Punkt werde aber sein, ob der Verlag für die Nutzer des Generators "in konkreten (...) Angelegenheiten" wirklich tätig werde.

Koch wies darauf hin, dass Formular-Handbücher mit Textbausteinen gang und gäbe seien. Auch der Generator erzeuge standardisierte Dokumente. Allerdings hat der Verlag auch sehr komplexe Materien im Angebot wie beispielsweise Lizenzverträge, für die die Nutzer 30 oder 40 Einzelfragen beantworten. Ist hier eine Grenze überschritten?

Ja, meint die Anwaltskammer, die auch noch einen ebenfalls komplizierten Grafikdesignvertrag beanstandet hat. Denkbar wäre also auch, dass der BGH zwischen solchen Dokumenten und einem "einfachen" Mietvertrag unterscheidet. "Wir wollen natürlich nicht jedes noch so profane Dokument verbieten", sagte Kammerpräsident Christian Lemke.

Der BGH-Anwalt der Kammer, Volkert Vorwerk, sagte, im Formularbuch wähle der Nutzer aus, was er für richtig halte. Die Software hingegen versammele Wissen, das Juristen hätten. "Und das ist dann die anwaltliche Tätigkeit, die Rechtsdienstleistung."

Der Vertreter von Smartlaw, Thomas Winter, hielt entgegen, was passiere, sei fundamental verschieden. Ein Anwalt frage nach, bewerte, erläutere das Ergebnis. Sollte die Klage Erfolg haben, würde außerdem nicht das Produkt verboten - es dürfte nur noch von Anwälten angeboten werden. Auf dem Gebiet der Software seien diese aber nicht überlegen. Sein Credo: "Das Produkt funktioniert, das Produkt ist gut, es nimmt niemandem etwas weg - also warum verbieten?"

Ursprünglich hatte der Verlag offensiv damit geworben, "günstiger und schneller als der Anwalt" zu sein und "Rechtsdokumente in Anwaltsqualität" zu liefern. Das hatte ihm in der Vorinstanz das Kölner Oberlandesgericht vor einem Jahr verboten. Dieser Teil des Urteils ist bereits rechtskräftig. Am BGH geht es nun noch um den Generator an sich. Das Urteil soll erst in nächster Zeit verkündet werden. Ein Termin dafür stand zunächst nicht fest.

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