Kiel. Die Corona-Pandemie hat digitale Defizite der Schulen schonungslos offengelegt. Das neue Schulgesetz schafft Grundlagen für Digitalunterricht, greift nach Ansicht der Opposition aber zu kurz. Kümmern will sich die Koalition außerdem um Schulschwänzer.

Kurz vor den Sommerferien haben sich Regierung und Opposition im Kieler Landtag eine Auseinandersetzung um die Schulpolitik geliefert. Neben der Verabschiedung einer Reform des Schulgesetzes ging es dabei am Mittwoch um die Digitalisierung und Mittel gegen das Schulschwänzen. Mit dem neuen Schulgesetz haben CDU, Grüne und FDP rechtliche Grundlagen für Digitalunterricht geschaffen. Nach Ansicht von SPD und SSW fehlt der Jamaika-Koalition jedoch der Mut.

Mit dem neuen Schulgesetz stärkt das Land nach Ansicht von Bildungsministerin Karin Prien die Schulen. "Wir stellen wieder durchgängig klar, dass Schule einen Bildungs- und einen Erziehungsauftrag hat", sagte die CDU-Politikerin. Zudem zog die Koalition eine Lehre aus der Corona-Pandemie: "Wir haben jetzt die gesetzliche Grundlage für die Nutzung digitaler Lehr- und Lernformen gerade auch anstelle von Präsenzunterricht, wenn besondere Umstände es erfordern."

Ab dem neuen Schuljahr drohen Schülern bei Fehlverhalten härtere Sanktionen. Beispielsweise können sie für die Dauer von bis zu drei Wochen vom Unterricht ausgeschlossen werden; bislang sind es zwei Wochen. Bei schwerer oder wiederholter Störung des Unterrichts in einem bestimmten Fach ist ein dreiwöchiger Ausschluss möglich. Prien betonte, die Schulleitungen könnten künftig sachgerechter und verhältnismäßiger auf Fehlverhalten reagieren.

Ab dem neuen Schuljahr können auch Schüler in den fünften und sechsten Klassen als Mitglieder mit beratender Stimme in der Schulkonferenz mitwirken. Andere Änderungen betreffen Lehrer: Schulinterne Bewerbungen für Schulleiter-Posten werden erst bei einer wiederholten Ausschreibung berücksichtigt. Die freie Schulwahl bleibe im Rahmen der Kapazitäten bestehen, sagte Prien. "Wir wollen einerseits eine möglichst gleichmäßige Auslastung der Schulen erreichen und andererseits das Recht der Eltern auf die Schulwahl erhalten."

Scharfe Kritik an der Reform kam von SPD und SSW. Nach Ansicht der SSW-Bildungspolitikerin Jette Waldinger-Thiering fehlen dem Regierungsbündnis schlicht Visionen. Ihr SPD-Kollege Martin Habersaat vermisste Mut zum Anpacken wichtiger Themen. "Stattdessen hat die Regierung sehr viel Arbeit auf Semantik vergeudet." Der Begriff Erziehung habe bereits zuvor im Gesetz gestanden.

Mehr Engagement forderte Habersaat vor allem im Bereich der Digitalisierung. "Natürlich freuen wir uns alle, dass jetzt Präsenzunterricht wieder möglich ist. Aber die Laptops dürfen doch jetzt nicht wieder im Klassenschrank verschwinden." Schulen sollten bei digitalen Angeboten kooperieren können oder im Einzelfall in Distanz arbeiten. Als Beispiel nannte Habersaat Projekte mit Partnerschulen im Ausland. Stattdessen dürften Schulen digitale Medien nutzen, wenn sie zur Verfügung stehen - "ja und wenn nicht, ist halt schade".

Nach Angaben der Landesregierung stehen für Digitalisierungsmaßnahmen an Schulen von 2019 bis 2024 rund 300 Millionen Euro zur Verfügung. Grundlage sind unter anderem Vereinbarungen mit dem Bund und Landesprogramme. 80 Prozent der Schulen seien an das Glasfasernetz angeschlossen, sagte der CDU-Bildungspolitiker Tobias von der Heide. "Uns muss es darum gehen, Schule mit Digitalisierung besser zu machen." Mittlerweile gebe es Leihgeräte für Kinder, deren Eltern sich kein Tablet-PC leisten könnten.

Schärfer vorgehen will die Koalition gegen Schulabsentismus. "Unsere Gesellschaft kann und darf es sich nicht leisten, junge Menschen bei der Bildung zurückzulassen", heißt es in einem vom Parlament beschlossenen Antrag. Bis Ende des Jahres soll das Bildungsministerium ein Konzept vorlegen, wie Schulen gegen Schulschwänzer vorgehen können. "Im Einzelfall vielleicht auch mit der Polizei", sagte von der Heide.

Die Grünen-Bildungspolitikerin Ines Strehlau betonte: "Schulen müssen wissen, wie sie die Belastung von Kindern erkennen." Und wo sie Hilfe holen können. Die FDP-Bildungspolitikerin Anita Klahn verwies auf mögliche Folgen des Unterrichtsausfalls der vergangenen Monate. "Es bleibt zu hoffen, dass wir keine Häufung von Schulabsentismus feststellen werden oder allgemeine Anlaufprobleme, wenn es wieder in den regulären Schulbetrieb geht."

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