Hamburg. Anwalt Gerhard Strate spricht in seinem Gastbeitrag zur Corona-Pandemie bei der Ausgangssperre von einem politischen Geniestreich.

Sagt ein Waidmann zum anderen: „Ich jage ausschließlich karierte Krokodile!“ Erstaunte Antwort des Gegenübers: „Aber hier gibt es doch gar keine karierten Krokodile!?“ Daraufhin der erste mit sichtlichem Stolz: „Eben, und genau das ist mein Verdienst!“ An diesen alten Witz muss unwillkürlich denken, wer sich den Kern der Aussagen von Innensenator Andy Grote anlässlich der Beendigung der nächtlichen Ausgangssperren in Hamburg bewusst macht.

„Das waren wahrscheinlich die erfolgreichsten 40 Tage, die wir bisher in der Pandemiebewältigung in Hamburg erlebt haben“, zog er am 11. Mai 2021 Bilanz. Denn schließlich sei die Inzidenz am 2. April, dem ersten Tag der Ausgangssperre, noch bei 160,12 gelegen, während sie am 11. Mai auf 78,25 gefallen sei. Dies sei ein Erfolg, „den sich die Hamburgerinnen und Hamburger sehr hart erarbeitet haben“, so Grote weiter, der die „große Disziplinleistung“ und das „Verantwortungsbewusstsein“ der Bürger lobte.

Ausgangssperre zu diesem Zeitpunkt ein ein politischer Geniestreich

Noch etwas komprimierter formulierte es Bürgermeister Tschentscher auf der Landespressekonferenz am 1. Juni 2021. Weitere Öffnungsschritte seien möglich geworden, „weil die Infektionsdynamik mit Einführung der Ausgangsbeschränkung zum Osterwochenende deutlich gebremst wurde“.

Was alles hätte passieren können, wenn die rettende Ausgangssperre nicht das Schlimmste verhindert hätte, zeigt die Betrachtung des Vorjahreszeitraums. Am 2. April 2020 war eine Inzidenz von 48,9 zu verzeichnen, welche bis zum 11. Mai 2020 auf 5,7 sank. Das bedeutet: Während sich der fragwürdige Inzidenzwert im Jahr der Ausgangssperre im betreffenden Zeitraum etwa halbierte, sank er im Vorjahreszeitraum um fast 90 Prozent.

Dieser Vergleich legt nahe, was den Rückgang vorrangig verursacht: Wir haben es mit einem Infektionsgeschehen zu tun, das stark saisonal bestimmt wird, dessen Wellen mit steigender UV-Intensität verebben, jedenfalls stark zurückgehen. Vor diesem Hintergrund erscheint es fast wie ein politischer Geniestreich, dass die Ausgangssperre in Hamburg und die „Bundesnotbremse“ ausgerechnet in einer Zeit etabliert wurde, da der saisonale Rückgang der Infektionen bereits in Reichweite war, sprich: Die Sonne die angemaßte Aufgabe der Politik souverän erledigen würde.

An den Ausnahmezustand scheinen sich manche Politiker schnell zu gewöhnen

Stück für Stück ist die Politik nun geneigt, den Bürgern einige „Privilegien“ zurückzugeben, weiteres Wohlverhalten vorausgesetzt. Bis zum Zeitpunkt der Bundestagswahlen am 26. September sollte sich das zu verteilende Zuckerbrot wohl strecken lassen, legt man die Entwicklung der bundesweiten Vorjahreskurve zugrunde, welche erst ab der zweiten Oktoberwoche wieder ansteigende Inzidenzzahlen aufwies.

Hier ein Konzert mit Testpflicht, dort eine Sportveranstaltung mit Mundschutz, Öffnung der Außengastronomie und unter strengen Vorgaben auch der Innengastronomie: Damit werden die Bürgerinnen und Bürger bei der Stange gehalten und Coronamuffeln vorgeführt, was sie verpassen, wenn sie die sich alle paar Tage ändernden Vorgaben allzu kritisch betrachten.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

An den Ausnahmezustand, der durch die Feststellung einer epidemischen Lage nationalen Ausmaßes geschaffen wurde, scheinen sich manche Politiker erschreckend schnell zu gewöhnen. Statt zu prüfen, ob dessen gesetzliche Voraussetzungen überhaupt noch vorliegen, nämlich „die dynamische Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit“, liebäugelt zum Beispiel Markus Söder bereits mit dem Klimawandel als nächste „pandemische Herausforderung“.

Ganz ähnlich sieht das Karl Lauterbach, der sich Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels wünscht, „die analog zu den Einschränkungen der persönlichen Freiheit in der Pandemie-Bekämpfung sind“. Überlegungen, die einen um die Zukunft unseres Rechtsstaates Angst und Bange werden lassen.