Hamburg. Seit mehr als 20 Jahren kommentiert Peter Urban liebevoll und leicht ironisch den Eurovision Song Contest. Nachdem die Party 2020 ausfallen mussten, steht in diesem Jahr erstmals eine Corona-Version an. Urban ist gespannt und hat schon Favoriten auf dem Zettel.

Der langjährige Kommentator des Eurovision Song Contest (ESC), Peter Urban (73) hat bereits die ersten Favoriten auf seinem Zettel. "Es ist, finde ich, ein richtig guter Jahrgang. Mit ungefähr zehn Titeln, die richtig herausragen. Das kann richtig spannend werden", sagte der Musikexperte der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. Einen klaren Favoriten sehe er dagegen nicht. "Sicherlich große Chancen wird Italien haben. Die schicken ja immer den Sieger des San-Remo-Festivals. Die haben einen Beitrag, der ist richtig interessant. Das ist eine Mischung aus richtig hartem Rock mit ein bisschen Rap-Einfluss und auf Italienisch. Richtig klasse."

Zudem schätzt Urban die Beiträge der Schweiz, Malta und Portugal als außergewöhnlich gut ein. Es freue ihn auf jeden Fall sehr, dass endlich wieder eine schöne Bandbreite vorhanden sei. "Das war in den letzten zwei Jahren nicht ganz so üppig. Diesmal sind sehr gute Stücke aus verschiedenen Stilarten dabei und das macht einen Wettbewerb immer interessant."

Urban kommentiert den ESC seit 1997. Dabei ist er nicht nur todernst, sondern begeistert viele ESC-Fans auch mit seinen kleinen, bissigen, ironischen Seitenbemerkungen. Bei denen müsse man aber durchaus sehr vorsichtig sein, sagt Urban dazu. "Ich will ja auch keinen beleidigen oder lächerlich machen. Das ist ein feiner Drahtseilakt. Weil ich auch fair sein will."

Den deutschen Beitrag, "I Don't Feel Hate" von Jendrik Sigwart, findet Urban "total originell". Jendrik selbst sei "außergewöhnlich" und "hoch talentiert junger Künstler, der sprüht, der wie ein Flummi auf der Bühne sein wird, der singen kann, der tanzen kann und der großartige Ideen hat". Der Song scheine durch die verschiedenen Stilarten - Skiffle-Musik, ein Touch von 20er-Jahre-Jazz und Hardrock - nicht in eine Schublade zu passen.

Aber das Lied habe eine sehr eingängige Melodie und ein ernstes Thema. "Auf leichte, sympathische, amüsante Art wird hier ein aktuelles Thema - nämlich Hassbotschaften - verarbeitet. Das ist ein großer Anspruch. Aber er ist gut erreicht." Ob der Song beim ESC-Publikum ankommen wird, könne er nicht sagen. "Es wird Aufmerksamkeit erreichen. Und beim ESC ist es viel wichtiger originell und außergewöhnlich zu sein."

Urban ist ein ausgewiesener Musikexperte, der schon mehr als 5000 Konzerte besucht und mit den Größen der Musikwelt gesprochen hat. Er spielt seit seiner Jugend Klavier und Orgel, hat seine Diplomarbeit über Popmusik und ihre Inhalte geschrieben, ist seit 40 Jahren Teil einer Blues-Soul-Band und moderierte bei NDR 2 bereits mehrere Musiksendungen, derzeit immer Donnerstag-Abend "NDR 2 Soundcheck - Die Peter Urban Show". Im Moment geht er zudem regelmäßig mit dem NDR-Podcast "Urban Pop" auf Sendung.

Am ESC mag er den sportlichen Charakter gern und dass er dabei durchaus auch noch etwas lernen kann. "Der ESC ist eine Art Spiel ohne Grenzen, eine europäischer Wettstreit, der aber nicht unbedingt ernst genommen werden muss. Man kann das ja auch leicht und spielerisch sehen." Ihn fasziniere dabei, dass auf der Bühne so viele Musikkulturen aus vielen Ländern zusammen gebracht werden. "Und ehrlich gesagt freue ich mich immer, wenn auch ethnische oder landestypische Songs oder Musiken zu hören sind." Gerade in diesem Jahr werde da einiges geboten. "Die sind gut und faszinierend, weil sie ethnische Elemente mit modernen Elementen - Elektronikmusik und Rap - verbinden. Und das ist richtig spannend."

Der ESC sei ein in vielerlei Hinsicht offener Wettbewerb - auch für Musiken in anderen Stilarten. "Es ist mittlerweile Musik aus allen Stilrichtungen beim ESC. Hardrock, moderne Soul- und R'n'B-Musik. Vor einigen Jahr hat ja sogar Portugal mit einem jazzigen Bossanova-artigen Song in ganz zarten Tönen auf portugiesisch gewonnen. Das hätte man früher nie geglaubt, dass das jemals vorkommen wird."

Ein Ende seiner beruflichen Musikleidenschaft sieht der 73-Jährige noch lange nicht gekommen. "Ich würde schrecklich gelangweilt sein, wenn ich das nur noch privat machen müsste."

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