Interview

Anne Fleck: „Frauen haben es im Schlaf schwerer als Männer“

| Lesedauer: 9 Minuten
Lars Haider

Die Hamburgerin ist eine der bekanntesten deutschen TV-Ärztinnen und zu Gast im Podcast Entscheider treffen Haider.

Hamburg. Sie ist eine der bekanntesten deutschen TV-Ärztinnen, hat eine eigene Praxis in Hamburg und gerade ein Buch veröffentlicht, das irgendwie zu ihrem Leben passt: In „Energy“ will Anne Fleck unter anderem Wege aus dem „Müdigkeitslabyrinth“ zeigen.

In dieser Folge von „Entscheider treffen Haider“ verrät sie, warum man mindestens sechseinhalb Stunden Schlaf braucht, die aber auch über den Tag verteilen kann; was es bedeutet, wenn man zwischen zwei und drei Uhr wach wird – und wieso es Frauen nachts schwerer als Männer haben.

Das sagt Anne Fleck über …

… die richtige Menge Schlaf:

„Um mich morgens fit und ausgeschlafen zu fühlen, brauche ich um die sieben Stunden Schlaf. Und eine Schlafdauer über 6:30 Stunden empfiehlt auch die Wissenschaft. Die moderne Forschung sieht auf jeden Fall, das ausreichender Schlaf genauso wichtig ist wie gesunde Ernährung und Bewegung.

Wer chronisch zu wenig Schlaf bekommt und gegen seine innere Uhr lebt, ist zum Beispiel stärker gefährdet, an Diabetes zu erkranken. Auch wichtig: Wer abends noch lange am Computer oder am Handy sitzt, riskiert, dass er Einschlafschwierigkeiten hat. Denn durch das blaue Licht der Geräte verschiebt sich unsere innere Uhr um zwei bis drei Stunden. Deshalb empfehle ich meinen Patienten schon seit Jahren, Blaulichtfilter zu verwenden, die machen einen großen Unterschied.“

… Boris Herrmann und Cristiano Ronaldo:

„Ich bin ein leidenschaftlicher Mitsegler. Ich liebe es, auf dem Wasser und am Wasser zu sein, und habe deshalb natürlich die Vendée Globe mit Boris Herrmann verfolgt, der ja mit maximal einer Stunde Schlaf am Stück ausgekommen ist. Dass wir anderen alle so schlafen, wie wir schlafen, nämlich sieben, acht Stunden am Stück, ist historisch bedingt.

Früher, vor der Industrialisierung und als es zum Beispiel noch kein elek­trisches Licht gab, hatten Menschen einen anderen Lebens- und Schlafrhythmus. Sie sind öfter nachts aufgewacht und aufgestanden, das war ganz normal. Soll heißen: Man kann die benötigte Schlafmenge auch auf mehrere Portionen und 24 Stunden aufteilen, ich glaube, Cristiano Ronaldo macht das so. Das ist eine Urform des Schlafens.“

… das Schnarchen:

„Dass Männer schnarchen, hat einen evolutionären Grund. Früher sollten durch das Schnarchen die wilden Tiere vertrieben werden – vielleicht ist das für die betroffenen Frauen ein Trost.“

… die Frage, wie man TV-Ärztin wird:

„Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, dass man mich mal eines Tages im Fernsehen sieht. Ich bin eher ein stiller Mensch. Durch einen Zufall bin ich ins TV gekommen, durch eine Begegnung mit einer Redakteurin des NDR, mit der ich etwas zusammen für das Magazin „Visite“ gemacht habe. Ich war neu in Hamburg und dachte, dass das nicht schaden kann, um auf meine Heilmethode und innovative präventive Medizin aufmerksam zu machen.

Später hat man mir gesagt, dass ich ein Talent habe, komplexe medizinische Sachverhalte auf den Punkt zu bringen. Und so bekam ich einen Anruf, dass der NDR ein neues Format plant, dass ursprünglich „Die Fitmacher“ heißen sollte – daraus wurden auf meinen Vorschlag „Die Ernährungs-Docs“ … Dass das daraus geworden ist, was daraus geworden ist, hätte ich nie gedacht.

Die TV-Sendungen sind tatsächlich eine super Werbung gewesen, wobei ich heute eher das Problem habe, dass ich nicht alle Patienten annehmen kann. Eine Patientin hat mir neulich erzählt, dass sie Jahre auf einen Termin warten musste … Ich nehme mir sehr viel Zeit für die Ursachenforschung und Betreuung, und auch mein Tag hat nur 24 Stunden.“

… das Glas Wein/Bier am Abend:

„Man muss bei Alkohol am Abend Folgendes wissen: Er erleichtert in der Regel das Einschlafen, aber die Schlafqualität kann bei einigen Menschen schlechter sein. Ich merke das, wenn ich Rotwein trinke: Ich schlafe besser ein, werde aber nachts wach. Übrigens: Wenn man nachts regelmäßig zwischen zwei und drei Uhr wach wird, ist das ein kleines SOS-Blinken der Leber.

Die Leber ist die Grande Dame des Stoffwechsels, unser fleißigstes Organ, und dabei sehr bescheiden und gutmütig. Wo wir gerade beim Trinken sind, hier noch ein Tipp, der lebenslang für gute Gesundheit sorgen kann: Man sollte nicht zu, sondern zwischen den Mahlzeiten trinken.“

… Essen in der Nacht:

„Essen in der Nacht ist auf jeden Fall nicht empfehlenswert. Wenn wir eine Nahrungspause von zwölf Stunden beim Mann und von 13 Stunden bei der Frau einhalten, kommt der Körper in die Phase der Autophagie (Selbstreinigung), das heißt, er frisst und recycelt den Zellmüll. Wenn jemand nachts Hunger hat, ist es für mich ein Zeichen, dass er am Abend nicht genügend gegessen hat, vor allem vielleicht zu wenig Eiweiß. Das braucht man unter anderem, um das Schlafhormon zu bilden. Mein Tipp ist, abends eine Handvoll Nüsse zu essen, die können dabei helfen. Grundsätzlich ist es wichtig, sich abends richtig satt zu essen, und dabei auf Rohkost zu verzichten, weil das die Schlafqualität auch beeinträchtigen kann.“

… Kauen, Kauen, Kauen:

„Man sollte nur dann essen, wenn man wirklich Hunger hat, nicht aus Langeweile, Leere, Ärger oder Frust. Und wenn man dann Hunger hat, darf man sich auch satt essen. Wichtig dabei: kauen, kauen, kauen, bis ein Brei im Mund entsteht, dadurch wird die Verdauung entscheidend erleichtert, und man ist schneller satt. Ich sage immer mit einem Augenzwinkern: Kau um dein Leben! Noch ein Tipp: Nicht den ganzen Tag snacken, sondern am besten zwei oder drei Mahlzeiten essen.“

… Kochen:

„Ich komme aus einer Familie, in der lange, liebevoll zubereitete Essen immer sehr wichtig waren. Wenn ich aber heute abends nach einem anstrengenden Tag in der Küche stehe, muss es einfach und schnell gehen, und deshalb koche ich auch gern nach den Rezepten aus meinen eigenen Büchern. Ansonsten mag ich auch die Kochbücher von Yotam Ottolenghi sehr gern, seine Rezepte sind für mich eine Inspiration, weil er spannende Zutaten verwendet und Geschmacksnoten entwickelt, die für viele völlig neu sind. Im Moment bin ich ein Sellerie-Junkie ...“

… Nickerchen und den leichten Schlaf der Frauen:

„Ein Nickerchen oder Powernap ist wirklich von Vorteil. Innovative Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern das deshalb auch an. In Japan ist das Nappen am Tag ganz normal und erlaubt. Ich kann das nicht, Frauen können das grundsätzlich schwerer als Männer. Denn sie haben den leichteren Schlaf, weil sie die Kinder hören sollen – das hat die Natur so eingerichtet.“

… nächtliche Grübeleien:

„Nachts sind wir oft grüblerisch und ängstlich. Das liegt an unserem Schlafhormon. Nachts ist das Cortisol unten und das Melatonin hoch, das macht uns einfach ängstlich. Deshalb sollte man wichtige Entscheidungen niemals vor elf Uhr vormittags treffen.“

… dünne Dicke:

„Bei schlanken Menschen heißt es ja immer, dass sie gesund sind. Aber 30 bis 40 Prozent davon sind sogenannte dünne Dicke, das sind die Menschen, die im Körper niedrigschwellige Entzündungen haben. Und die sind für bestimmte Erkrankungen genauso anfällig wie der Übergewichtige. Vor allem Raucher sind häufig dünne Dicke.“

… Träume, an die man sich nicht erinnern kann:

„Jeder zehnte Mensch hat eine Stoffwechselstörung, die verhindert, dass er oder sie sich an Träume erinnert. Dagegen kann man zum Beispiel etwas mit gezielter Mikronährstoffzufuhr und B-Vitaminen tun.“

… Angst:

„Wir haben ja alle Angst. Aber für unser Immunsystem ist es viel besser, wenn wir uns nicht ständig Sorgen machen, sondern uns auf das Positive konzentrieren. Nicht die Verneinung wählen, die versteht unser Gehirn nämlich nicht. Dafür jeden Abend an drei Dinge denken, für die man dankbar ist und warum.“

… Vitamin D:

„Wir bekommen im Winter auch beim besten Sonnenschein kein Vitamin D. Deshalb ist es so wichtig, dass man das ergänzt, das gilt für Kinder und Jugendliche wie Erwachsene. Ich staune immer noch, wie viele das nicht berücksichtigen. Im Frühjahr sind die unter anderem erschöpft, weil sie einen Vitamin-D-Mangel haben. Wir in Norddeutschland sind sowieso schlechter versorgt.“

„Energy! Der gesunde Weg aus dem Müdigkeits­labyrinth, Mit 30-Tage-Selbst­hilfeprogramm“, Autorin: Anne Fleck

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