Kiel. Im Zuge der Rockeraffäre wechselte Schleswig-Holsteins damaliger Innenminister die Polizeispitze aus. Er habe kein Vertrauen wahrgenommen, sagt der ehemalige Leiter der Polizeiabteilung - und wehrt sich gleich gegen mehrere Darstellungen.

Der ehemalige Leiter der Polizeiabteilung hat Vorwürfe gegen die damalige Spitze des schleswig-holsteinischen Innenministeriums im Zusammenhang mit seiner Ablösung erhoben. "Ich glaube, ich war nicht genehm", sagte er am Montag am Rande des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der sogenannten Rockeraffäre der Polizei. Der Ministerialdirigent im Ruhestand wehrte sich gegen die Darstellung, er selbst habe in einer Mail an die Hausspitze im Sommer 2017 seine Demission angeboten.

Der damalige Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) hatte den Abteilungsleiter und den Landespolizeidirektor Ende 2017 ausgewechselt und den Schritt damals mit einer anderen Auffassung über die Ausrichtung der Polizei begründet. Im Ausschuss sprach Grote selbst im Dezember von einem Kräftemessen zwischen Ministeriumsspitze und Polizeiführung. Er bestritt jedoch, dass es bei seinem Amtsantritt im Sommer 2017 Vorurteile oder Vorfestlegungen gegeben habe.

Der ehemalige Abteilungsleiter verwies dagegen auf ein erstes Gespräch mit Grote vor dessen Amtseinführung im Juni 2017 im Büro von Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU). Auf Grotes Tablet seien Presseberichte über die Affäre zu sehen gewesen. Der designierte Minister habe ihm dabei eröffnet, es sei der Punkt gekommen, "wo man über personelle Konsequenzen nachdenken sollte". Der Beamte bezog das auch auf sich selbst. "Es war deutlich, dass da ein Entschluss oder ein Auftrag bei ihm war." Er wolle aber nicht spekulieren, woher ein Auftrag gekommen sein könnte.

Fassungslos habe ihn ein Schreiben von Innenstaatssekretär Torsten Geerdts (CDU) gemacht, mit das ihn Journalisten Ende 2020 konfrontiert hätten. Darin sei von unzureichenden Informationen des Abteilungsleiters an die Hausspitze und von dessen Angebot eines Rücktritts die Rede gewesen. Er sprach von "wahrheitswidrigen Behauptungen".

Zwar habe er Mitte Juli 2017 eine ausführliche Mail an den Minister geschrieben, sagte er. "Ich finde, das ist nichts anderes gewesen als die Bitte: Sprecht endlich mit mir." Er habe nicht gewusst, wohin der neue Minister die Polizei habe führen wollen. "Ich merkte, hier gibt es kein Vertrauen." Es habe aber keinerlei Reaktion auf seine Mail gegeben. "Null."

Dennoch habe er dem Minister bei einem Treffen von Führungskräften in Leck geholfen, als dieser nach verständlichen Fragen der Beamten zur Neuausrichtung der Polizei die Veranstaltung habe verlassen wollen. Gemeinsam mit dem damaligen Polizeidirektor habe er dem Politiker einige Dinge aufgeschrieben, obwohl er dessen Ideen von der Neuausrichtung der Polizei nicht einmal gekannt habe. "Er hat dann einen Zettel von uns bekommen."

Mit drastischen Worten ging der Ex-Abteilungsleiter auf den Bericht des von Große beauftragten Sonderermittlers Klaus Buß zu den Vorgängen rund um Ermittlungen der Polizei nach einem Messerangriff in einem Schnellrestaurant in Neumünster 2010 ein. Auslöser der Affäre war der polizeiinterne Umgang mit dem entlastenden Hinweis eines V-Mann-Führers zu einem seinerzeit in Untersuchungshaft sitzenden Tatverdächtigen. Buß bewerte die Vorgänge als Führungsversagen bei der Polizei.

Der Ex-Abteilungsleiter nannte dessen Untersuchung inhaltlich und methodisch ungenügend. "Der Bericht ist für den Verfasser eine Blamage und für den Auftraggeber eine Schande." Die Ermittlungen seien eine dienstrechtliche Untersuchung gewesen. Ihm selbst sei dabei rechtliches Gehör verweigert worden.

Der Ex-Abteilungsleiter wehrte sich zudem gegen den medial erhobenen Vorwurf, er habe den ebenfalls abgelösten Polizeidirektor ins Amt gehoben. Er habe mit diesem und auch mit dem damaligen Leiter des Landeskriminalamts bis Ende 2017 keine privaten Kontakte unterhalten. "Sowas hat es nicht gegeben." Er und die beiden anderen hätten offensichtlich nicht zur Neuausrichtung der Polizei gepasst.

Ex-Innenminister Grote hatte im Ausschuss ausgesagt, bei der Polizeiführung habe er als Innenminister 2017 den Eindruck gewonnen, "dort ist man der Meinung, alles richtig gemacht zu haben". Er habe sich die Frage gestellt, ob das "die richtigen Kollegen" seien.

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