Hamburg. Es waren diese Meldungen, mit denen alles begann. Die Meldungen aus Italien in der ersten Corona-Welle im vergangenen Frühjahr. Die Bilder der Leichenwagen gingen um die Welt, ebenfalls die Berichte über schwer Erkrankte, die nicht mehr ausreichend betreut werden konnten und starben, ohne ihre Angehörigen noch einmal sehen zu können.
Für den Hamburger Unternehmer Tim Komischke waren diese tragischen Nachrichten der Auslöser dafür, selbst aktiv zu werden. „Ich ahnte, dass die Themen Sterben, Tod und Angst vor der Einsamkeit in Zeiten der Pandemie eine noch größere Rolle spielen würden als ohnehin schon.“
Angehörige konnten zum Abschiednehmen nicht mehr in die Pflegeeinrichtung kommen
Und so gründete Komischke, der nach dem Tod eines guten Freundes selbst eine Ausbildung als Trauer- und Sterbebegleiter gemacht hatte, zunächst die Hilfsaktion „CoronaBegleitung“. „Dabei ging es vor allem darum zu vermitteln, wie per Telefon und Videotelefonie ein digitales Abschiednehmen begleitet und moderiert werden kann“, so Komischke.
„Es gab insbesondere im ersten Lockdown Situationen, in denen Angehörige zum Abschiednehmen nicht mehr in die Pflegeeinrichtung oder Krankenhäuser kommen konnten. In solchen Fällen haben wir digitale Lösungen erarbeitet und bei der Umsetzung unterstützt, damit ein würdevoller und menschlicher Abschied trotz allem möglich ist.“
Hilfsaktion lief gut an
Die Hilfsaktion lief gut an. Komischke und ein Team aus zwei weiteren Expertinnen aus der Sterbebegleitung und der Hospizbewegung erarbeiteten speziell für das Abschiednehmen unter Pandemie-Bedingungen einen Leitfaden zur Sterbebegleitung, der Angehörigen von schwer erkrankten Menschen Orientierung und Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen soll. „Mit dem Leitfaden konnten wir bereits mehr als 30.000 Menschen erreichen“, so Komischke.
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Aus der Erfahrung der vergangenen Monate heraus möchte Komischke nun einen Schritt weiter gehen. Derzeit laufen die fortgeschrittenen Planungen für den „SterbeNotruf Deutschland“, mit dem er noch in diesem Jahr an den Start gehen will.
Versorgungslücke schließen
Was steckt dahinter? Der SterbeNotruf Deutschland ist ein gemeinnütziges Hilfsprojekt, das da ansetzt, wo Menschen sich oft alleingelassen fühlen. Also, wenn sie erfahren, dass sie selbst oder Zugehörige sterben müssen.
Mit dem SterbeNotruf solle Versorgungslücke zwischen der aktuellen Notfallhilfe mit dem medizinischen Notruf 112, dem Notarztwagen-System und der punktuellen Unterstützung durch Psychosoziale Notfallversorgung und Telefonseelsorge geschlossen werden. Der Sterbenotruf fungiert als Zentrale, über die Sterbebegleiterinnen und Trauerbegleiterinnen im gesamten Bundesgebiet direkte psychosoziale Notfallhilfeversorgung leisten – online, telefonisch und wenn möglich, zu einem späteren Zeitpunkt des Ausbaus, auch vor Ort.
Komischke hat bereits bereits Unterstützer gefunden
„Zusätzlich möchten wir eng mit den lokalen Einrichtungen wie Krankenhäusern mit Palliativstationen, psychosozialen Diensten und ambulanten und lokalen Hospizen zusammenarbeiten, um bei Bedarf weiter zu vermitteln“, so der 41-Jährige.
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Für sein Konzept hat Komischke bereits Unterstützer gefunden. So bekam er beispielsweise die Möglichkeit, an dem über den #WirVsVirus-Hackathon der Bundesregierung entstandenen Solution Enabler Umsetzungsprogramm unter der Schirmherrschaft des Bundeskanzleramts teilzunehmen.
Crowdfunding-Kampagne erfolgreich abgeschlossen
Der SterbeNotruf wurde dort zu einem der Repräsentanzprojekte ausgewählt. „Auch das Land Schleswig-Holstein hat bereits Unterstützung zugesagt. Komischke ist überzeugt, dass der SterbeNotruf in den kommenden Jahren noch an Bedeutung gewinnen wird. „In Deutschland sterben zurzeit auch ohne Corona-Pandemie bereits 80 Prozent aller Menschen nicht so, wie sie es sich wünschen. Das sind jährlich mehr als 750.000 Personen.“
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Für die ersten Schritte der Umsetzung und die technische Realisierung des SterbeNotrufs hat Komischke inzwischen erfolgreich eine Crowdfunding-Kampagne abgeschlossen. Derzeit laufen die Vorbereitungen zur Ausgründung eines gemeinnützigen Trägers für das Projekt. Und Komischke ist zuversichtlich: „Ich denke, dass wir bereits in diesem Jahr starten können.“
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