Kairo/Hamburg. Zehn Tage benötigt ein Containerschiff in der Regel vom Suezkanal nach Hamburg. Entsprechend bereiten sich die Hafenbetriebe nach dem Ende der Suez-Blockade vorsorglich auf einen Ansturm von Frachtern in der Hansestadt vor.

Der Hamburger Hafen bereitet sich nach dem Ende der Suezkanal-Blockade auf einen Ansturm der zuvor im Stau stehenden Seeschiffe vor. "Nach der Wiederaufnahme des Verkehrs im Suezkanal ist zeitlich versetzt von einer Peak bei Anläufen von Großcontainerschiffen auszugehen", sagte ein Sprecher der Hamburg Port Authority (HPA) am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Um neuerliche Staus - diesmal in Europas drittgrößtem Hafen Hamburg - zu vermeiden, werde die Nautische Zentrale als Verkehrsleitstelle die Schiffe so disponieren, dass sich eine möglichst hohe Auslastung der Kaibetriebe ergebe.

"Wir stellen uns auf eine höhere Auslastung unserer Anlagen ein", sagte ein Sprecher der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) der Deutschen Presse-Agentur. So werde etwa zur Lagerung von Export-Containern eine zusätzliche Fläche von rund 100 000 Quadratmetern aktiviert. Die HHLA betreibt als größtes Container-Umschlagsunternehmen drei der vier Terminals im Hafen und hat im vergangenen Jahr 6,8 Millionen Standardcontainer (TEU) umgeschlagen. Insgesamt wurden 8,5 Millionen TEU umgeschlagen.

Wegen der tagelangen Blockade des Suezkanals durch die 400 Meter lange "Ever Given" haben sich nach Angaben der ägyptischen Kanalbehörde an beiden Kanalenden fast 370 Schiffe aufgestaut. Bis Dienstagvormittag verließen bereits erste Schiffe den Kanal, Dutzende durchquerten ihn, wie der Schifffahrtsdienstleister Leth Agencies und das Seefahrt- und Logistikunternehmen GAC mitteilten. Welches der Schiffe wann genau nach Hamburg fährt, ist bislang unklar. Üblicherweise dauert die Fahrt vom Suezkanal bis in die Hansestadt nach Einschätzung des Verbands Deutscher Reeder zehn Tage.

Von der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd stehen noch sechs Containerschiffe am Suezkanal im Stau. Zwei Schiffe, die "Tsingtao Express" und die "Salahuddin", hätten ihre Reise inzwischen fortsetzen können, teilte Hapag-Lloyd auf ihrer Homepage mit. Die Reederei rechnet nach eigenen Angaben bis zum Wochenende mit einem Ende des Staus. Die Reederei tue derzeit alles, um neuerliche Staus an den Zielhäfen und Terminals wegen des nun erwarteten erhöhten Schiffsaufkommens zu vermeiden. Genaue Routen und Ankunftszeiten der betroffenen Schiffe würden derzeit noch geprüft.

Der HPA-Sprecher sagte, der Zu- und Ablauf der Seeschiffe in Hamburg regele sich nach der Verfügbarkeit von Liegeplätzen zum Ent- und Beladen. Seien Wartezeiten absehbar, würden die Schiffe rechtzeitig informiert. "Damit wird ein just-in-time-Arrival der Schiffe ermöglicht." Die Bürger selbst werden den Angaben zufolge von dem erhöhten Schiffsaufkommen kaum etwas mitbekommen, da wie sonst auch nur genauso viele Seeschiffe in die Elbe einfahren und in den Hafen einlaufen dürfen wie Liegeplätze vorhanden sind. Alle anderen müssten vor der Elbmündung in der Deutschen Bucht warten.

Welches Schiff welchen Hafen anlaufe, sei Sache der Reeder, sagte der HHLA-Sprecher. Hamburg sei auf den Routen zwischen Asien und Europa in der Regel nicht der erste Anlaufpunkt, sondern meistens Rotterdam. "Besonderer Druck wird also zunächst auf den Vorhäfen lasten", sagte der Sprecher. Möglicherweise entschieden die Reeder dann aber, doch zuerst deutsche Häfen wie Wilhelmshaven, Bremerhaven und Hamburg anzulaufen. Europas größter Hafen Rotterdam geht bereits von einem Stau aus. Es seien 60 ehedem im Stau steckende Schiffe in Richtung Rotterdam unterwegs. Zusätzlich laufe der normale Verkehr weiter. "Wir müssen mit dem auskommen, was wir haben an Kais, Kränen und Terminals", sagte ein Sprecher.

Die HHLA geht davon aus, dass die bereits seit Monaten angespannte Lage bei den Schiffsanläufen noch bis weit in den Sommer andauern wird. Die Suezkanal-Blockade sei da nur ein Teil des Problems. Hinzu kämen Störungen wegen der Corona-Pandemie, der Brexit, Winter- und Frühjahrsstürme oder der Arbeitskampf im Rotterdamer Hafen. Der HHLA-Sprecher zeigte sich aber überzeugt: "Wir sind technisch und personell so aufgestellt, dass wir auch die kommenden Wochen zuverlässig bewältigen werden." Wichtig sei aber, dass alle Teilnehmer in der logistischen Lieferkette dazu ihren Beitrag leisteten und kooperierten.

Denn mindestens genauso wichtig wie die Kaikanten selbst sind die Transportwege ins Hinterland per Lastwagen, vor allem aber durch die Hafenbahn als Bindeglied zwischen den Umschlagterminals und dem europäischen Schienennetz. Die HPA sieht sich dabei gut gerüstet. "Alle Strecken und Gleise stehen zur Verfügung. Beim Ablauf der Güter über die Schiene sehen wir keine Probleme", sagte der Sprecher. Nach HPA-Angaben sind im vergangenen Jahr rund 2,6 Millionen Standardcontainer (TEU) per Bahn transportiert worden. Insgesamt seien auf der Schiene 46,6 Millionen Tonnen Waren bewegt worden.

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