Hamburg. Mit Bauchschmerzen hat sich der rot-grüne Senat in Hamburg zur vollständigen Umsetzung der zwischen Bund und Ländern vereinbarten Corona-Lockerungen entschlossen. Auf allzu viel Freiheit dürfen sich die Hamburger aber noch nicht freuen.

Nach monatelangem Lockdown können in Hamburg am kommenden Montag wieder Buch- und Blumenläden sowie Gartencenter öffnen. Körpernahe Dienstleistungen wie Kosmetik und Tattoos dürfen ebenfalls wieder stattfinden und mehr private Kontakte. Auch erste kostenlose Corona-Schnelltests sind für die Menschen mit Wochenbeginn möglich, wie Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Donnerstag nach einer Sitzung des rot-grünen Senats sagte.

Man wolle die Beschlüsse der Regierungschefs von Bund und Ländern vom Mittwoch vollständig umsetzen. Die entsprechende Verordnung werde derzeit erarbeitet und rechtzeitig veröffentlicht, damit die Lockerungen am Montag in Kraft treten können.

Angesichts weiterhin hoher Infektionszahlen soll der Lockdown grundsätzlich bis zum 28. März verlängert werden. Allerdings dürfen sich ab Montag wieder bis zu fünf Personen aus zwei Haushalten treffen, wobei Kinder bis 14 Jahren nicht mitgezählt werden. Bis einschließlich Sonntag sind nur Treffen mit einer haushaltsfremden Person erlaubt, wobei schon eine Mutter und ihr Baby als zwei Personen zählen.

Auf die Frage, warum die Lockerung der Kontaktbeschränkungen nicht schon am Wochenende gelte, sagte Tschentscher: "Ich bin schon sehr dafür, dass wir jetzt nicht noch überhasteter und schneller vorgehen, als es in einigen Teilen unseres Landes ohnehin der Fall war. Es sind schon jetzt in einigen Ländern Öffnungen beschlossen worden, die nicht vereinbart waren."

Die Umsetzung des beschlossenen Stufenplans bedeute auch, dass Schleswig-Holstein mit seiner Sieben-Tage-Inzidenz von unter 50 bereits den kompletten Einzelhandel öffnen dürfe. "Schleswig-Holstein hat sehr stark auf diese Möglichkeit gedrungen", sagte Tschentscher und appellierte an die Hamburgerinnen und Hamburger, von Einkaufsfahrten ins Umland abzusehen. "Es ist schon sehr hilfreich, wenn jetzt nicht Shopping-Tourismus in ganz Deutschland beginnt."

In Hamburg darf der Einzelhandel - bis auf die nun beschlossenen Ausnahmen - dagegen nur einen Kunden pro 40 Quadratmeter Verkaufsfläche nach Terminvergabe im sogenannten "Click and meet"-Verfahren empfangen.

Die Zweite Bürgermeisterin, Katharina Fegebank, zeigte sich über die Bund-Länder-Beschlüsse irritiert. "Ich möchten keinen Hehl daraus machen, dass ich einigermaßen überrascht bin über die Ergebnisse", sagte die grüne Wissenschaftssenatorin. Es gebe einen gewissen Strategiewechsel. Bislang seien Öffnungsschritte von einer bestimmten Inzidenz abhängig gemacht worden.

Nun sei die Situation ambivalent: Auf der einen Seite gebe es den berechtigten Wunsch von Wirtschaft und Bürgern nach "Lockerungen und dem Wiedererleben ihrer Freiheit", auf der anderen Seite weiterhin beunruhigende Infektionszahlen. "Ein Mehr an Freiheit geht für mich immer einher mit einem Mehr an Sicherheit", betonte Fegebank. Deshalb müsse die Öffnung von einer nationalen Teststrategie begleitet werden. "Da muss noch deutlich nachgelegt werden." Sie erwarte, dass Tests in ausreichendem Maße geliefert werden können. "Das Risiko bestimmter Jo-Jo-Effekte, die man aus anderen Bereichen kennt, bleibt natürlich."

Tschentscher teilte die Bedenken. "Mir hätte dieser Plan auch gut gefallen, wenn überall statt der 50 eine 35 gestanden hätte", sagte er. "So war es nämlich eigentlich geplant. Und nun hat die Kanzlerin nachgegeben." Dies sei aber zu vertreten, wenn man sich an den Stufenplan halte. "Wir machen jetzt diese ersten Öffnungsschritte ab Montag und dann wird erst einmal 14 Tage abgewartet, ob das Infektionsgeschehen stabil bleibt."

Kritik äußerte der Bürgermeister am Krisenmanagement der Bundesregierung. "Wenn der Bund etwas übernimmt, geht das schief", sagte er und nannte als Beispiel die Impfstoffe. "Die Impfstoffbeschaffung war keine Aufgabe, die die Länder übernommen haben. Sondern sie haben es übernommen, die Zentren aufzubauen. Und die Impfzentren stehen wie eine Eins."

Aktuell werde am Ausbau einer Schnelltest-Infrastruktur gearbeitet, sagte der Chef der Senatskanzlei, Jan Pörksen (SPD). Bislang hätten sich bereits mehr als 60 Arztpraxen und 20 Apotheken sowie eine nicht näher genannte Zahl kommerzieller Impfzentren bereiterklärt, ab Montag kostenlose Schnelltests vorzunehmen. Eine Liste mit den Adressen werde zeitnah veröffentlicht. "Da finden gerade die finalen Abstimmungen statt."

Tschentscher mahnte Geduld an: "Es ist jetzt nicht so, dass ganz Hamburg am Montagmorgen irgendwo hingehen kann." In dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz sei der Aufbau kommunaler Testzentren bis April festgeschrieben. Bis dahin wolle man jede Woche besser werden.

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