Hamburger Standesämter

Wenn die Traumhochzeit wegen Corona platzt

| Lesedauer: 8 Minuten
Vanessa Seifert und Kaja Weber
Lili Bachmann berät Bräute per Zoom und bringt die Kleider dann zur Anprobe nach Hause.

Lili Bachmann berät Bräute per Zoom und bringt die Kleider dann zur Anprobe nach Hause.

Foto: Marcelo Hernandez

2020 haben viele Paare ihren Termin verschoben, doch auch in diesem Jahr gibt es zahlreiche Einschränkungen.

Hamburg.  Wer den „schönsten Tag des Lebens“ plant, ist oft nicht nur in den Partner verliebt, sondern auch in jedes Detail, von der Einladung bis zum Herzchenluftballon. Doch Heiraten in Zeiten von Corona, das heißt auch: Traum trifft auf Wirklichkeit. „Ursprünglich hatten wir eine dreistöckige Hochzeitstorte bestellt. Jetzt wird sie nur einstöckig sein. Vielleicht brauchen wir aber auch nur zwei Stückchen Kuchen“, sagt Johanna Dilger. Die 33-Jährige, die eigentlich schon seit fast einem Jahr verheiratet sein wollte, nimmt die Lage noch mit Humor.

Am 20. Mai 2020 hätte sie zu ihrem Verlobten Alican Elçin. „Ja“ sagen und anschließend ihre Liebe mit mehr als 100 Gästen in einer Villa am Hamburger Yachthafen feiern wollen. Knapp anderthalb Jahre lang – ein Vorlauf, wie er in Hamburg durchaus üblich ist – hatte das Paar aus Hoheluft, das seit zehn Jahren zusammen ist, die Hochzeit geplant.

Gästezahl vorsorglich reduziert

Die Einladungen waren längst verschickt, als das Land Mitte März erstmals in den Lockdown ging. „Da haben wir schon geahnt, dass das wohl nichts werden würde“, sagen sie. Ebenso wenig wie die für Juni 2020 geplante „kleine türkische Familienfeier mit 150 Gästen“ in Berlin, ergänzt Alican Elçin, der türkische Wurzeln hat. Um sicherzugehen, verschob das Paar seinen Hochzeitstermin gleich um ein ganzes Jahr, auf den 21. Mai 2021. „Wir waren uns sicher, dass dann alles vorbei sein würde“, sagt Johanna Dilger, die als Büroplanerin bei einer Bank arbeitet.

Doch vorbei ist die Pandemie noch lange nicht. „Wir haben die Gästezahl nun vorsorglich auf 30 reduziert, auf Dienstleister wie einen DJ oder einen externen Fotografen verzichten wir“, sagt der 34-jährige Bräutigam, der in einer Steuerberatungskanzlei tätig ist. Noch hofft das Paar, dass es zumindest in kleinem Rahmen feiern kann. „Aber fest steht: Wir ziehen das dieses Jahr durch“, sagt Johanna Dilger. „Auch wenn wir an dem Tag nur zu zweit sein dürfen.“

So sehen das offensichtlich viele Heiratswillige, denn die Hamburger Standesämter sind im Hochzeitsmonat Mai, aber auch ganz generell, gut gebucht. „Sämtliche unserer angebotenen Eheschließungstermine sind auch während der Corona-Zeit ausgebucht. Sagt ein Paar ab, ist dieser Termin schnell wieder an Kurzentschlossene vergeben“, heißt es aus dem beliebten Standesamt Altona.

Weniger Anmeldungen in Eimsbüttel

Auch das Standesamt Mitte ist gefragt, die Termine im Rathaus sind, wie üblich, alle vergeben. „Wir sind das ganze Jahr so gut wie ausgebucht, nicht nur im Mai“, so eine Sprecherin. Zum Vergleich: Im Mai 2019 wurden 74 Ehen geschlossen, im Mai 2020 waren es 49, für diesen Mai sind 60 geplant. Allerdings hängt die Zahl möglicher Termine auch immer mit der Anzahl der Freitage im jeweiligen Monat zusammen.

In Eimsbüttel wurden beispielsweise im Dezember vergangenen Jahres trotz Pandemie 97 Ehen geschlossen. Allerdings, so ein Sprecher, gingen im Vergleich zu 2019 und 2020 derzeit etwas weniger Anmeldungen ein. Auch wenn das hamburgweite „Heiratsaufkommen normal und unauffällig“ ist, wie ein Sprecher sagt, so halten die geltenden Re­striktionen eben doch manches Paar zurück: Während des Lockdowns finden Eheschließungen nur mit den Eheleuten und dem jeweiligen Standesbeamten statt.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Für Gäste, die draußen warten, gelten die aktuellen Kontaktbeschränkungen. Das ist auch in Lüneburg so, wo sich Johanna Dilger und Alican Elçin trauen lassen möchten. „Vielleicht ist die Situation im Mai besser“, hofft das Paar. „Mein Brautkleid ist jetzt so gut abgehangen, es muss endlich getragen werden“, sagt Johanna Dilger.

Standesamt ist nicht mehr nur ein Pflichttermin

Wer vor Corona noch kein Kleid gefunden hat, muss kreativ werden – Anprobieren im Laden geht in Hamburg aktuell nämlich nicht. Der Brautausstatter Salon Hamburg aus Harvestehude bietet daher sogenannte „Bridal fittings at home“ an. Die Bräute werden erst digital beraten.

Dafür spricht Verkäuferin Lili Bachmann seit sechs Wochen mit ihren Kundinnen am Smartphone, über Zoom. Bekannte Schwierigkeiten inklusive: Zu Beginn des Gesprächs ist der Ton noch nicht eingeschaltet, zwischendurch muss auch mal die Katze von Kundin Kira aus dem Bild gescheucht werden. Das sorgt für Lacher.

Doch die genaue Farbe der Kleider kann Kira am Bildschirm nicht so gut erkennen wie vor Ort im ausgeleuchteten Laden: Die Materialien möchte sie lieber selbst fühlen, bevor sie sich entscheidet. Ihre Auswahl bringt Bachmann daher später zur corona-konformen Anprobe nach Hause.

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Im ersten Lockdown im März 2020 haben viele Kundinnen ihre Hochzeiten auf 2021 verlegt, erzählt Bachmann, nur zwei Paare von damals hätten die Feiern komplett abgesagt. Der Brautausstatter muss die Kleider so lange einlagern. Und neu anpassen, wenn tatsächlich ein Termin feststeht – denn in einem Jahr kann sich die Figur einer Braut schon mal ändern. Dafür müssen die Frauen genügend Vorlauf einplanen.

Brautausstatter müssen Kleider einlagern

Bachmann befürchtet, dass Bräute, die im Moment auf der Suche sind, auch in andere Bundesländer fahren, in denen man auf Terminbasis schon wieder direkt im Laden anprobieren darf. Rheinland-Pfalz etwa will das zum 1. März wieder möglich machen. „Wir haben auch schon sämtliche Anträge gestellt, aber Hamburg ist einfach streng.“

Seit Corona wählen Hamburger Kundinnen andere Outfits für den großen Tag aus: weniger große Kleider, dafür mehr Hosen, mehr Rock- und Top-Kombinationen, mehr „easy“, sagt Bachmann. „Vorher haben wir es immer so wahrgenommen, dass das Standesamt der Pflichttermin war. Das hat sich bei den Paaren, die bei uns waren, komplett verändert.“

Schöne Ideen

Daraus haben sich schöne Ideen entwickelt: Ein Paar, das Bachmann kennt, ist im ersten Lockdown im Oldtimer-Cabrio durch die Stadt gefahren. Angehörige, die nicht bei der Trauung dabei sein konnten, haben von der Straße oder vom Balkon aus gewinkt. Die Verkäuferin rät Bräuten gerade jetzt zu einem Hochzeitsplaner: „Es gibt so viele Sachen, die einem momentan schlechte Laune machen können – zum Beispiel das regelmäßige Checken der möglichen Gästeanzahl – und dabei unterstützt der Wedding Planer.“

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Katharina Landenberger, Hochzeitsplanerin von der Uhlenhorst, betreut derzeit genauso viele Brautpaare wie vor der Pandemie. „Die Nachfrage ist sogar eher noch gestiegen, weil viele Paare unsicher sind, unter anderem wegen der Hygieneregeln und der Örtlichkeiten, und dann Expertise suchen.“ Viele hätten ihre Trauung von 2020 auf dieses Jahr verschoben. „Wenn jetzt aber alle noch mal auf 2022 verschieben, dann kommen wir Hochzeitsplaner irgendwann nicht mehr hinterher.“

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Bei den „Salon“-Kundinnen scheiden sich die Geister: Es gibt die, die es wie Johanna Dilger 2021 unbedingt durchziehen wollen, und die, die noch mal auf 2022 verschoben haben. „Wenn man flexibel ist und nicht zu sehr auf seinen Plan fokussiert, kann ich es nur empfehlen. Jede Feier, die dieses Jahr stattfinden wird, ist eine sehr besondere“, sagt Bachmann. „Ich kenne keine Braut, die gesagt hat, sie bereut es, jetzt geheiratet zu haben. Auch wenn es anders ist. Aber immer weiter aufschieben bringt ja auch keinen Spaß mehr.“

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