Hamburg. Auf 252 Seiten hat der Rechnungshof Hamburg die Arbeit der Verwaltung und des Senats unter die Lupe genommen - und die Liste der Verfehlungen ist wieder mal lang. Die Folge: Auch in diesem Jahr gibt es keinen “uneingeschränkten Bestätigungsvermerk“.

Vergabeverfahren, Budgetrecht oder Abschreibungen - der Rechnungshof der Hansestadt Hamburg ist einmal mehr nicht ganz zufrieden mit der Arbeit des Senats und der Verwaltung. "Der Bestätigungsvermerk für 2019 konnte vom Rechnungshof wie in den vergangenen Jahren nur eingeschränkt erteilt werden", sagte Rechnungshof-Präsident Stefan Schulz am Montag bei der Vorlage des "Jahresberichts 2021". Zwar vermittelten der Jahres- und der Konzernabschluss ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. "Gleichwohl konnten wir erneut keinen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilen."

Die Ursachen dafür seien im Wesentlichen unverändert. "Geld- und Buchungskreislauf sind nach wie vor nicht geschlossen, das Rechnungswesen ist dezentral und sehr komplex organisiert, und IT-Verfahren sind mit Mängeln behaftet", sagte Schulz. Obwohl Verbesserungen erkennbar seien, "muss Hamburg seine Anstrengungen fortsetzen, ein durchgängig ordnungsgemäßes Rechnungssystem zu schaffen", mahnte Schulz. Vor allem müsse die Finanzbehörde ihre Gesamtverantwortung für die Buchführung aktiver wahrnehmen.

Auch bei der Wahrung des Budgetrechts der Hamburgischen Bürgerschaft stellte der Rechnungshof Mängel fest. So habe die Verwaltung in einigen Fällen mehr Geld ausgegeben, als sie durfte. Die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Bereichen des Haushalts umzuschichten, sei teils unzulässig in Anspruch genommen worden, sagte Schulz. Der Bund der Steuerzahler kritisierte das Vorgehen scharf. "Es wird dringend Zeit, dass der Senat sich wieder an die Ermächtigungen hält, die ihm die Hamburgische Bürgerschaft erteilt, anstatt den Haushalt nach eigenem Gutdünken zu führen." Auch CDU und AfD sprachen von eklatanten Mängeln. Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sei in der Pflicht, "sich endlich um die Einhaltung bestehender Regeln und Vorgaben zu kümmern", sagte der CDU-Haushaltsexperte Thilo Kleibauer.

Rechnungshof-Präsident Schulz sagte: "Der Zustand der Anlagenbuchhaltung ist nach wie vor kritisch." So würden etwa Brücken, auf denen der Verkehr teils schon seit Jahren rolle, immer noch als nicht fertiggestellt gebucht. "Dadurch können keine Abschreibungen erfolgen, die Abnutzung der Anlage wird wertmäßig nicht erfasst und damit letztendlich das Vermögen der Stadt falsch dargestellt." Schulz verwies etwa auf die 62 Millionen Euro teure Rethebrücke, die - obwohl seit 2016 fertig - Ende 2019 immer noch als "Anlage im Bau" geführt worden sei. Als Grund für die Verzögerung vermutet der Rechnungshof fehlende Haushaltsmittel für die Abschreibungen. "Das hier von uns wiederholt beschriebene Problem hat mittlerweile eine finanzielle Dimension von über 100 Millionen Euro erreicht."

Für den jüngsten Bericht hat der Rechnungshof die Vergabeverfahren bei Verträgen für freiberufliche Leistungen wie von Architekten oder Ingenieuren unter die Lupe genommen - mit wenig schmeichelhaften Ergebnissen. "In 30 Prozent der Fälle fehlte es an einer ausreichenden Ermittlung des konkreten Bedarfs", sagte Schulz. Auch sei in der Hälfte der Fälle der Auftragswert nicht ordnungsgemäß geschätzt worden. "Die Umweltbehörde hat in keinem der geprüften Fälle den Auftragswert ordnungsgemäß ermittelt", sagte Schulz. Die Folge: In vielen Fällen habe der erforderliche europaweite Wettbewerb nicht stattfinden können.

Kritisch zeigte sich der Rechnungshof auch beim Veloroutennetz. Der Senat wollte 2015 das 280 Kilometer umfassende Netz bis 2020 fertigstellen und dafür 200 Kilometer Radwege bauen. Tatsächlich wurden es dann bis 2019 nur 39 Kilometer - auch weil viel zu wenig Geld eingeplant worden sei. "Der vom Projekt festgestellte Bedarf für die Jahre 2019 - 2020 betrug 160 Millionen Euro; veranschlagt waren aber nur 57 Millionen Euro", sagte Schulz. Ähnlich kritisch wegen Kosten und Planungen zeigten sich die Rechnungsprüfer bei Bauvorhaben der Stadt für die Universität und beim Körber-Haus in Bergedorf.

Aus Sicht des Rechnungshofs ist nicht klar, ob die Professorinnen und Professoren an Hamburgs Hochschulen ihren Lehrverpflichtungen tatsächlich nachkommen - zumindest erfüllten sie reihenweise ihre Dokumentationspflicht nicht. "Aktuell stellen wir fest, dass die Fakultät Design, Medien und Information der Hochschule für Angewandte Wissenschaften über Jahre den vollständigen Nachweis über die Erfüllung der Lehrverpflichtungen nicht sichergestellt hat", sagte Schulz. Für das Wintersemester 18/19 hätten nur 22 von 77 Hochschullehrern Erklärungen abgegeben. Ähnliches sei bereits 2014 an der medizinischen Fakultät der Universität und im vergangenen Jahr an der Hochschule für Musik und Theater festgestellt worden.

Aber auch im Sozialbereich entdeckte der Rechnungshof Mängel. So seien zwei Drittel aller Berichte zur Tauglichkeit von Pflegeeltern mangelhaft gewesen. Es fehlten etwa Führungszeugnisse, Drogentests oder Einkommensnachweise. Noch schlechter fiel die Bilanz bei den Jugendämtern aus, die letztlich über die Tauglichkeit von Pflegeeltern entschieden. "Hier waren sogar nur circa fünf Prozent der geprüften Fälle ohne jede Beanstandung", sagte Schulz. Zudem seien Fälle entdeckt worden, in denen Hamburg Pflegekosten übernommen habe, obwohl eigentlich andere Kommunen zuständig seien.

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