Berlin. Bahnhöfe sind ein Tor in die Ferne, Ausgangspunkt für Geschäfts- oder Urlaubsreisen. Sie sind aber auch attraktiv für Taschendiebe - und Gewalttaten sind an großen Knotenpunkten keine Seltenheit.

Deutschlandweit Platz eins in einer Negativ-Statistik für Hamburgs Hauptbahnhof: Insgesamt 300 Gewaltdelikte haben die Behörden dort zwischen Juli und Dezember 2020 verzeichnet. Das geht aus einer Auskunft des Bundesinnenministeriums an die AfD-Fraktion hervor, die der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch vorlag. Der Bahnhof ist zugleich der meistfrequentierte in Deutschland, nach Bahn-Angaben passieren ihn täglich 537 000 Reisende oder Besucher.

Hinter dem Hamburger Bahnhof liegen der Frankfurter Hauptbahnhof mit 238 und der Nürnberger Hauptbahnhof mit 189 Gewaltdelikten im zweiten Halbjahr 2020. Der Frankfurter Bahnhof liegt auch bei den Besucherzahlen auf Platz zwei (439 000 Menschen pro Tag), Nürnberg auf Platz elf (210 000 Menschen pro Tag). Bereits zwischen Mitte 2019 und Mitte 2020 hatte Hamburg in der Gewaltstatistik vorn gelegen.

Bei Eigentumsdelikten wie Diebstahl führte der Frankfurter Hauptbahnhof die Statistik mit 744 Vorfällen im zweiten Halbjahr 2020 an, gefolgt wiederum von Hamburg (572 Taten) und Köln (504 Taten). Die drei Bahnhöfe, an denen die Behörden die meisten Drogendelikte feststellten, lagen allesamt in Nordrhein-Westfalen: Köln, Essen und Düsseldorf.

Sicherheit sei für die Deutsche Bahn (DB) "oberstes Gebot", betonte eine Sprecherin des Unternehmens. "Bundesweit investieren wir jährlich mehr als 170 Millionen Euro für die Sicherheit unserer Mitarbeitenden und Reisenden", sagte sie. 4000 Sicherheitskräfte der Bahn unterstützten die mehr als 5000 Beamten der Bundespolizei in Zügen und an Bahnhöfen. Zudem sollte gemeinsam mit dem Bund die Videotechnik ausgebaut werden: "Wir erhöhen die Anzahl der aktuell 8000 Kameras an Bahnhöfen in den nächsten vier Jahren um rund ein Drittel auf circa 11 000 Kameras."

Auf die Frage nach Gemeinsamkeiten zwischen den genannten Bahnhöfen und nach Ursachen für das Auftauchen in der Statistik schreibt das Bundesministerium, es handele sich um "Großbahnhöfe in urbanen Ballungszentren mit Anbindung auch an Schienennetze benachbarter Länder". Große Bahnhöfe in städtischen Ballungszentren entfalteten eine "Sogwirkung auf Kriminelle", was vor allem an deren ständigem Betrieb, ihrer "Betriebsamkeit", an Möglichkeiten zur Ver- und Entsorgung und zur An- und Abreise liege. In der Nähe lägen zentrale Omnibusbahnhöfe, Sozialstationen und Drogenkonsumräume.

Ein vergleichsweise hoher Anteil an Verdächtigen hat bei den abgefragten Taten nicht die deutsche Staatsangehörigkeit: Im Bereich Gewaltdelikte sind es mehr als 40 Prozent, bei Drogendelikten ist es rund ein Drittel, bei Eigentumsdelikten sogar mehr als die Hälfte. In der Statistik zu Gewalttaten tauchen Polen, Syrer, Türken und Afghanen vergleichsweise häufig als Verdächtige auf.

Insgesamt 198 Bundespolizisten wurden im zweiten Halbjahr 2020 im Dienst bei gewaltsamen Auseinandersetzungen in Bahnhöfen oder Zügen verletzt, davon waren 35 Betroffene zunächst dienstunfähig. Die Bundespolizei kümmert sich um die Sicherheit an Bahnhöfen.

"Die Gewalt an deutschen Bahnhöfen betrifft nicht nur die Metropolen, sondern praktisch jeden größeren Bahnhof", erklärte der AfD-Abgeordnete Martin Hess. "Bund und Länder, Städte und Kommunen müssen die Verwahrlosung unserer Bahnhöfe und Bahnhofsviertel gemeinsam stoppen - mit einer konsequenten Nulltoleranz-Strategie und mit umsichtiger Stadtplanung", verlangte er. "Es darf nicht sein, dass Bürger nur noch mit berechtigter Angst zur Arbeit fahren oder auf Reisen gehen können."

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