Kiel. Der Mangel an Corona-Impfstoff bringt den Kieler Gesundheitsminister in Rage. Er spricht von Schreckensmeldungen und verlangt von Bund und EU entschlossenes Handeln.

Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Heiner Garg hat den Bund aufgefordert, die Anstrengungen bei der Beschaffung von Corona-Impfstoff zu verstärken. Entsetzt reagierte der FDP-Politiker am Donnerstag auf die Twitter-Äußerung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), wonach bei der Knappheit des Impfstoffes noch mindestens zehn harte Wochen bevorstünden. "Ich glaube, dass das der Bevölkerung nicht mehr zuzumuten ist", sagte Garg der Deutschen Presse-Agentur.

"Aus dem Bundeskanzleramt kommen im 24-Stunden-Takt immer neue Forderungen nach immer schärferen Restriktionen und gleichzeitig gibt es nur noch Schreckensmeldungen im Hinblick auf verfügbare Impfdosen." Dieser Zustand sei aus seiner Sicht gesellschaftlich keine zehn Wochen mehr auszuhalten, sagte Garg. "Vor dem Hintergrund fordere ich nochmal die Bundesregierung auf, alles erdenklich Mögliche zu unternehmen, damit Deutschland schnell und rasch ausreichend Impfdosen zur Verfügung stehen, damit wir unsere Bevölkerung schnell durchimpfen können."

Die Massenimpfungen gelten als Schlüssel, um das Coronavirus zurückzudrängen. Derzeit zielt viel Kritik an Spahn darauf, dass gegenwärtig zu langsam geimpft werden kann. Garg verdeutlichte dies mit Zahlen: Bis Ende Februar bekomme das Land maximal 190 000 Impfdosen von Biontech. Dies reiche bei 345 000 Anspruchsberechtigten in der ersten Gruppe mit der höchsten Priorität für 95 000 Menschen.

Vorbereitet wäre Schleswig-Holstein aber auf das Impfen von 300 000 Menschen allein in den Impfzentren. Dazu kämen die mobilen Impfteams und das, was in den Krankenhäusern geimpft werden könnte. Garg: "Man sieht also: Die Strukturen sind da - was fehlt, ist der Impfstoff."

Spahn schlug auf Twitter vor, Bund und Länder sollten auf einer Ministerpräsidentenkonferenz nur zum Impfen über die Lage, die Ziele und das weitere Vorgehen beraten. Dazu sollten die Impfstoffhersteller zu einem Expertengespräch eingeladen werden. Sich zu informieren, abzustimmen, und einheitlich zu agieren, helfe immer. "Denn wir gehen bei der Knappheit des Impfstoffes noch durch mindestens zehn harte Wochen", so Spahn. "Die sollten wir mit gemeinsamem Arbeiten in der Sache verbringen." In zehn Wochen, also Anfang April, ist Ostern.

Angesichts der akuten Knappheit an Corona-Impfstoff forderte SPD-Bundesvize Serpil Midyatli einen europäischen Gipfel dazu. "Es müssen alle Hersteller und Zulieferer an einen Tisch mit der Europäischen Kommission, um schnellstmöglich zu klären, wer noch welche Kapazitäten hat und wer schnell Produktionsstätten, Logistik und andere Dinge zur Verfügung stellen kann", sagte die Landesvorsitzende der Nord-SPD der Deutschen Presse-Agentur. Die "Impfstoffkrise" lasse sich nur im Schulterschluss bewältigen.

"Ich glaube, dass man jetzt wirklich alle konstruktiven Ideen, die Deutschland und Europa möglichst schnell aus dieser Pandemie herausbringen, nicht nur offen miteinander diskutieren, sondern schnellstmöglich umsetzen muss", sagte dazu Landesminister Garg. Wenn da ein europäischer Impfgipfel helfe, würde er auch eine solche Idee nicht ausschließen.

"Aber Ziel muss es sein, dass die Reputation auch der Europäischen Union nicht gänzlich vor die Hunde geht, weil man es nicht schafft, in einem angemessenen Zeitraum so wie andere Länder auch - Großbritannien, Kanada, Israel, die Vereinigten Staaten von Amerika sogar noch unter Trump - die Bevölkerung besser mit Impfstoff zu versorgen."

© dpa-infocom, dpa:210128-99-204922/3