Kiel. Muntere Bildungsdebatte im Kieler Landtag. Trotz Corona könnten Schüler der Abschlussklassen zuversichtlich die Prüfungen ansteuern, sagt Ministerin Prien. Abschlüsse “light“ soll es nicht geben. Aus der Opposition kommt erneut harte Kritik an der Ressortchefin.

Auf die Belastungen durch die Corona-Pandemie reagiert Schleswig-Holstein mit flexiblen Prüfungsregelungen an den Schulen. "Die in diesem Jahr erworbenen Abschlüsse werden denen früherer und späterer Jahrgänge gleichwertig sein und von den Ländern gegenseitig anerkannt", sagte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) am Mittwoch im Landtag. Die Schüler seien gut auf den Abschluss vorbereitet und könnten zuversichtlich in die Prüfungen gehen.

Für die Abschlüsse nach der 9. und 10. Klasse werde die Zahl der schriftlichen Prüfungen gesenkt, kündigte Prien an. Die Bearbeitungszeit werde verlängert und auf Wunsch eine weitere mündliche Prüfung ermöglicht. Mit dieser könne ausschließlich eine Verbesserung erreicht werden. Sollten die Prüfungsergebnisse aller Schüler in einem Fach deutlich unter dem Durchschnitt der letzten drei Jahre vor der Pandemie liegen, könne die Schulaufsicht die Noten anpassen.

Auch den Abiturienten wird laut Prien eine gezielte Vorbereitungszeit auf die Prüfungen ermöglicht. "Außerdem sehen wir eine größere Auswahlmöglichkeit der Aufgaben und eine Zeitverlängerung während der Prüfungen vor." Der Landtag beschloss dazu Änderungen am Schulgesetz. Es dürften auch jene nicht aus dem Blick verloren werden, die in der Pandemie unter hohen psychischen Belastungen leiden, sagte die Ministerin. Für diese Schüler werde ein freiwilliges Wiederholen im Einzelfall und nach Beratung für alle Jahrgänge ermöglicht.

Der vom Kabinett am Dienstag beschlossene Stufenplan für Lockerungen bei sinkenden Infektionszahlen biete eine dringend notwendige Perspektive für Schulen, Schüler und Eltern, sagte Prien.

Sollte die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen zum Stichtag 8. Februar eine Woche lang unter 100 liegen und es einen klaren Trend nach unten geben, sollen die Jahrgänge 1 bis 6 ab 15. Februar in den Wechselunterricht gehen. Bei einer solchen Inzidenz 21 Tage lang könnte es für diese Schüler durchweg Präsenzunterricht geben, erläuterte Prien.

Aber: "Sollte sich das Pandemie-Geschehen deutlich verschärfen und damit die Inzidenz über 100 liegen, würde das die Öffnung der Grundschulen für den Wechsel- oder Präsenzunterricht verzögern." Auch für die Klassenstufen 7 bis 13 und für die Berufsschulen gebe der Perspektivplan der Regierung klare Rückkehrmöglichkeiten in den Präsenzunterricht vor, sagte Prien.

Lernen auf Distanz sei keine gleichwertige Alternative zum Präsenzunterricht. "Aber es ist eine Möglichkeit, die Auswirkungen der Krise auf Kinder und Jugendliche so gut es geht abzufedern." Bei der Digitalisierung laufe noch nicht alles perfekt, räumnte die CDU-Poitikerin ein. "Aber das Wesentliche für den Moment haben wir erfolgreich umgesetzt oder auf den Weg gebracht."

Angesichts massiver Kritik aus der Opposition an ihrem Management in der Krise sagte Prien, auch sie und ihre Mitarbeiter seien nicht frei von Fehlern. Konkret wurde sie dabei nicht. Es werde den Leistungen der Mitarbeiter nicht gerecht, nur das Haar in der Suppe zu suchen.

Der SPD-Bildungsexperte Martin Habersaat warf Prien vor, die Schulen hätten nicht die nötige Klarheit und Rechtssicherheit. Auch werde der Digitalpakt viel zu langsam umgesetzt. Zudem würden die Kommunen dabei nirgends so schlecht unterstützt wie im Norden. Prien sei offenkundig überfordert.

Der CDU-Politiker Tobias von der Heide nahm Prien in Schutz. Ihr Haus handle in schwerer Lage besonnen und entschlossen, während die SPD Verunsicherung schüre. Der Norden teile sich bei der Umsetzung des Digitalpakts den letzten Platz mit dem Saarland, monierte Jette Waldinger-Thiering vom SSW. Auch habe die Ministerin zum Teil anders gehandelt als kurz zuvor im Landtag oder vor der Presse angekündigt.

Die Grüne Ines Strehlau forderte bessere Bedingungen für Inklusion an Schulen und eine bessere Verzahnung zwischen Unterricht und Betreuung am Nachmittag. Sie verwies auf die zusätzlichen Probleme infolge der Pandemie: "Bildungsgerechtigkeit darf durch Corona nicht unter die Räder kommen". 2020/21 dürfe kein verlorenes Schuljahr werden, sagte Anita Klahn von der FDP. Es müsse vollständige Abschlüsse geben und nicht etwa ein Notabitur.

Volker Schnurrbusch von der AfD warf der Regierung einen Zickzackkurs vor. Schüler und Lehrer hangelten sich von einer Verordnung zur nächsten, sie bräuchten aber Planungssicherheit bis zum Schuljahresende. Bei Einhaltung der Regeln wäre eine weitgehende Rückkehr zum Präsenzunterricht möglich, sagte Schnurrbusch.

© dpa-infocom, dpa:210127-99-190247/3