Hamburg. Beim Umbau der Energieversorgung kommt es immer häufiger zu Konflikten mit dem Meeresschutz. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie sieht darum eine Obergrenze für die Offshore-Energie. Eine Entscheidung zur umstrittenen Ostsee-Gaspipeline steht noch aus.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) sieht beim geplanten Ausbau der Offshore-Windenergie auf 40 Gigawatt bis 2040 keine Probleme. "Was jetzt ins Auge gefasst ist, ist aus unserer Sicht machbar", sagte die Präsidentin des Bundesamtes, Karin Kammann-Klippstein, am Donnerstag. Problematisch würde erst ein darüber hinausgehender Ausbau in den deutschen Küstengewässern und der ausschließlichen Wirtschaftszone werden.

Nach der Reform des Windenergie-auf-See-Gesetzes sei der Flächenentwicklungsplan für die Nord- und Ostsee im vergangenen Jahr angepasst worden, so dass der Ausbau von derzeit rund 7,5 auf 20 Gigawatt bis 2030 erfolgen könne. In einer ersten Verordnung habe das Bundesamt im Dezember drei geeignete Flächen für die Errichtung von Windparks festgelegt, die in diesem Jahr ausgeschrieben und versteigert werden sollen.

In einer Bilanz für das vergangene Jahr ging Kammann-Klippstein auf weitere Arbeitsfelder ihrer Behörde ein:

MESSUNG VON SCHIFFSEMISSIONEN - In Kooperation mit Behörden und Wissenschaftlern in den Niederlanden, Dänemark und Schweden untersuchte das Bundesamt die 520 Abgasfahnen von 250 Schiffen. 99 Prozent der Schiffe hätten sich an die verschärften Abgaswerte gehalten. Die Messungen seien mit unterschiedlichen Methoden vorgenommen worden, unter anderem mit Drohnen und von einer Messstation an Land aus, die sich an der Elbe bei Wedel (Kreis Pinneberg) befindet. Die Auswertung der Vergleichsdaten ist noch nicht abgeschlossen. Die mobile Messstation soll demnächst in Rostock zum Einsatz kommen.

MEERESDATEN - Mit 162 automatischen Tauchbojen beteiligt sich Deutschland an dem internationalen Ozean-Messprogramm Argo. Die sogenannten Floats können bis 2000 Meter tief unter Wasser gehen und Temperatur, Salzgehalt und andere Daten messen. Dann tauchen sie von selbst wieder auf und geben die Daten an Satelliten. Das System soll international ausgebaut werden, und zwar mit Bojen, die bis zu 6000 Meter tief tauchen können. Das Programm Deep Argo sieht 1100 Floats vor. Wegen der Corona-Pandemie wurden im vergangenen Jahr nur 33 der geplanten 50 neuen Bojen von Deutschland ausgelegt.

PARAFFINE - Im Rahmen der jährlichen Sommeraufnahme von Daten in Nord- und Ostsee suchten Mitarbeiter des BSH auch nach Paraffin-Rückständen. Dabei stellten sie in der Ostsee keine nennenswerten Mengen fest, in der Nordsee gab es dagegen häufige Funde. Seit diesem Jahr gilt eine neue Vorschrift der Internationalen Maritimen Organisation (IMO) gegen die Einleitung von Paraffinwachsen. In der Vergangenheit haben diese sogenannten "persistent floater" mehrfach Strände verschmutzt.

Die DEUTSCHE HANDELSFLOTTE umfasst 1855 Schiffe hiesiger Reedereien. Das sind fünf Prozent der Welthandelsflotte. Unter deutscher Flagge fuhren 2020 aber nur 290 Schiffe, 12 weniger als im Vorjahr. Mit verschiedenen Förderungen versucht der Bund, den Trend aufzuhalten. Die Maßnahmen hätten die Nutzung der deutschen Flagge stabilisieren können, sagte Kammann-Klippstein. Eine genaue Bewertung der Förderung stehe aber noch aus.

NEUES FORSCHUNGSSCHIFF - Seit vergangenem Herbst erprobt das BSH sein neues Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiff "Atair". Das 75 Meter lange Schiff ist eine Art schwimmendes Labor mit modernster Technik. Es kann mit Flüssiggas oder Diesel angetrieben werden. Die neue "Atair" hat rund 113,8 Millionen Euro gekostet.

NORD STREAM 2 - Der Streit um die Genehmigung für den Weiterbau der Ostseegaspipeline könnte sich noch längere Zeit hinziehen. "Das kann ein Weilchen dauern", sagte Kammann-Klippstein auf eine entsprechende Frage. Nach den Widersprüchen gegen die Genehmigung vom 15. Januar müssten zwei Umweltverbände ihren Schritt nun schriftlich begründen. Dafür gebe es keine konkrete Frist. Sollte das Bundesamt die Widersprüche dann zurückweisen, könnten die Verbände dagegen klagen. Die Bauarbeiten an dem deutsch-russischen Projekt waren Ende 2019 nach Sanktionsdrohungen der USA gestoppt worden. Am Dienstag hatte die US-Regierung noch unter Präsident Donald Trump erstmals ein Unternehmen wegen der Beteiligung am Bau der Pipeline bestraft.

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