Hamburg. Seit Mitte Dezember gibt es keinen regulären Unterricht mehr an Hamburgs Schulen. Das trifft vor allem sozial benachteiligte Kinder hart. Viele von ihnen haben den Anschluss verpasst.

Der Lockdown wegen der Corona-Pandemie wird dem Kinderhilfsprojekt Arche zufolge bei sozial benachteiligten Kindern tiefe Spuren hinterlassen. "Die Folgen des Lockdowns sind fatal", sagte Projektleiter Tobias Lucht der Deutschen Presse-Agentur. Schon beim ersten Lockdown im Frühjahr seien durch die Schulschließungen die Defizite bei vielen Kindern so groß gewesen, dass sie kaum mehr aufgeholt werden konnten. "Wir hören bereits von Lehrern, die manche Kinder aufgegeben haben." So würden etliche Viertklässler im Sommer auf die weiterführende Schule wechseln, ohne richtig lesen und schreiben zu können.

Viele Eltern in den Brennpunkt-Stadtteilen Jenfeld, Harburg und Billstedt könnten ihren Kindern beim Homeschooling nicht helfen, weil sie zum Beispiel selbst Sprachschwierigkeiten haben. Auch die räumlichen Verhältnisse seien anders als zum Beispiel in Stadtteilen wie Eppendorf oder Winterhude. "Viele Familien, die wir betreuen, leben mit fünf oder sechs Kindern in einer Drei-Zimmer-Wohnung", sagte Lucht. "Da gibt es nicht für jedes Kind einen Raum zum Lernen oder ein digitales Endgerät", meinte der 41-Jährige.

Er hoffe daher, dass die Schulen in Hamburg bald wieder Präsenzunterricht anbieten können - in welcher Form auch immer. "Unterricht auf Distanz über mehrere Monate funktioniert nicht", sagte Lucht. "Kinder brauchen die physische Anwesenheit eines Erwachsenen, der sie ermutigt und dem sie auch Fragen stellen können". Dabei müsse auch der Leistungsstand der Kinder und das Alter eine wichtige Rolle spielen. "Für viele Kinder sind ihre Lehrer oft die einzigen Bezugspersonen", meinte der Pädagoge.

Seit 2006 kümmern sich die Mitarbeiter der Arche mit Freizeitangeboten und Hausaufgabenhilfe um die Kinder und Jugendlichen in Jenfeld - hinzu kommen zwei Häuser in Billstedt und Harburg. Im Gegensatz zum ersten Lockdown mussten die drei Standorte diesmal nicht geschlossen werden. "Wir versuchen, jedem Kind so viel Zeit wie möglich einzuräumen, weil wir wissen, wie schwierig es zu Hause ist", sagte Lucht. Trotzdem könnten die Kinder jetzt nur zwei Mal die Woche in festen Gruppen kommen, auch die warmen Mahlzeiten mussten stark eingeschränkt werden. Darüber hinaus versuchen die Mitarbeiter, den Kontakt zu den Eltern über Hausbesuche zu halten.