Hamburg. Zu ihr kamen alle mit ihren Problemen, sie hörte zu und wusste Rat. Jetzt ist sie gestorben. Die Redaktion ist in tiefer Trauer.

Mit großer Trauer und Bestürzung haben die Kolleginnen und Kollegen des Hamburger Abendblatts auf die Nachricht vom Tod ihrer ehemaligen Kollegin Ina Nießler reagiert. Dieser ganz besondere Mensch – Leserbotschafterin des Abendblatts, Redakteurin, Kollegin und Freundin – starb kurz vor Weihnachten nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von nur 63 Jahren. Ina Nießler hatte großen Spaß – großen Spaß, für andere da zu sein. Ihr Herz war grenzenlos, war sie doch ein Mensch mit größtmöglicher Empathie. Sprach jemand beim Abendblatt von „Ina“ oder auch mal von „Ina Maria“ – jeder wusste sofort, um wen es ging. Den Namen hatten neue Kollegen in der Redaktion schon verinnerlicht, bevor sie ihr eigenes Ressort besser kennenlernten. Denn Ina kümmerte sich um sie – um alle und alles.

Sie nahm Anteil am Schicksal der Menschen um sie herum. Ina war das, was man eine gute Seele oder einen guten Geist nennt, war immer da, für jede und jeden, wann immer man Gesprächsbedarf hatte. Häufig begannen diese Gespräche mit diesem Satz: „Lass uns einmal eine rauchen.“ Kommunikation war ihre große Leidenschaft, Solidarität ihre Stärke. In Thüringen aufgewachsen und für immer verwurzelt, egal wohin es sie zog, studierte Ina Nießler an der Pädagogischen Hochschule in Leipzig Deutsch und Geschichte. Nach acht Jahren als Lehrerin folgte noch vor der Wende eine Position in der Produktion der Tageszeitung „Sächsisches Tageblatt“ in Dresden.

Ihre Wurzeln hat Ina Nießler nie vergessen

Ob Leipzig, Dresden oder dann Hamburg – ihre Wurzeln hat Ina Nießler nie vergessen. „Heimat ist Heimat“, schrieb der langjährige Abendblatt-Chefredakteur Peter Kruse einmal über sie. „In ihrem Herzen brennt immer die Sehnsucht nach drüben, die aber keine Einbahnstraße ist. In Hamburg zieht es sie nach Mühlhausen, Erfurt, Eisenach oder Leipzig, und geht sie durch die Gassen dieser alten schönen Städte, spürt sie die Sogkraft ihrer neuen Heimat. Sie weiß, dass drüben immer dort ist, wo man gerade nicht ist. Es ist das Gefühlserlebens vieler, die mit der Wende der vergangenen Heimat DDR den Rücken kehrten und sich für ihr verbleibendes Leben dem alten Westen zugewandt haben. Dieses Leben ist jetzt und viel zu früh – in Berlin – zu Ende gegangen. Und folgerichtig hat Ina Nießler ihre letzte Ruhe in der alten Heimat gefunden – im Familiengrab in Mühlhausen.

1992 folgte sie ihrem Mann zum Abendblatt nach Hamburg: Egbert Nießler, wie sie aus Thüringen, hatte hier wenige Monate nach der Wende als Politik-Redakteur begonnen. Ina sorgte fortan als Schlussredakteurin mit dafür, dass die Zeitung Abend für Abend (meist) fehlerfrei und pünktlich angedruckt wurde. Bald gab es technische Neuerungen in der Redaktion, und so stieß Ina Nießler zu einem kleinen Team, das den elektronischen Seitenumbruch beim Abendblatt einführte. Am Computer wurden die einzelnen Artikel fortan zur kompletten Zeitungsseite zusammengefügt.

Doch Ina Nießler hatte noch mehr Talente: Sie wurde Redakteurin im Wissenschaftsressort und später im Nachrichtenressort. Sie betreute die Leserbriefe ebenso wie die Wissen-Seite, redigierte (mit Begeisterung) die Seite „Aus aller Welt“ oder später auch die Titelseite des Hamburger Abendblatts. Ihre pädagogische Ausbildung im Lehramtsstudium setzte Ina Nießler wieder in der Redaktion ein: Wann immer neue Technik eingeführt wurde, Ina war im Schulungsteam dabei. Sie brachte den Kolleginnen und Kollegen so manch neues Redaktionssystem bei. Ina Nießler wirkte nicht nur nach innen, also in die Redaktion hinein. Viele Abendblatt-Leserinnen und -Leser kannten sie als unsere „Leserbotschafterin“. Auch hier war sie zugewandte Ansprechpartnerin, wenn sich Menschen mit Ärger und Sorgen meldeten. Voller Leidenschaft betreute sie unseren Leserbeirat und diskutierte mit Leserbriefschreibern. Gern rief Ina dann auch direkt bei „ihren“ Lesern an.

Die Redaktion ist in tiefer Trauer

Als dann die passive Phase der Altersteilzeit begann, zog sie zu ihrem Egbert, der mittlerweile in der Zentralredaktion der Funke-Mediengruppe in Berlin arbeitete. Endlich hatte das Pendeln ein Ende – und als „ihr Eggi“ im Sommer 2020 auch die Tür der Redaktion an der Friedrichstraße ein letztes Mal hinter sich schloss, da hatten die beiden, die seit Schulzeiten ein Paar waren, endlich Zeit – gemeinsame Zeit. Leider viel, viel zu kurz! Es schienen Erkältungssymptome zu sein, die sie im September plagten.

Aber es war eine Krankheit, von der Ina sich nicht mehr erholen sollte. Sie starb am 16. Dezember. Viel zu jung. Im Krankenhaus, in Berlin. Ihre Heimat Thüringen hatte Ina auch nach mehr als 25 Jahren an Alster und Elbe immer noch im Herzen. Und wann immer es ging, zog es sie mit ihrem Mann für ein paar Tage zurück nach Mühlhausen. Hier hat Ina Nießler jetzt ihre letzte Ruhe gefunden. Sie lässt die Kolleginnen und Kollegen in der Redaktion des Hamburger Abendblatts in tiefer Trauer über ihren viel zu frühen Tod zurück. Unsere tiefe Anteilnahme gilt ihrem Mann – unserem lieben Kollegen Egbert Nießler.