Kiel/Hamburg/Schwerin. Die Corona-Pandemie spaltet den Einzelhandel. Auf der einen Seite sind die Gewinner der Krise, etwa der Online-, Lebensmittel- und Möbelhandel, auf der anderen Seite bangen Innenstadtläden um ihre Existenz. Der Handelsverband Nord hat deshalb etliche Forderungen.

Der Handelsverband Nord rechnet in diesem Jahr trotz der massiven Einschränkungen durch die Corona-Pandemie insgesamt mit einem Umsatzplus im Einzelhandel. Analog zu den Bundeszahlen geht der Verband in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern im Vergleich zum Vorjahr von einem Plus von 1,5 Prozent oder insgesamt knapp 45 Milliarden Euro aus, wie der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Nord, Dierk Böckenholt, am Dienstag bei einer Online-Pressekonferenz sagte. Der Umsatz im Weihnachtsgeschäft werde in allen drei Ländern voraussichtlich um 1,2 Prozent auf fast 8,5 Milliarden Euro steigen.

Grund für das Plus sei vor allem der bundesweite massive Anstieg des Onlinehandels um 18 Prozent auf 70 Milliarden Euro. Allein im Norden mache dieser Bereich rund 5,7 Milliarden Euro aus. Glänzende Geschäfte machten auch der Lebensmittel- und Möbelhandel, die Fahrradgeschäfte sowie Garten- und Baumärkte.

So vermeldete etwa der Hamburger Versandhändler Otto für die vergangene Black-Friday-Woche einen Bestellrekord. Die Anzahl der Bestellungen stieg demnach gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 35 Prozent. Otto-Bereichsvorstandschef Marc Opelt sagte, in diesem Jahr kauften so viele Menschen wie nie zuvor ihre Weihnachtsgeschenke online. "Folgerichtig erwarten wir ein deutliches Wachstum und das stärkste Weihnachtsgeschäft unserer Firmengeschichte."

Handelsverband-Hauptgeschäftsführer Böckenholt betonte, dies dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere Handelsbranchen wegen der Corona-Pandemie ums Überleben kämpften. "Wir haben eine große Gruppe von Verlierern." Böckenholt zählte dazu vor allem Geschäfte in touristischen und Innenstadt-Lagen sowie Verkäufer von Bekleidung, Schuhen, Spielwaren, Schmuck und Unterhaltungselektronik. Allein im Modebereich liege der Umsatzrückgang bei durchschnittlich 40 Prozent, in touristischen Gebieten dann sogar bei bis zu 80 Prozent.

Dass die Geschäfte nun während des Teil-Lockdowns geöffnet haben dürfen, nannte Böckenholt ein "vergiftetes Geschenk". Denn wenn gleichzeitig aus der Politik Aufrufe kämen, Kontakte zu vermeiden und möglichst zuhause zu bleiben, hätten die Einzelhändler wenig davon. Diese Aufrufe "sind Gift für alle stationären Geschäfte, gerade in den Innenstadtlagen und den touristischen Zentren".

Der Handelsverband Nord forderte für notleidende Handelsgeschäfte November- und Dezemberhilfen wie etwa in der Gastronomie. Auch müssten die Überbrückungshilfen angepasst und sollten nicht mehr am Umsatz-, sondern am Ertragsverlust bemessen werden. Weitere Verschärfungen und Einschränkungen dürfe es nicht mehr geben. Darüber hinaus müsse ein 500 Millionen Euro schwerer Innenstadtfonds aufgelegt werden, um den Wandel der Innenstädte stemmen zu können.

Ein besonders großes Problem für angeschlagene Einzelhändler seien die Ladenmieten. Wegen der Möglichkeit der Kurzarbeit habe es mit den Personalkosten wenig Schwierigkeiten gegeben, und auch die Lieferanten hätten sich in der Krise kulant verhalten, sagte der Präsident des Handelsverbands Nord, Andreas Bartmann. Bei den Mieten jedoch gebe es nur die Möglichkeit der Stundung von drei Monatsmieten. Das bereite "extrem viele Sorgen", denn bei vielen Betroffenen seien sämtliche Eigenkapitalreserven aufgebraucht und wenn nun auch noch das Weihnachtsgeschäft wegbreche, stehe es um die Januar-Mieten schlecht. Bartmann forderte ein Entgegenkommen der Immobilienwirtschaft, die in großen Teilen unbeirrt auf den Mieten beharre.