Kiel. Für den Staatsanwalt war die Attacke in Eckernförde wie eine Hinrichtung, dass das Opfer überlebte, eine Art Wunder. Jetzt gab es für einen der Täter das Urteil und der andere tauchte überraschend im Gerichtssaal auf.

Der brutale Angriff mit Baseballschläger und Revolver dauerte nur wenige Minuten. Dann lag das Opfer an seinem Wohnort in Eckernförde lebensgefährlich verletzt am Boden - niedergestreckt durch Schläge und zwei Schüsse in den Hinterkopf. Für das Verbrechen schickte das Kieler Landgericht den 36-jährigen Angeklagten am Montag für zehn Jahre in Haft - wegen gemeinschaftlich begangenen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung.

Die Richter unter dem Vorsitzenden Jörg Brommann sahen es nach vier Verhandlungstagen als erwiesen an, dass der Angeklagte dem Opfer am 30. März an dessen Wohnort gemeinsam mit dem Komplizen auflauerte und ihn mit einem Baseballschläger und Tritten attackierte. Der Mittäter schoss demnach. Insgesamt vier Schüsse fielen. Zwei Kugeln drangen in den Hinterkopf des 33-Jährigen. Das Opfer überlebte den Angriff nur knapp und behält trotz mehrfacher Operationen und wochenlangem Krankenhausaufenthalt bleibende Hör- und Sehschäden.

Das Warum der Tat vor mehreren großen Doppelhausblöcken und Reihenhäusern im Domsland in Eckernförde blieb auch im Urteil des Kieler Landgerichts im Dunkeln. Schon die Staatsanwaltschaft hatte dazu keine Angaben gemacht. Auch der Angeklagte schwieg zu den Hintergründen und dem Mittäter. Das Opfer berief sich auf komplette Amnesie. "Ob das stimmt, wissen die Götter", sagte der Schwurgerichtsvorsitzende.

Auch der bislang verschwundene Mittäter trug nichts zur Aufhellung bei. Er tauchte unmittelbar vor der Urteilsverkündung überraschend im Gerichtssaal auf. Gefesselt und an der Seite eines Strafverteidigers. Am Wochenende wurde er gefasst und in U-Haft genommen, hieß es. Der Mann berief sich auf sein Aussageverweigerungsrecht als Beschuldigter. Ob und wann gegen ihn ein Verfahren eröffnet wird, blieb zunächst offen.

Mit dem Urteil folgte das Schwurgericht dem Antrag der Verteidigung. Der Staatsanwalt hatte von einem absoluten Vernichtungswillen der Angreifer gesprochen und eine lebenslange Haftstrafe wegen heimtückischen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung gefordert. Heimtücke als Mordmerkmal hielt die Kammer aber nicht für nachweisbar.

Der Aussage des Angeklagten, der zwar Schläge und Tritte gestand, den Revolver in der Hand des Mittäters aber erst kurz vor den Schüssen gesehen haben will, schenkte das Gericht keinen Glauben. Dessen Angaben seien "völlig unglaubhaft", sagte der Vorsitzende. Die Tat sei gemeinschaftlich als Mittäter ausgeführt worden. Der Mann habe das Opfer zwar vermutlich nicht gekannt. Doch er habe dessen Wohnadresse für den Komplizen ausgeforscht, sich "mit den Hintermännern" und war in die Beschaffung der Waffe verwickelt. Zudem habe er das Opfer unter anderem als "Hurensohn" bezeichnet.

Beide Männer waren in einem SUV angefahren und in dem Fahrzeug nach der Tat geflüchtet. Zeugen berichteten, dass das laut schreiende Opfer, das zum Tatzeitpunkt gerade seinen Wagen auf dem Parkplatz vor dem Wohnhaus entlud, vor den beiden Angreifern davon lief. Dann habe er am Boden gelegen und nach den zwei Schüssen nur noch gestöhnt. Eine der anderen Kugeln durchschlug das Fenster einer Anwohnerin. Sie blieb unverletzt. Die zweite Kugel landete in einem Fahrradschuppen.

Während der Angeklagte der Urteilsbegründung zu folgen versuchte, - der Dolmetscher musste den Vorsitzenden immer wieder auffordern, lauter zu sprechen - weinte seine im Saal sitzende junge Frau hemmungslos. Angehörige versuchten, sie zu trösten. Der Verteidiger legte vorsorglich Revision ein, will dann aber die Urteilsbegründung abwarten.