Kiel. Selbstbewusst geht Schleswig-Holstein in der Corona-Pandemie weiter eigene Wege. Ministerpräsident Günther findet dafür im Landtag einen großen Rückhalt. Auch eine Neuigkeit für Familien verkündet er.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sieht für den Beginn des neuen Jahres Chancen für Lockerungen der strengen Corona-Schutzmaßnahmen. Die aktuellen Regeln blieben über Weihnachten bis in den Januar hinein bestehen, kündigte Günther am Freitag in einer Sondersitzung des Landtags an. Er sehe die Möglichkeit, bis Ostern nach und nach mehr Normalität zuzulassen. "Das bedingt, dass wir uns alle disziplinieren."

Der Regierungschef dankte den Bürgern für ihre Disziplin in der Pandemie und rief sie auf, weiterhin die Regeln zu befolgen. Die Debatte offenbarte erneut weitgehende Übereinstimmung zwischen der Jamaika-Koalition und den Oppositionsfraktionen SPD und SSW.

Wenn sieben von zehn Kreisen mit den niedrigsten Infektionszahlen in Schleswig-Holstein lägen, belege dies die Disziplin der Menschen, sagte Günther in einer Regierungserklärung. "Wir sind gemeinsam auf einem guten Weg." Es gebe aber keinen Grund, sich zurückzulehnen. Jetzt größere Lockerungen vorzunehmen und bei höheren Zahlen schnell wieder Beschränkungen vornehmen zu müssen, wäre falsch. "Planungssicherheit ist das A und O."

Die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen liegt im Land knapp unter 50 und damit weit unter Bundesschnitt. Es sei richtig, abhängig vom Infektionsgeschehen regional angepasst zu handeln, betonte Günther. Der Norden weicht unter anderem bei Kontaktregeln und Kundenzahlbegrenzungen in Geschäften von den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen ab. Es habe sich bewährt, von Anfang an konsequent zu handeln, sagte der CDU-Politiker.

Er kündigte an, dass Menschen, die im Land über Weihnachten Verwandte besuchen wollen, dafür im Hotel übernachten dürfen. Vom 23. bis 27. Dezember seien jeweils maximal zwei Übernachtungen erlaubt. Auch Niedersachsen, Hessen und Nordrhein-Westfalen räumen eine solche Möglichkeit bei Familienbesuchen ein - gegen den Wunsch des Kanzleramts.

Günther begründete die Entscheidung auch mit sozialer Verantwortung. Wer aus Baden-Württemberg komme, müsse hierzulande übernachten können - dies in einer 40-Quadratmeter-Wohnung machen zu müssen, wäre auch aus virologischer Sicht nicht klug. Übernachtungen zu touristischen Zwecken hingegen sind in Hotels, Ferienwohnungen und Pensionen verboten.

Der Regierungschef hatte nach den Beratungen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch Sonderregelungen angekündigt. So dürfen Nagel-, Kosmetik- und Massagestudios ab Montag ebenso öffnen wie Tierparks. Zudem bleibt es dabei, dass sich in Läden pro zehn Quadratmeter ein Kunde aufhalten darf. Der Bund-Länder-Beschluss sieht vor, die Fläche in großen Geschäften pro Kunde auf 20 Quadratmeter auszuweiten.

Der Norden hält einschließlich Weihnachten und Silvester an seiner Zehn-Personen-Kontaktregel fest. Damit dürfen sich maximal zehn Menschen aus zwei Hausständen öffentlich treffen. Im privaten Bereich sollen es bei maximal zehn Personen auch möglichst wenige Haushalte sein - Kinder jeweils inklusive. Die verschärfte Bund-Länder-Regelung bis Weihnachten mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten plus Kinder bis 14 Jahre macht das Land nicht mit.

Vorerst beschränkt wegen hoher Infektionszahlen nur der besonders eng mit Hamburg verbundene Kreis Pinneberg die Kontaktzahl auf fünf Personen. Von dem Signal, über Weihnachten und Silvester mehr zu erlauben als davor, halte er gar nichts, sagte Günther.

Trotz Begrenzung der Infektionen sei nicht die Zeit für Leichtsinn oder Unvernunft, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. Nachdenklich rief er dazu auf, politisch und menschlich besonders jene in den Blick zu nehmen, die allein und von Einsamkeit betroffen sind. "Das ist ein Problem, dem wir in unserer Gesellschaft zu wenig Aufmerksamkeit widmen - und es wird auch eine der Lehren sein, die wir aus dieser Zeit ziehen müssen."

Heimbewohner, Behinderte und Ältere müssten die Beschränkungen geradezu als Freiheitsentzug empfinden, sagte Stegner. "Viele von unseren Eltern und Großeltern waren verzweifelt, dass sie ihre Lieben monatelang nicht sehen durften. Allzu viele sind sogar ganz allein gestorben. Das darf sich niemals wiederholen."

"Wir dürfen pandemiemüde sein, aber wir dürfen nicht müde werden, nach guten Lösungen zu suchen", unterstrich Grünen-Fraktionschefin Eka von Kalben. Die Einschränkungen für Wirtschaft und Kultur seien "krass". "Aber mindestens genauso krass sind die Szenarien, wenn wir jetzt nichts tun." Die relativ niedrigen Infektionszahlen habe das Land sich selbst zu verdanken, sagte CDU-Fraktionschef Tobias Koch. Hier hätten das ganze Jahr über strengere Regeln gegolten als bundesweit.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christopher Vogt nannte die Maßnahmen angemessen. "Das Hin und Her über die Feiertage möchten wir den Menschen in Schleswig-Holstein ersparen", bemerkte er angesichts Beschlüsse von Bund und Ländern zu Kontakten.

"Wir hätten es vorgezogen, den Gastronomen ein inzidenzabhängiges Stufenmodell zu ermöglichen", sagte Lars Harms vom SW im Blick auf die geschlossenen Gaststätten. "Ich kann aber nachvollziehen, dass dies bei dem derzeit sehr hohen Gefälle beim Infektionsgeschehen im Land zu einem Restaurant-Tourismus führen und damit zusätzliche Risiken bergen könnte." Jörg Nobis von der AfD sagte, es sei nicht angemessen, den Lockdown für das ganze Land zu verlängern. Je nach Infektionsgeschehen seien regionale und lokale Differenzierungen erforderlich.