Kiel. Digital-Premiere im Norden: Die Grünen haben erstmals virtuell auf einem Parteitag ihre Positionen festgezurrt. Sie unterstützten mehrheitlich den Teil-Lockdown in der Corona-Krise. Kritik blieb aber nicht aus.

Spitzenpolitiker der Grünen in Schleswig-Holstein haben sich klar zu den neuen harten Einschnitten in der Corona-Krise bekannt. Die Jamaika-Koalition habe viel gerungen um die Maßnahmen, sagte Finanzministerin Monika Heinold am Samstag bei einem digitalen Landesparteitag. Letztlich habe sich das Bündnis darauf verständigt, den von Bund und Ländern vereinbarten Kurs mitzutragen. "In dieser ernsten Lage brauchen wir ein einheitliches Vorgehen aller Länder", sagte Heinold.

Die Corona-Krise sei aber für Jamaika eine Belastungsprobe. "Die FDP wäre fast von Bord gegangen, weil sie die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen, für die wir uns jetzt entschieden haben, nicht gesehen hat". Hintergrund ist besonders die Schließung der Gaststätten, die das Bündnis aus CDU, Grünen und FDP verhindern wollte. Dann stimmte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) aber zu und ermöglichte so eine bundeseinheitliche Lösung. Auch in den nächsten Wochen stünden schwierige Entscheidungen an, sagte Heinold. Jamaika habe in drei Jahren gezeigt, dass es das Land gut regieren könne. Oberstes Ziel sei derzeit, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern.

Die Grünen müssten auch Fragen nach der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen anstoßen und und sich Kritik an Entscheidungen stellen, sagte Heinold. "Aber es ist auch unser Aufgabe als Politik, zügig zu handeln, wenn wir sehen, dass die Kurve der Neuansteckungen täglich in die Höhe schnellt." Ohne Einschränkungen sei die rasante Ausbreitung des Virus nicht in den Griff zu bekommen.

Auch der Landesvorsitzende Steffen Regis bekannte sich insgesamt zu den verschärften Maßnahmen, lehnte eine totale Überwachung ihrer Einhaltung wie in anderen Ländern aber ab. Die Grünen leisteten dagegen harten Widerstand. Deshalb werde es im Norden auch keine Schleierfahndung im Grenzgebiet geben. Landtagsfraktionschefin Eka von Kalben warb aber dafür, den Teil-Lockdown im November zu unterstützen. "Wir brauchen jetzt in Deutschland diese vier Wochen."

Es sei ein schwieriger Spagat zwischen notwendigen Maßnahmen und der Bewahrung der Grundrechte, sagte der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz. Aus Sicht des EU-Parlamentariers Rasmus Andresen sind die von Bund und Land beschlossenen Maßnahmen absolut richtig.

Der Landtagsabgeordnete Andreas Tietze sagte, die Grünen sollten den Corona-Prozess bei aller Staatstreue kritisch begleiten. Das tat die Ex-Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms. Sie beklagte eine Entmachtung der Parlamente. Der Bundestag nicke nur noch ab, was Kanzlerin und Ministerpräsidenten beschlossen haben. "Das hat mit Parlamentarismus nichts mehr zu tun", sagte Wilms. Auch habe niemand die vergangenen Monate genutzt für einen Plan zum Langzeit-Umgang mit dem Virus.

Eigentlich wollten die Grünen am Samstag die Landesliste zur Bundestagswahl aufstellen, aber Corona verhinderte das. Der Parteitag distanzierte sich von Verschwörungstheorien im Zusammenhang mit der Pandemie. Viele Demonstrationen gegen die Schutzmaßnahmen würden missbraucht von Rechtspopulisten, Rechtsextremen, Reichsbürgern, Rassisten und Antisemiten, heißt es in einem mit großer Mehrheit beschlossenen Antrag. Diese Leute hätten keinen Platz in der Partei.

Vor zwei Monaten hatte der Flensburger Grüne David Claudio Siber wegen einer Rede bei Protesten in Berlin Aufsehen erregt. Er kritisierte vehement die Corona-Schutzmaßnahmen des Bundes, die eigene Partei und Medien. Die Grünen-Fraktion in der Flensburger Ratsversammlung schloss ihn umgehend aus; in der Partei ist er noch.

Umwelt- und Energieminister Jan Philipp Albrecht stellte dem Parteitag die jüngsten Koalitionsvereinbarungen für einen verstärkten Klimaschutz an. Demnach sollen umfassende Ziele zur Senkung der Treibhausgasemissionen per Gesetz festgeschrieben werden. Gleiches gilt für mehr Photovoltaik und mehr erneuerbare Energien bei Heizung und Verkehr. Die Lasten aus Klima- und Corona-Krise müssten sozial gerecht verteilt werden, sagte Albrecht.