Hamburg. Nach dem Angriff vor der Synagoge diskutiert die Stadt, wie sicher das jüdische Leben in Hamburg ist. Im Kampf gegen Antisemitismus darf es nicht bei leeren Worten bleiben, fordert nicht nur die Opposition.

Nach dem mutmaßlich antisemitischen Angriff auf einen jüdischen Studenten in Hamburg will der Senat das Schutzkonzept für die jüdischen Einrichtungen in der Stadt prüfen. Zugleich wolle man dem Antisemitismus mit mehr positiver Sichtbarkeit des jüdischen Lebens in der Stadt entgegentreten, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Dienstag nach einem Treffen mit Landesrabbiner Shlomo Bistritzky und den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Philipp Stricharz und Eli Fel, im Rathaus.

Es gehe darum, jüdisches Leben in der Stadt "zur Normalität werden zu lassen, erfahrbar zu machen auch für diejenigen, die nicht jüdisch, aber interessiert sind", sagte der Bürgermeister. "Dazu gehört der Wiederaufbau der im Nationalsozialismus zerstörten Synagoge am Bornplatz."

Man müsse aber vor allem auch die junge Generation erreichen. So könne Hamburger und israelischen Schülern mit gegenseitigen Besuchen "der persönliche Kontakt, das persönliche Erleben" der jüdischen Kultur und des Landes Israel ermöglicht werden.

Anlass des Treffens war der offenkundig antisemitische Angriff auf einen jüdischen Studenten am Sonntag vor der Synagoge in der Hohen Weide in Eimsbüttel, wo das Laubhüttenfest gefeiert werden sollte. Der 26-Jährige Student war dabei mit einem Klappspaten schwer verletzt worden, konnte das Krankenhaus nach Polizeiangaben aber am Dienstag wieder verlassen.

Bei dem Angreifer handelte es sich um einen 29-jährigen Deutschen mit kasachischen Wurzeln. Landeskriminalamt und Generalstaatsanwaltschaft werfen ihm versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung vor.

"Was natürlich bleibt, ist das große Erschrecken, die Bestürzung, dass ein solchen Anschlag gerade bei uns in Hamburg, in dieser Stadt, stattgefunden hat", sagte Tschentscher. Es zeige, dass es immer wieder einzelne Taten dieser Art gebe, die individuell schrecklich seien. "Aber was bleibt, ist eine Serie an Ereignissen und Straftaten in Deutschland, die uns mahnt, dass wir sehr entschieden gegen Populismus, gegen Rassismus, aber besonders auch gegen Antisemitismus vorgehen müssen."

Auch den jüdischen Gemeindemitgliedern müsse wieder das Gefühl vermittelt werden, sicher zu Festen in die Synagoge gehen zu können, sagte Rabbiner Bistritzky. Juden wollten so leben wie alle anderen Hamburgerinnen und Hamburger auch.

Juden könnten aber in Hamburg nur dann ein "normales Leben" führen, "solange sie sich nicht als Juden zu erkennen geben", sagte Stricharz. "Dieses Gefühl der Unsicherheit im Alltag, das kann so nicht bleiben."

Nach Angaben der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank wird nach dem Angriff vor der Synagoge im Senat intensiv über Maßnahmen zu Schutz der jüdischen Hamburger gesprochen "und natürlich auch die Frage des Schutzkonzeptes da noch einmal ganz intensiv bewertet".

Die Polizei wies den Vorwurf zurück, nur mangelhaften Schutz gewährt zu haben. Sofort, als der in Militäruniform gekleidete Mann aufgefallen sei, hätten sich Objektschutzkräfte auf ihn zubewegt. "Aber genau in dem Moment hat er dann auch schon den verdeckt getragenen Spaten gezogen und hat zum Angriff übergesetzt", sagte eine Polizeisprecherin dem Sender NDR 90,3. Der Jüdische Weltkongress hatte die seiner Ansicht nach mangelnden Sicherheitsvorkehrungen kritisiert.

Unterdessen läuft die psychiatrische Begutachtung des 29-Jährigen. Seine Unterbringung in einer Klinik war von einer Untersuchungsrichterin angeordnet worden, weil davon ausgegangen werden müsse, "dass er die Tat unter einer psychiatrischen Erkrankung begangen hat", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Wann das Gutachten erstellt ist, sei von vielen Faktoren abhängig und lasse sich nicht voraussagen.

Laut Fegebank ist die Benennung eines Hamburger Antisemitismusbeauftragten sowohl der Bürgerschaft als auch dem rot-grünen Senat "ein großes Anliegen". Kritik der Opposition, dass dies zu lange dauere, wies sie zurück, "weil dem ein Verfahren zugrunde liegt, das auch eingehalten werden muss".

Zunächst müsse der Runde Tisch und die Findung eines geeigneten Kandidaten abgewartet werden. "Genau dieser Auswahlprozess findet gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde und der liberalen jüdischen Gemeinde im Rahmen des Runden Tisches statt."

Stricharz bestätigte, dass auch die jüdische Gemeinde an einer raschen Benennung des Beauftragten interessiert sei. Allerdings sei die Personalentscheidung nicht einfach. Ein geeigneter Kandidat müsse genug "Schlagkraft" mitbringen, um die ganze Stadt zu erreichen und für das jüdische Leben und gegen Antisemitismus einzutreten. So einen Kandidaten müsse man erst einmal finden, sagte er. "Mitglied der jüdischen Gemeinde oder jüdischen Glaubens muss er aber definitiv nicht sein."