Hamburg. Die Hamburgische Bürgerschaft will in einer Sondersitzung ihres Haushaltsausschusses den Umgang der Stadt mit der im Cum-Ex-Skandal verstricken Warburg Bank klären. Der Bürgermeister kommt nicht und viele Fragen bleiben unbeantwortet.

Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) hat erneut jede politische Einflussnahme auf Steuerentscheidungen zu der in den Cum-Ex-Skandal verwickelten Warburg Bank zurückgewiesen. Er habe keinen Grund, an einer entsprechenden Erklärung des obersten Hamburger Finanzbeamten Ernst Stoll zu zweifeln, sagte Dressel am Freitag bei einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses der Bürgerschaft. Stoll hatte bereits im Februar erklärt: "Es hat in Hamburg weder bezüglich Cum-Ex-Gestaltungen noch sonst Versuche gegeben, politisch auf Entscheidungen der Steuerverwaltung Einfluss zu nehmen." Im Ausschuss wiederholte er diese Aussage.

Entgegen der Forderung der Opposition blieb Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) der Sondersitzung fern. Der Bürgermeister, der bis 2018 Finanzsenator unter seinem Amtsvorgänger Olaf Scholz war, habe sich bereits mehrfach zu dem Fall geäußert, sagte Dressel. "Und neue Fragen sind in diesem Zusammenhang nicht an Herrn Tschentscher gestellt worden." Tschentscher und Scholz hatten ebenfalls jeden Vorwurf, zugunsten der Hamburger Privatbank auf Entscheidungen des Finanzamtes eingewirkt zu haben, zurückgewiesen.

Auf Einzelheiten zum Warburg-Fall ging der Finanzsenator mit Hinweis auf das Steuergeheimnis nicht ein. Einigkeit müsse aber in der Beurteilung bestehen, dass Cum-Ex-Geschäfte illegal "und wirklich ein Schlag ins Gesicht jedes ehrlichen Steuerzahlers und jeder ehrlichen Steuerzahlerin" sind, sagte er. Im Übrigen habe Hamburg bereits 2014 in einem Cum-Ex-Prozess gegen eine Beteiligungsfirma vor dem Bundesfinanzhof gezeigt, "dass wir um jeden Euro kämpfen".

Bei Cum-Ex-Geschäften nutzten Investoren eine Lücke im Gesetz. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende war dem Fiskus nicht mehr klar, wem die Papiere gehörten. Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Dem Staat entstand ein Milliardenschaden.

In der von der CDU beantragten Sitzung sollte das Verhältnis von Ex-Bürgermeister Scholz und seines Nachfolgers Tschentscher zur Warburg Bank geklärt werden. Hintergrund sind zwei weitere Treffen des heutigen Vizekanzlers, Finanzministers und SPD-Kanzlerkandidaten Scholz 2016 mit dem Bank-Mitinhaber Christian Olearius, die durch Berichte der "Zeit" und des NDR-Magazins "Panorama" bekanntgeworden waren.

Zum damaligen Zeitpunkt liefen bereits Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung gegen die Bank und Olearius. Später ließ Hamburg eine Steuernachforderung in zweistelliger Millionenhöhe verjähren, eine weitere wurde erst nach Intervention des Bundesfinanzministeriums eingefordert. Bisher war nur ein Treffen von Scholz und Olearius im Jahr 2017 bekannt, allerdings auch erst seit Presseberichten im Februar.

Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Richard Seelmaecker bemängelte, dass Tschentscher "sein Kommen verweigert" habe. "Es geht klipp und klar darum, was hat der Bürgermeister, was hat der Finanzsenator getan, um da mitzusteuern." Seine Frage an Dressel, ob er erklären könne, dass Scholz und Tschentscher sich "weder strafbar gemacht haben noch rechtswidrig verhalten haben", beantworte dieser nur indirekt: "Eine Einflussnahme hat es nicht gegeben und wird es nicht geben." Auch Tschentscher und Scholz haben wiederholt jeden Verdacht der Einflussnahme in dem Steuerfall zurückgewiesen.

Es gebe überhaupt keine Möglichkeit, auf einen Steueranspruch zu verzichten, sagte Dressel und wies Vorwürfe einer möglichen Kungelei zwischen Finanzamt und Bankhaus zurück. "Und es besteht auch nicht die Möglichkeit, Steuern wie auf einem Basar zu verhandeln." Alle Entscheidungen der Finanzbehörde seien auf Grundlage von Recht und Gesetz erfolgt.

"Zeit" und "Panorama" stützen sich bei ihren Recherchen in weiten Teilen auf Olearius' Tagebücher. "Das ist ja im Wesentlichen eine Kommunikation mit sich selbst, wenn man ein Tagebuch schreibt", sagte Dressel. Laut Presseberichten schreibt Olearius darin von Einschätzungen und Tipps, die die zuständige Finanzbeamtin zugunsten der Bank weitergegeben habe. Es gebe aber keinen Hinweis auf einen direkten Kontakt zwischen dem Banker und der Finanzbeamtin, sagte Dressel. Insofern seien die Tagebuchausführungen in diesen Punkten nur "Hörensagen", die nicht als wahr unterstellt werden könnten.

Der Finanzexperte der Linksfraktion, Norbert Hackbusch, warf vor allem Scholz vor, immer nur dann etwas zuzugeben, wenn es durch die Tagebucheinträge bereits unterlegt sei. So seien Treffen des Ex-Bürgermeisters mit Olearius in Senatsantworten auf Kleine Anfragen noch im vergangenen Jahr bestritten worden. "Das heißt, die Glaubwürdigkeit des Senats (...) ist durchaus in Zweifel zu ziehen."

Der AfD-Abgeordnete Thomas Reich schlussfolgerte, dass die Stadt einen Steueranspruch gegen Großunternehmen auch aus Angst vor hohen Kosten und Haftungsfolgen nicht stellen würde. "Ist das die Lehre aus Cum-Ex?", fragte er.

Linke und AfD haben sich für einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) ausgesprochen. Die CDU, deren Stimmen es für die Einberufung eines solchen Gremiums braucht, wollte zunächst die Sondersitzung des Haushaltsausschusses abwarten. Fraktionschef Dennis Thering hatte angekündigt, dass eine Entscheidung noch am Wochenende getroffen werden soll.