Das jahrelange Hickhack um die Hamburger Sternbrücke
Hamburg
Das jahrelange Hickhack um die Hamburger Sternbrücke
| Lesedauer: 10 Minuten
Peter Wenig
Sie machen sich für eine Sanierung der Sternbrücke stark: Elinor Schües (Architektin, ehemalige Vorsitzende des Denkmalrates), Kristina Sassenscheidt (Geschäftsführerin Denkmalverein), Daniel Kinz (Vorsitzender Bund Deutscher Architektinnen und Architekten Hamburg), Sven Bardua (Industriearchäologe), Vincent Ritter (Fachschaftsrat Kultur der HafenCity Universität) und Lisa Kosok (Studiendekanin Kultur der Metropole der HafenCity Universität, Mitglied im Denkmalrat
Foto: Roland Magunia / Roland Magunia/Funke Foto Services
Seit 2005 wird über Neubau oder Sanierung gestritten. Denkmalschützer machen mobil, die Bahn warnt vor Kosten in Millionenhöhe.
Hamburg. Als Kristina Sassenscheidt ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter vorstellt, rollt gerade ein ICE über die Sternbrücke. Die Worte der Geschäftsführerin des Denkmalvereins Hamburg werden fast verschluckt, als im nächsten Moment ein Lkw und ein HVV-Bus die Stresemannstraße passieren.
Es gibt kaum unwirtlichere Orte in Hamburg. Und doch lieben Anwohner wie Wolfgang Müller genau diesen Fleck der Hansestadt. „Diese Brücke prägt unser Stadtbild. Sie darf nicht geopfert werden zugunsten eines monströsen Bauwerks.“ Es geht um Heimat. Es geht um Identität. Und es geht um ein Denkmal. Denn genau das ist die Sternbrücke, fast 100 Jahre alt. Die Bahn will die Sternbrücke abreißen, ersetzen durch eine Stabbogenkonstruktion ohne Stützen. 108 Meter lang, 21 Meter hoch. Kosten: 125 Millionen Euro, je zur Hälfte von Bahn und Stadt zu tragen.
Sternbrücke als Zeugnis deutscher Architekturgeschichte
An diesem Montagmorgen erhält Wolfgang Müller, einer der Macher der Initiative Sternbrücke, Unterstützung für seinen Kampf. Neun Institutionen – vom Denkmalverein über den Denkmalrat bis zum Bund Deutscher Architektinnen und Architekten – werben dafür, dass die Brücke saniert wird: „Die Sternbrücke ist ein wichtiges Zeugnis der deutschen Architektur- und Ingenieurbaugeschichte und besitzt noch eine lange Lebensdauer. Ihre Erhaltung ist daher keine technische, sondern eine gesellschaftliche Entscheidung.“
Ihre Argumentation stützt sich auf ein erst jetzt veröffentlichtes Gutachten aus dem Jahr 2018. 81 Seiten mit vielen Formeln und Zeichnungen und Begriffen wie „Teilsicherheitsbeiwerten“ und „Spannungsdoppelamplituden“, wirklich nachvollziehen können das nur Ingenieure. Doch den entscheidenden Satz in der Zusammenfassung versteht jeder: „Im Ergebnis liefern die vorgelegten Untersuchungen für die Sternbrücke aus Sicht des Gutachters keine überzeugende Begründung, die angesichts ihres besonderen Denkmalwerts den beantragten Abriss rechtfertigen könnte.“
Baubeginn für die neue Brücke: 2023
Es passt zu der unübersichtlichen Gefechtslage, dass das Gutachten, auf das sich ihre Argumentation stützt, von der Kulturbehörde in Auftrag gegeben wurde, streng genommen also von der Gegenseite. Denn der Senat verständigte sich im April mit der Bahn auf einen Neubau. Baubeginn: 2023. Auch Kulturstaatsrätin Jana Schiedek (SPD) stimmte dem Abriss zu: „Ein Erhalt der Brücke wäre nur unter erheblichen verkehrlichen und finanziellen Auswirkungen möglich gewesen.“