Hamburg. Der Hafengeburtstag im Mai ist in diesem Jahr coronabedingt ausgefallen, aber wer in diesen Tagen über die Elbpromenade schlendert, erlebt das Spektakel im Miniaturformat. Denn seit einer Woche stehen zwischen den Landungsbrücken und der Kehrwiederspitze mehr als 20 Aussteller mit ihren Buden, und sogar Kinderkarussells und Dosenwerfen wurden aufgebaut.
Ansonsten gibt es alles für den großen und kleinen Hunger. Von Fischbrötchen über Bratwurst und Burgunderschinken bis hin zu Schmalzkuchen und Softeis reicht das Angebot.
Wegen Corona: Budenzauber in ganz Hamburg
Was es mit diesem Budenzauber auf sich hat, erklärt Robert Kirchhecker, der in der vergangenen Woche als Präsident des Schaustellerverbands Hamburg von 1884 e. V. wiedergewählt wurde, im Abendblatt-Gespräch. „Wir sind der Stadt sehr dankbar dafür, dass uns eine Sondernutzung der Flächen ohne Gebühren ermöglicht wird. Insgesamt haben Schausteller rund 80 Stände in Hamburg aufgestellt, davon alleine rund 40 im Bezirk Mitte.“
Neben der Innenstadt und an der Elbpromenade stehen Schausteller mit ihren Betrieben zum Beispiel auch am Langenhorner Markt und am Tibarg in Niendorf.
Sondernutzung von Flächen für Schausteller
Die Initiative für eine kostenfreie Sondernutzung von Flächen für die Schausteller – die aktuell bis zum 31. Dezember in allen sieben Bezirken gilt, wenn die Flächen nicht anderweitig vergeben sind – hatte die Koalition aus SPD, CDU und FDP in Mitte ergriffen. Die drei Fraktionen brachten einen Antrag dazu in die Bezirksversammlung ein.
„Wir wollen damit die Schausteller unterstützen, denen wegen des Ausfalls sämtlicher Volksfeste seit einem guten halben Jahr der Umsatz eingebrochen ist. Außerdem tragen die vielen Stände zu einer Belebung der Innenstadt und weiterer Standorte bei“, sagte SPD-Fraktionschef Tobias Piekatz.
Sechs weiße Zelte auch am Jungfernstieg
Ortswechsel. Das Abendblatt trifft Schaustellerpräsident Kirchhecker zum Ortstermin auf dem Jungfernstieg. Hier stehen an der Wasserseite sechs weiße Zelte – wie es sonst beim Weihnachtsmarkt auf dem Boulevard der Fall ist. Es werden Softeis, gebratene Mandeln, Thüringer Bratwurst, Maiskolben und Crêpes an den Kunden gebracht. Kirchhecker hat sich bei rund 30 Grad für ein kühles Mineralwasser entschieden und lässt den Blick über die Stände schweifen.
„Endlich können wir wieder loslegen, und es kommt Geld in die Kasse. Seit dem Ende der Weihnachtsmärkte lag der Umsatz bei den Schaustellern bei null. Wegen Corona wurden der Hafengeburtstag, der Frühlings- und Sommerdom abgesagt, dazu sämtliche Straßenfeste“, sagt Kirchhecker. Alle Einnahmen seien weggebrochen. Aber diese Sondernutzungsregelung sei jetzt ein Lichtblick, und endlich könne man das Personal wieder beschäftigen.
Restaurant Bauernkate im Miniaturformat
Denn Kirchhecker weiß zu berichten. „Die Mitarbeiter haben ja auch monatelang zu Hause gesessen. Viele kommen aus Osteuropa, auch von meinen Angestellten. Wir standen in ständigem Kontakt, jetzt haben einige wieder angefangen“, sagt er. Kirchhecker baut ansonsten dreimal im Jahr auf dem Hamburger Dom und beim Schützen- und Volksfest in Goslar sein Restaurant Bauernkate auf.
Das steht nun im Miniaturformat auf der Spitalerstraße. Ein paar Tische hat Kirchhecker auch aufgestellt, aber wer „am Tisch essen möchte, der muss sich über den QR-Code registrieren und seine persönlichen Daten hinterlassen. Wir nehmen die Corona-Richtlinien sehr ernst.“
Schausteller ebenfalls auf der Spitalerstraße vertreten
Hinter dem Tresen stehen seine sechs Mitarbeiter und verkaufen Nackensteaks, Käsekrainer, gebackene Kartoffeln und Pommes. Auf der Spitalerstraße haben noch weitere Schausteller ihre Buden aufgebaut. Auch vor der Petrikirche an der Mönckebergstraße stehen Stände.
„Wir haben viel positive Resonanz von den Hamburgern und Touristen, die freuen sich darüber, dass sie beim Bummeln einen kurzen Stopp machen und sich stärken können“, sagt Kirchhecker, der seit seiner Jugend Schausteller ist. Noch bis zum 30. Oktober bleiben die Buden in der Innenstadt stehen.
"Es ist ein gutes Gefühl, dass wir wieder arbeiten können"
Auf der Elbpromenade – hier stehen die Schausteller bis zum 13. September - verkauft Nick Vorlop Bratwürstchen und Getränke. Die Familie des 41-Jährigen ist seit Generationen in der Branche tätig. Eigentlich hätte Nick Vorlop wie jedes Jahr mit seiner Wildwasserbahn und dem Karussell Shaker auf dem Dom gestanden, doch daraus wurde bekanntlich nichts.
„Es ist ein gutes Gefühl, dass wir wieder arbeiten können. Die Touristen freuen sich, dass es hier jetzt so ein großes Angebot auf der Promenade gibt, und fragen uns manchmal, was das für eine Festivität ist“, sagt Vorlop. Aber er sagt auch. „Wir verdienen hier ein bisschen Geld. Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Der Winterdom muss durchgeführt werde, da würde ich dann den Shaker aufstellen, für die Raftingbahn ist dann keine Saison mehr.“
Die Schausteller hoffen auf den Winterdom
Mit seinem Gedanken ist auch der Schaustellerpräsident beim Winterdom auf dem Heiligengeistfeld. Im vergangenen Jahr hatte das Volksfest 2,2 Millionen Besucher. Für dieses Jahr haben sich bereits rund 200 Betriebe angemeldet. Der Termin ist vom 6. November bis zum 6. Dezember. „Wir brauchen den Winterdom. Nach all den Verlusten in diesem Jahr ist der Winterdom für viele die einzige Chance, ihre Existenz zu retten.
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Natürlich muss es wegen Corona ein spezielles Sicherheitskonzept geben, alle sind bereit, daran mitzuarbeiten“, sagt Kirchhecker. Und das Konzept müsse aber auch so gestaltet sein, dass nicht nur ein paar Tausend Besucher am Tag auf dem Heiligengeistfeld sein dürfen, sonst wäre das nicht mehr wirtschaftlich.
Es besteht Hoffnung. Auf Abendblatt-Anfrage sagte Susanne Meinecke, Sprecherin der zuständigen Behörde für Wirtschaft und Innovation: „Der Senat befasst sich Anfang September wieder mit der Anpassung der Corona-Verordnung. Wenn dann beschlossen würde, dass Volksfeste wieder stattfinden dürfen, könnte es damit auch grünes Licht für den Winterdom geben. Die Voraussetzungen dafür sind geschaffen. Wir haben ein Hygienekonzept für das Heiligengeistfeld ausgearbeitet.“
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