Hamburg. Es bleibt dabei: Trotz teils scharfer Kritik von Eltern, der Gewerkschaft GEW und aus der Opposition an den Corona-Schutzmaßnahmen des Senats starten Hamburgs Schulen im Vollbetrieb ins neue Schuljahr - und das mit einer Rekordzahl an Schülern.

Trotz Kritik an den Corona-Schutzmaßnahmen des Hamburger Senats starten die Schulen der Hansestadt am Donnerstag im Vollbetrieb und mit so vielen Schülern wie seit Jahrzehnten nicht ins neue Schuljahr. Allein an den staatlichen Schulen steige die Zahl der Schüler um 6000 auf 235 190, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) am Dienstag.

"Unsere Forschungen bis in die 60er Jahre zurück haben nirgends höhere Lehrer-, Schüler und Pädagogenzahlen ergeben als in diesem Jahr." Gleichzeitig verteidigten Rabe und Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) den Schulstart im Regelbetrieb gegen teils scharfe Kritik von Eltern, Gewerkschaften und aus der Opposition wegen zu lascher Corona-Schutzmaßnahmen. "Sie können sicher sein, dass wir wirklich sehr, sehr vorsichtig abwägen und dass wir jederzeit reagieren, wenn wir Einschätzungen haben, die sich nicht bestätigen. Aber in dieser Situation ist es sehr vertretbar, jetzt mit dem Schulunterricht wieder zu beginnen", sagte Tschentscher.

Sollte es einen Corona-Fall an einer Schule geben, würden sofort die notwendigen Maßnahmen für die Klasse oder die Schule eingeleitet. Derzeit sagten jedoch alle Fachgesellschaften und Virologen, dass ein Vollbetrieb vertretbar sei, betonte Tschentscher. Rabe wies darauf hin, dass in anderen Bundesländern vor den Sommerferien bereits Schulen komplett geöffnet worden seien. "In keinem dieser Fälle ist es zu einer Erhöhung der Infektionen gekommen."

Rabe hatte am Montag zwar eine Maskenpflicht außerhalb der Klassenräume verfügt, ansonsten sollen die Kinder und Jugendlichen nach den Sommerferien aber wieder ganz regulär in die Schule gehen. Die Maskenpflicht gilt für alle - Schüler, Lehrer, Besucher - bei Betreten des Schulgeländes. Ausgenommen seien nur Grundschüler bis zehn Jahre, "denn die sind noch so klein, dass sie mit den Masken eigentlich nicht fachgerecht umgehen können", sagte Rabe. Außerdem verbreiteten sie das Virus nicht so stark und erkrankten im Falle einer Infektion in der Regel auch nicht schwer.

Der Elterninitiative "Sichere Bildung für Hamburg!" reicht das aber nicht aus. Sie hatte in einem offenen Brief an Tschentscher, Rabe und Sozialsenator Melanie Leonhard (SPD) unter anderem beklagt, dass die Corona-Prävention unterentwickelt sei und ein "Plan B" fehle.

"Auf dieser Basis ist ein sicherer und geordneter Schulbeginn nicht möglich", erklärte die Initiative. Sie forderte unter anderem, dass anders als geplant in den Klassenzimmern ein Mindestabstand zwischen den Schülern garantiert werden müsse. Dies könne etwa durch geteilte Klassen, Unterricht in Kleingruppen, weniger Wochenstunden und digitalen Unterricht geschehen.

Rabe wies diese Forderung strikt zurück: "Wenn wir alle Schulklassen in Hamburg - es mögen 7000 sein - halbieren in zwei Gruppen, dann sind es 14 000. Wir haben aber nicht 14 000 Räume." Gleiches gelte für die dann notwendigen Lehrkräfte. "Also wird dann wieder das passieren, was vor den Sommerferien alle als eine große Belastung empfunden haben, dass nämlich die Hälfte der Lerngruppen immer nur Unterricht hat und die andere Hälfte zuhause lernt", sagte Rabe.

Wer das verlange, verursache auf dem Rücken der Kinder viel Leid. "Die ganzen Sorgen, die nämlich gerade jene Kinder haben, die zuhause nicht die besten Bedingungen vorfinden, die kein Kinderzimmer haben, die keinen Arbeitsplatz haben (...) - das wird uns alle wieder ereilen."

Dem widersprach die Lehrergewerkschaft GEW. "Die Erfahrungen mit kleineren Gruppen zu arbeiten, hat vor den Ferien besondere Lernerfolge in weniger Unterrichtsstunden bedeutet", sagte Hamburgs GEW-Vorsitzende Anja Bensinger-Stolze. Die GEW habe bereits vor den Ferien in ihrem Eckpunktepapier Vorschläge gemacht, wie der Unterricht unter Corona-Bedingungen weiterentwickelt werden könne. "Schule muss wieder als sozialer Ort erlebbar werden. Dazu müssen die Lehrpläne gelüftet werden und Platz sein für Gespräche, für Diskussionen auch und gerade über die jetzige Pandemie und ihre Folgen", sagte Bensinger-Stolze.

Die Linken-Schulexpertin Sabine Boeddinghaus warf der Schulbehörde vor, die unter Corona-Bedingungen verschärfte Bildungsungerechtigkeit gegen den Infektionsschutz auszuspielen. "Belastete und benachteiligte Haushalte bieten dem Schulsenator nur das Feigenblatt seine konzept- und ideenlose Politik fortzuführen", sagte die Linken-Fraktionsvorsitzende. Der sogenannte Hybridunterricht sei Flickwerk, "alternative Szenarien wurden nicht weiterentwickelt".

Ähnlich kritisch zeigte sich die CDU-Schulpolitikern Birgit Stöver: "48 Stunden vor Beginn des neuen Schuljahres unter Corona-Bedingungen wirken der rot-grüne Senat und insbesondere der Schulsenator noch immer unvorbereitet." Dabei habe der Senat fünf Monate Zeit gehabt, sich auf unterschiedliche Szenarien von Präsenz- oder Fernunterricht mit Hygienekonzepten und Abstandsregelungen einzustellen. Die Maskenpflicht in letzter Minute helfe zwar, reiche aber nicht, sagte die Bürgerschaftsabgeordnete. Es müsse deutlich mehr Testkapazitäten und endlich eine überzeugende E-Learning-Plattform geben.

Nach Angaben der Schulbehörde steigt die Zahl der Schüler an den 471 staatlichen und privaten Schulen der Hansestadt auf insgesamt 256 890 Kinder und Jugendliche (plus 2,2 Prozent). Besonders stark sei der Anstieg bei den Erstklässlern. Deren Zahl wachse um 900 auf 18 100. Ebenfalls auf einem Höchststand sei die Zahl der der Lehrkräfte und Pädagogen. So habe sich die Stellenzahl um 452 auf 18 872 erhöht.