Kiel/Heide. Extra-Teststationen für Urlaubsrückkehrer und lokale Maßnahmen in Dithmarschen - so reagiert Schleswig-Holstein auf den jüngsten Schub von Corona-Infektionen. Minister Garg warnt vor Rücksichtslosigkeit.

Mit örtlichen Restriktionen in Dithmarschen und zusätzlichen Teststationen im Land will Schleswig-Holstein gegen eine stärkere Verbreitung des neuen Corona-Virus ankämpfen. Nach der Häufung von Infektionen in der Kreisstadt Heide sollen dort von Sonnabend an Kontaktbeschränkungen und weitere Maßnahmen greifen. Auf die Schritte hat sich der Kreis mit dem Land verständigt, noch bevor der Grenzwert von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen erreicht wurde. Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) bescheinigte dem Kreis am Donnerstag ein vorbildliches Vorgehen.

Mit Stand Mittwochabend waren dort 44 Fälle in Wochenfrist erreicht, die meisten in Heide. Betroffen waren vor allem Rückkehrer vom West-Balkan und aus Skandinavien. Landrat Stefan Mohrdieck sei schon nach 15 Infektionen aktiv geworden und nicht erst bei 30, dem im Land verabredeten Wert, lobte Garg. Von Sonnabend an sollen sich in Heide maximal zwei Personen aus unterschiedlichen Haushalten treffen dürfen, wie Mohrdieck bei einer Pressekonferenz in Kiel mit Garg sagte. Auch öffentliche Veranstaltungen werden vorläufig ausgesetzt. Der Wochenmarkt darf nur mit Mund-Nasen-Schutz besucht werden. Kundenzuläufe zu Geschäften sollen gebremst werden. Mohrdieck kündigte verstärkte Kontrollen an. Für Reiseverbote für Heide und Dithmarschen sieht Garg derzeit keine Veranlassung.

Mohrdieck kündigte auch mehr Corona-Tests in den Wohnquartieren an, in denen die gehäuften Infektionen aufgetreten sind. Am Mittwoch seien 13 weitere Neuinfektionen in Dithmarschen festgestellt worden. Mordieck betonte, die härteren Schutzmaßnahmen seien auf die Stadt Heide beschränkt: "Es gibt kein Lockdown für Dithmarschen." Von Samstag an soll auch in dem von vielen Urlaubern besuchten Ferienort Büsum eine Maskenpflicht in der Fußgängerzone gelten.

Nach der Rückkehr aus dem Ausland können sich Schleswig-Holsteiner ab Freitag an fünf zusätzlichen Stellen kostenlos auf das neuartige Virus testen lassen. Als Orte nannte Garg den Kieler Hafen, Lübeck, den Fährhafen in Puttgarden auf Fehmarn, die Raststätte Ellund am Grenzübergang nach Dänemark an der A7 und den Busbahnhof Neumünster.

Mit Testergebnissen ist Garg zufolge in der Regel nach 24 Stunden zu rechnen. Er betonte, dass Rückkehrer aus Risikogebieten bis zum Vorliegen eines negativen Testergebnisses in Quarantäne gehen und sich beim Gesundheitsamt melden müssen. Andernfalls drohe ein Bußgeld. Die neuen Teststationen können Garg zufolge täglich jeweils rund 200 Tests erledigen. Im Land insgesamt seien 9000 Tests am Tag möglich. Diese Kapazität werde etwa zur Hälfte ausgeschöpft, Tendenz steigend.

Garg appellierte, das Abstandsgebot und die anderen Hygieneregeln einzuhalten. Die steigenden Infektionszahlen in jüngster Zeit hätten auch mit einer schleichend wachsenden Sorglosigkeit mancher Menschen zu tun. Sich nicht an die Regeln zu halten, sei rücksichtslos.

Zuletzt war die Zahl der offiziell erfassten Infektionen im Land innerhalb eines Tages laut Landesregierung mit Stand Mittwochabend um 22 auf 3401 gestiegen. 156 Menschen sind im Zusammenhang mit dem Virus gestorben. Rund 3100 der seit Beginn der Pandemie nachweislich Infizierten gelten inzwischen als genesen. In Krankenhäusern wurden zuletzt 17 an Covid-19 Erkrankte behandelt. Tagesaktuelle Zahlen der Kreise fließen am Folgetag in die Übersicht der Landesregierung ein.

Vor dem Hintergrund einer drohenden Einstufung Dithmarschens als Risikogebiet betonte Garg, es sei die Entscheidung der anderen Bundesländer, ob sie für von dort kommende Menschen besondere Maßnahmen ergreifen. Innerhalb Schleswig-Holsteins rufe das Land keinen Kreis als Risikogebiet aus.

Nach Recherchen der Kassenärztlichen Vereinigung ist zu Spitzenzeiten wöchentlich mit rund 55 000 rückkehrenden Urlaubern zu rechnen, davon 40 000 aus dem Ausland. Die Patientenströme müssten daher so geleitet werden, dass sie das ambulante System der niedergelassenen Ärzte möglichst gering belasten, sagte Vorstandsvize Ralph Ennenbach. Er rief dazu auf, in jedem Fall vorher die Praxis anzurufen, bevor man sie wegen eines Corona-Tests aufsucht.

Für den öffentlichen Gesundheitsdienst äußerte die Leitende Amtsärztin aus Neumünster, Alexandra Barth, den fachlichen Wunsch, alle Rückkehrer aus Risikogebieten nach einem ersten Test für eine Woche in Quarantäne zu schicken, sie danach erneut zu testen und erst dann nach einem negativen Ergebnis aus der Quarantäne zu entlassen. Garg begrüßte ein Verfahren mit zwei Tests. Ein solches werde geprüft.

Am Donnerstag zeigte sich die Heider Innenstadt trotz der gestiegenen Corona-Zahlen ziemlich entspannt. In den Fußgängerzonen rund um Deutschlands größten Marktplatz war kaum jemand mit Mundschutz zu sehen. Ein Monteur begrüßte eine Bekannte, die er lange nicht gesehen hatte, mit inniger Umarmung. Andere waren vorsichtiger. "Wir tragen die Maske und vermeiden Menschengruppen", sagte die Mutter einer Sechsjährigen. Sie gehe möglichst selten einkaufen und desinfiziere unterwegs immer wieder ihre Hände. "Wir nehmen die Corona-Regeln sehr ernst", bestätigte die Tochter.