Kiel. Weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein: Im Juli sind 98 800 Arbeitslose gemeldet und damit 2100 mehr als im Juni. Im Vergleich zum Juli 2019 steigt die Zahl der Arbeitslosen um 22,9 Prozent. Doch es gibt nicht nur negative Aspekte.

Die Corona-Krise hat auch im Juli dem Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein schwer zugesetzt. Die Zahl der Arbeitslosen stieg im Vergleich zum Juli des Vorjahres um 18 400 auf 98 800 - das ist eine Zunahme um 22,9 Prozent, wie die Arbeitsagentur Nord am Donnerstag mitteilte. Die Arbeitslosenquote beträgt nun 6,3 Prozent, im Juli 2019 hatte sie 5,1 Prozent betragen. Auch im Vergleich zum vergangenen Monat nahm die Arbeitslosigkeit weiter zu: Im Juli meldeten sich 2100 Arbeitslose mehr als im Juni. Im Juni hatte die Arbeitslosenquote bei 6,1 Prozent gelegen, sie war also 0,2 Prozent niedriger als im Juli.

Die Chefin der Arbeitsagentur Nord, Margit Haupt-Koopmann, sagte, die Arbeitsmarktzahlen seien trotz Corona und der jahreszeitlich typischen Sommerflaute positiver ausgefallen als erwartet. So sei im Juli nicht nur der saisonal übliche Anstieg der Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat weniger stark ausgefallen als im Vorjahr. Gleichzeitig habe es im Vormonatsvergleich erneut - wie schon im Juni - ein Plus bei der Personalnachfrage gegeben - um knapp 200 auf 4400 Stellen, das ist ein Plus von 4,4 Prozent im Juli.

Seit Jahresbeginn ist die Zahl der angebotenen offenen Stellen allerdings drastisch um 9500 auf 31 000 gesunken - ein minus von 23,5 Prozent.

Das Instrument Kurzarbeit hat seit Beginn der Corona-Krise im März eine noch höhere Arbeitslosigkeit verhindert. Seit März haben in Schleswig-Holstein 29 700 Betriebe für 344 000 Beschäftigte Kurzarbeit angezeigt. "Das sind 37,2 Prozent aller Betriebe mit mindestens einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigen", sagte Haupt-Koopmann. "Die Schwerpunkte liegen im Einzelhandel, der Gastronomie und im Gesundheitswesen."

Seit Januar bis zum 26. Juli hat die Arbeitsagentur nach Angaben Haupt-Koopmanns 284,8 Millionen Euro Kurzarbeitergeld an Unternehmen in Schleswig-Holstein gezahlt. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es nur 2,2 Millionen Euro gewesen. "Das zeigt, dass wir in einer außerordentlichen Situation sind und das Instrument der Kurzarbeit nicht hoch genug schätzen können."

Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) resümierte: "Der Anstieg der Arbeitslosenzahlen ist zum einen saisontypisch, zum anderen sehen wir weiterhin die Auswirkungen durch Corona." In den touristisch geprägten Regionen gehe die Arbeitslosigkeit mit Beginn der Urlaubssaison leicht zurück. Die aktuellen Entwicklungen im Kreis Dithmarschen - dort sind die Corona-Zahlen stark gestiegen - zeigten allerdings, "dass wir weiterhin sehr wachsam bleiben müssen".

Die Zunahme der arbeitslosen jungen Menschen um 230 auf 2080 (12,6 Prozent Anstieg) ist laut Buchholz und Haupt-Koopmann unter anderem auf die Absolventen der Schul- und Berufsausbildungen zurückzuführen. Die jungen Menschen seien gerade jetzt eine Chance für jeden Betrieb, sich die nötigen Fachkräfte zu sichern, sagte Buchholz. Er appellierte an alle Unternehmen, auch von den Ausbildungsprämien des Bundes Gebrauch zu machen.

In Schleswig-Holstein sind der Arbeitsagentur zufolge 7300 unbesetzte Ausbildungsplätze gemeldet. Ihnen stehen 5400 unversorgte Jugendliche gegenüber. Speziell im Einzelhandel und im Handwerk sind noch viele Ausbildungsplätze unbesetzt. Wegen der Corona-Pandemie und ausgesetzten Entscheidungsprozessen gebe es einen Zeitverzug von sechs bis acht Wochen. "Der Aufholprozess läuft auf Hochtouren und es sieht so aus, dass wir glimpflich davonkommen", zeigte sich Haupt-Koopmann zuversichtlich. Viele Unternehmen hätten weiterhin eine hohe Ausbildungsbereitschaft.

"Die Auswirkungen der Corona-Krise sind noch nicht überwunden", betonte Buchholz. In vielen wirtschaftlichen Bereichen, etwa dem Export, sei die Nachfrage "immer noch verhalten". Kurzarbeit verhindere zwar einen weiteren Anstieg der Arbeitslosenzahl, sei langfristig aber keine Lösung. "Es ist zu hoffen, dass das Infektionsgeschehen weiterhin auf niedrigem Niveau bleibt, damit Wirtschaft und Arbeitsmarkt weiter an Fahrt gewinnen können."

Auf die Frage, wie lange die Arbeitslosenzahl noch steigen werde, antwortete Haupt-Koopmann: "Das wird entscheidend davon abhängen, ob wir eine zweite Infektionswelle bekommen." Es komme auch darauf an, wie das Konjunkturpaket des Bundes und die Länderhilfen wirken, sich die Insolvenzen entwickeln und ob die Dauer der Kurzarbeit von 12 auf maximal 24 Monate verlängert werde, wie dies im Gespräch sei.

Unter den Kreisen haben Stormarn mit 4,2 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote und Dithmarschen und Steinburg mit je 6,3 Prozent die höchste. Bei den kreisfreien Städten verbuchen Lübeck mit 8,7 Prozent den besten und Flensburg mit 10 Prozent den schlechtesten Wert.