Schleswig. Schlappe für den Landtag vor dem Oberverwaltungsgericht. Das Parlament muss eine Liste geheimer Rechtsgutachten seines Wissenschaftlichen Dienstes offenlegen. Geklagt hatte ein Piratenpolitiker.

Der Landtag muss die Liste der Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes der vergangenen Wahlperiode offenlegen. Der 4. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) gab am Donnerstag der Klage eines Kommunalpolitikers der Piratenpartei vollumfänglich statt, wie ein Gerichtssprecher sagte. Eine Revision gegen die Entscheidung ließ das Gericht nicht zu.

Kläger Sven Stückelschweiger hatte von Landtagspräsident Klaus Schlie (CDU) die Herausgabe eines Verzeichnisses aller 185 Rechtsgutachten der Wahlperiode 2012 bis 2017 verlangt. Konkret muss der Landtag nun eine Liste von 82 bisher geheimen Rechtsgutachten herausgeben. Im Oktober 2017 war der ehemalige Generalsekretär des Landesverbands der Piratenpartei damit vor dem Verwaltungsgericht gescheitert.

Laut OVG hat der Kläger aufgrund des Informationszugangsgesetzes Anspruch auf die Liste. Beim Landtagspräsidenten handele es sich um eine auskunftspflichtige Stelle, da es sich bei ihm um eine Behörde handele. Bei ihr sei auch der Wissenschaftliche Dienst angesiedelt.

Eine 2017 vom Landtag beschlossene Ausnahmeregelung für die gutachterliche und rechtsberatende Tätigkeit des Dienstes gegenüber den Fraktionen müsse so ausgelegt werden, dass diese nur für die laufende Legislaturperiode gelte, entschied das Gericht. Ein zeitlich unbegrenzt wirkender Ausschluss wäre mit dem Transparenzgebot in Artikel 53 der Landesverfassung nicht vereinbar.

Hintergrund ist eine 2017 vom Landtag beschlossene Gesetzesänderung. Unter anderem wurde darin geregelt, dass die Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes weiterhin der Öffentlichkeit verschlossen bleiben. Die Piraten halten diese Änderung für verfassungswidrig.

Ein Sprecher des Landtags wollte sich nicht zu der Entscheidung äußern, sondern erst die Urteilsbegründung abwarten. Die Anwälte des Parlaments hatten vor Gericht argumentiert, bereits aus den Titeln der Rechtsgutachten gehe hervor, mit welchen Themen sich die Fraktionen beschäftigen. Zudem bestehe eine Gefahr von Missdeutungen. Allerdings sei im fraglichen Zeitraum mehr als die Hälfte der Gutachten veröffentlicht worden, beispielsweise wenn die Gutachten Thema im Plenum oder in den Ausschüssen waren, beziehungsweise wenn Fraktionen Gutachten veröffentlich hätten.

Der Piraten-Europaabgeordnete und ehemalige Fraktionschef im Landtag, Patrick Breyer, sprach von einem Sieg auf ganzer Linie. "Das Schweigekartell aus CDU, SPD, Grünen, FDP und SSW ist damit gescheitert, gutachterlich attestierte Rechts- und Verfassungsverstöße von Regierung und Landtag vertuschen zu wollen." Den Landtagspräsidenten forderte er auf, die Rechtsgutachten ins Netz zu stellen. Dies täten längst alle anderen Landesparlamente mit Wissenschaftlichem Dienst. "Schleswig-Holstein hat es nicht verdient, Transparenz-Schlusslicht zu sein." Es gehe um Kontrolle der Volksvertreter.

Kläger Stückelschweiger warf dem Landtag vor, sich mit Händen und Füßen gegen die Herausgabe gewehrt zu haben. "Es wird Transparenz gepredigt und in der Verfassung verankert - doch sobald es unangenehm wird, versucht man mit einfacher Gesetzgebung wieder zurückzurudern."