Itzehoe/Kiel. Erstmals liegt mit Steinburg im Norden ein Kreis über der von Bund und Ländern festgelegten Obergrenze für Corona-Infektionen. Grund dafür sind zahlreiche Ansteckungen in einem Schlachthof. Die Einrichtung, in der die Mitarbeiter wohnen, steht unter Quarantäne.

Mit 87 bestätigten aktuellen Corona-Infektionen hat der Kreis Steinburg die von Bund und Ländern festgelegte Grenze von 50 Neuinfizierten je 100 000 Einwohnern überschritten. Die stark gestiegene Zahl von Infektionen gehe auf ein lokal begrenztes Ausbruchsgeschehen im Zusammenhang mit einem Schlachthof zurück, sagte ein Sprecher des schleswig-holsteinischen Gesundheitsministeriums am Freitag.

Die meisten Infizierten sind Beschäftigte des Schlachthofes in Bad Bramstedt (Kreis Segeberg), der einen großen Teil der ausländischen Mitarbeiter auf dem Gelände einer Kaserne im Kreis Steinburg in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht hat. Bereits seit Ausbruch der ersten Fälle stehe die Unterkunft unter Quarantäne, sagte eine Sprecherin des Kreises Steinburg. Die Zahl der positiv Getesteten in dem Schlachthof war am Donnerstag auf 109 gestiegen.

Bei lokalen und eingrenzbaren Infektionsgeschehen beziehen sich die Schutzmaßnahmen nach Angaben der Landesregierung nur auf die betroffenen Einrichtungen. Das sei im Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom Mittwoch so vorgesehen. Der Kreis Steinburg habe deshalb entsprechende Schritte eingeleitet. Dazu gehörten die Nachverfolgung der Kontakte und strenge Quarantänemaßnahmen.

Der Grenzwert für den Kreis mit 131 000 Einwohnern liegt den Angaben zufolge bei 66 Neuinfektionen. Insgesamt gab es im Kreis Steinburg 164 positiv bestätigte Covid-19-Fälle. Von diesen seien 74 wieder genesen und 3 gestorben.

Der Grünen-Landtagsabgeordnete Joschka Knuth sagte der Deutschen Presse-Agentur, "die vielen Corona-Infektionen bei den Beschäftigten des Schlachthofes sind ein Desaster für die Schlachthofbetreiber". Nötig seien dringend weitere Arbeitsschutz-Kontrollen in allen Schlachthöfen im Land und eine kritische Prüfung der Hygieneschutzkonzepte. "Wir brauchen zudem dringend mehr rechtliche Handhabe, um auch die Wohnsituation der Beschäftigten besser kontrollieren zu können." Ein Wohnraumaufsichtsgesetz wäre hilfreich. Die hohen Infektionszahlen dürften nicht dazu führen, dass die Infizierten vor Ort stigmatisiert werden. Laut Landwirtschaftsministerium gibt es in Schleswig-Holstein derzeit etwa 50 Schlachtbetriebe, darunter sechs, sieben größere wie der in Bad Bramstedt.

In Deutschland gibt es weitere Kreise, die über dem Wert von 50 Infektionen liegen. So wurde im Kreis Coesfeld in Nordrhein-Westfalen nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) der Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche überschritten. Er lag am Freitag (Stand: 0.00 Uhr) bei 52,7. Das Virus hatte sich zuletzt vor allem in dem fleischverarbeitenden Betrieb Westfleisch in Coesfeld ausgebreitet. 129 Infizierte waren am Donnerstag nach Kreisangaben erfasst worden. Alle 1200 Beschäftigten des Standortes sollten auf das Virus getestet werden.

Der Landkreis Greiz in Thüringen hat ebenfalls die als Obergrenze angesehene Infektionszahl überschritten. Greiz registrierte nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI; Stand 7.5., 0.00 Uhr) 80,5 Infektionen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen.

Bund und Länder hatten sich am Mittwoch darauf verständigt, dass zahlreiche im Zuge der Corona-Krise verfügte Einschränkungen des öffentlichen Lebens wieder gelockert werden - bei einer Überschreitung dieser Obergrenze aber umgehend wieder ein Beschränkungskonzept umgesetzt werden muss.