Eine repräsentative Studie des Bonner Virologen Hendrik Streeck erlaubt es jetzt erstmals, die Zahl der tatsächlich mit dem Coronavirus infizierten Menschen in Deutschland hochzurechnen. Streeck forscht seit Anfang März in der Gemeinde Gangelt in Heinsberg, einem Corona-Hotspot in Nordrhein-Westfalen, und hat dort Daten von 919 Personen aus 405 Haushalten analysiert.
Sein wichtigstes Ergebnis: Die sogenannte Infektionssterblichkeitsrate liegt bei 0,37 Prozent. Mit der Hilfe dieses Wertes lassen sich auch für andere Regionen realistische Infizierten-Zahlen errechnen. „Die Infektionssterblichkeitsrate, kurz IFR, ist eine Eigenschaft des Virus“, sagte Streeck der „FAZ“. Sie lasse sich im Gegensatz zur Dunkelziffer auf ganz Deutschland übertragen, wobei man natürlich demographische Unterschiede berücksichtigen müsse.
Virologe vermutet sehr hohe Corona-Dunkelziffer
Wendet man den Wert auf Hamburg an, ergibt sich, dass die Zahl der bisherigen Corona-Fälle nicht bei 4834 liegt, wie aus den bisher bisher positiv ausgefallenen Tests auf das Virus hervorgeht, sondern bei rund 44.600. Für Deutschland hat Streeck errechnet, dass „bei einer angenommenen IFR von 0,37 Prozent schon mehr als 1,8 Millionen mit Sars-CoV-2 infiziert sein müssten“.
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Damit ist die Dunkelziffer, wie von vielen Wissenschaftlern angenommen, bei der neuartigen Erkrankung sehr hoch. Was auch daran liegt, dass sie bei vielen Menschen sehr milde verläuft – oder sie gar nicht merken, dass sie das Virus in sich tragen: In der Streeck-Studie hatten 22 Prozent der Infizierten gar keine Symptome.
Ansteckungsrisiko innerhalb von Familien gering
Auch interessant: Das Team um den Bonner Virologen hat festgestellt, dass das Risiko, sich in einem Haushalt bei einer bereits erkrankten Person anzustecken, bei 15 Prozent liegt. Das erklärt die Beobachtung aus vielen Hamburger Familien, in denen es nach den Skiferien einen Corona-Fall gegeben hatte, sich aber andere Familienmitglieder trotz zweiwöchiger Quarantäne nicht ansteckten.
Schlechte Nachrichten hatte Streeck für alle Hamburger Club- und Discothekenbesitzer oder Konzertveranstalter: Denn in der Studie wurde auch herausgefunden, dass bei Events wie dem Karneval, bei denen die Menschen sehr eng zusammen sind, höhere Dosen des Virus übertragen werden – und das zu deutlich schwereren Krankheitsverläufen führt.
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