Kiel. Erst Lob, dann moderate Kritik und jetzt harsche Worte - die Oppositionsblicke auf die Regierung in Kiel verändern sich im Verlauf der Corona-Krise. SSW-Fraktionschef Harms bescheinigt der Regierung Konzeptionslosigkeit.

Das Agieren der schleswig-holsteinischen Landesregierung in der Corona-Krise stößt in der Opposition zunehmend auf Kritik. "Wir schütteln schon mal den Kopf", sagte SSW-Fraktionschef Lars Harms der Deutschen Presse-Agentur. "Zum Anfang hat die Regierung die Opposition und die Betroffenen schnell informiert und notwendige Maßnahmen mit ihnen abgestimmt - das hat sehr gut geklappt." Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) hätten da sehr gute Arbeit gemacht. "Danach brach so ein bisschen das Chaos aus", sagte Harms. So habe Bildungsministerin Karin Prien (CDU) die "wildesten Vorschläge" gemacht, ohne sich mit anderen Ressortchefs in Deutschland abzustimmen.

Harms bezog sich damit auf Priens Vorstöße für einen Verzicht auf Abiturprüfungen in diesem Jahr und für Samstagsunterricht bis zum Sommer. "Da waren wir schon ein bisschen konsterniert", sagte Harms. "Uns hat da auch nicht beruhigt, dass auch die Koalitionäre nichts davon wussten." Das sei irgendwie sehr merkwürdig gewesen.

"Auch der letzte Schnellschuss von Wirtschaftsminister Bernd Buchholz, eine Sonntagsöffnung von Geschäftsleuten zu veranlassen, damit die Leute auch wirklich ganz schnell Corona kriegen können, ist wirklich irre", sagte Harms. "Wir haben uns darüber gefreut, dass viele von den Geschäftsleuten gesagt haben: Wir machen gerade aus diesem Grund nicht auf - da waren die Geschäftsleute vernünftiger als der zuständige Minister." Die Regierung hatte den Schritt damit begründet, das Einkaufsgeschehen solle entzerrt werden. Auch die SPD hat sich in jüngster Zeit wieder kritischer über die Regierung geäußert als zu Beginn der Corona-Krise

Harms bekräftigte die Aufforderung an die Regierung gemeinsam mit der Opposition ein Konzept für die nächsten Schritte in der Corona-Krise abzustimmen. "Wir wissen bis heute nichts, was irgendwie im Tourismus passieren könnte", kritisierte Harms. Abgesehen von der Ankündigung, dass Zweitwohnungsbesitzer eventuell am 4. Mai wieder in diese Wohnungen dürften, gebe es nichts. "Was mit normalen Touristen passiert, mit der Gastronomie, mit Dauercampern, mit Nicht-Schleswig-Holsteinern, die ihre Boote mal zu Wasser lassen wollen - alle solche Fragen bleiben unbeantwortet."

Für diese und andere wichtige Bereiche gebe es kein Konzept, rügte Harms. Die Landesregierung sei nicht in der Lage, den Leuten transparent zu sagen, was in Zukunft geschehen wird. Besonders vordringlich sei es jetzt, Tourismus und Gastronomie schrittweise anfahren zu lassen, mit Abstandsregeln und Hygienekonzepten.

Es müsse auch genau geregelt werden, wie es mit dem Schulunterricht weitergehen soll. "Nach unserer Auffassung wäre es klug, diejenigen zu Hause zu lassen, die digital lernen können." Wer dies nicht könne, oft Kinder und Jugendliche aus ärmeren Elternhäusern, sollte in der Schule unterrichtet werden, von Lehrern, die keiner Risikogruppe angehören.

"Es wäre auch ganz wichtig, unter Auflagen zuzulassen, dass Eltern mit ihren Kindern wieder auf den Spielplatz gehen können." Eltern mit einer 80-Quadratmeter-Mietwohnung ohne Balkon wünschten sich nichts sehnlicher, als dass ihre zwei oder drei Kinder wieder an der frischen Luft spielen können. "Die Landesregierung muss gewährleisten, dass dies ab Anfang Mai wieder möglich ist."