Kiel. Wegbrechende Einnahmen, höhere Kosten: Die fünf größten Städte in Schleswig-Holstein fordern wegen der Corona-Krise einen finanziellen Rettungsschirm für die Kommunen. Allein Kiel befürchtet mindestens 100 Millionen Euro Einbußen und dadurch neue Schulden.

Die fünf größten Städte in Schleswig-Holstein befürchten massive finanzielle Ausfälle in der Corona-Krise und fordern daher einen finanziellen Rettungsschirm für die Kommunen. Die Landeshauptstadt Kiel rechnet mit mindestens 100 Millionen Euro weniger Einnahmen, ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Flensburg befürchtet ein Minus in Höhe eines ein- bis zweistelligen Millionenbetrags. Lübeck, Neumünster und Norderstedt haben noch keine bezifferbaren Prognosen, sehen aber dringenden Handlungsbedarf.

Neumünsters Oberbürgermeister Olaf Tauras (CDU) verwies darauf, dass eine Belastung wie in der Wirtschafts- und Finanzkrise vor gut zehn Jahren sich im Haushalt der Stadt mit zehn bis zwanzig Millionen Euro niederschlagen würde. Der Haushalt sei "nicht risikofest genug, um in einer solchen außerordentlichen Krise die erhöhten Aufwendungen oder drohende Steuerausfälle alleine tragen zu können". Aufträge und Umsätze vieler Firmen seien eingebrochen, vermehrt wurde Kurzarbeit angemeldet. Dies werde sich für die Stadt bei der Gewerbesteuer oder dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer niederschlagen.

Ähnlich sehen dies die anderen vier Städte. "Massive Mindererträge bei Steuern, Gebühren und Erlösen sowie gravierende Mehraufwendungen für Sozialleistungen und für den Gesundheitsschutz werden den Haushalt der Landeshauptstadt Kiel in voraussichtlich mit mindestens 100 Millionen Euro belasten", prognostizierte Kiels Kämmerer Christian Zierau. Strukturelle Hilfen für einen mittelfristigen Zeitraum durch das Land sowie den Bund für die Kommunen seien dringend notwendig. Sie könne diese Forderungen nur unterstreichen, sagte eine Sprecherin der Stadt Lübeck.

Auch Flensburg habe sehr zeitig einen Rettungsschirm gefordert, da die Auswirkungen auf die häufig ohnehin schon unter Druck stehenden kommunalen Haushalte immens sein werden, sagte ein Stadtsprecher. Dies Auswirkungen dürften voraussichtlich auch lange andauern. "Um die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu erhalten, müssen finanzielle Ausgleichsmechanismen gefunden werden", forderte der Stadtsprecher.

Norderstedts Oberbürgermeisterin Elke Christina Roeder (SPD) verwies auf die finanziell gute Lage der Stadt im Speckgürtel Hamburgs, betonte aber dennoch: "Ich teile die Forderungen nach einem solchen Rettungsschirm für Kommunen - weil nicht jede Stadt oder Gemeinde in Schleswig-Holstein finanziell so gut aufgestellt ist wie Norderstedt."

Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) fordert bereits in diesem Jahr wirksame Unterstützung: "Zum Beispiel könnte kurzfristig eine Erhöhung der Finanzausgleichsmasse im kommunalen Finanzausgleich durch das Land erfolgen und zu einem Kommunalen Rettungsschirm beitragen. Wir schließen uns deshalb der Forderung des Deutschen Städtetages an und begrüßen einen Kommunalen Rettungsschirm in Schleswig-Holstein, um die Handlungsfähigkeiten der Kommunen zu erhalten."

Auf die Frage, ob bereits Streichungen kommunaler Leistungen vorgesehen seien, antworteten die Städte unterschiedlich. Kiel will Leistungen nicht kürzen und Mehrausgaben durch höhere Schulden kompensieren. Lübeck kündigte an, das Investitionsprogramm für 2020 konsequent umzusetzen. Norderstedts Oberbürgermeisterin Roeder betonte: "Wir denken in Abstimmung mit der Politik darüber nach, Vorhaben eventuell nach hinten zu verschieben - sind aber in der glücklichen Lage, anders als andere Kommunen nicht jetzt schon den Rotstift ansetzen zu müssen."

Für Neumünster hielt sich Oberbürgermeister Tauras bedeckt: "Die finanziellen Folgen werden erheblich sein." Es noch zu früh, um abzuschätzen, mit welchen finanziellen Folgen und welchen Konsequenzen die Stadt umgehen müsse. "Mit der weiteren Konkretisierung müssen wir in einen Dialog von Verwaltung und Politik eintreten, ob und wie die in normalen Zeiten geplanten Maßnahmen und Schwerpunkte im Haushalt verändert werden müssen."

Die Stadt Flensburg will nach der kritischen Phase einen zweiten Nachtragshaushalt aufstellen, "in dem eine klare Priorisierung für zukünftiges Handeln gefunden wird".

Bislang hat das Land an Zuschüssen für die Kommunen in Schleswig-Holstein wegen der Krise 50 Millionen Euro zur Kompensation von ausfallenden Kita-Beiträgen für zwei Monate zugesagt sowie 20 Millionen Euro an die Träger für den Ausfall von Beiträgen für die Ganztagsbetreuung an Schulen für zwei Monate.

Zur Forderung des stellvertretenden Bundestagsfraktionsvorsitzenden der Linken, Fabio De Masi, Aufgaben, die den Kommunen in der Krise durch den Bund zugewiesen werden, müssten von Bund und Ländern finanziert werden, twitterte Finanzstaatssekretär Wolfgang Schmidt: "Wir arbeiten dran."