Kiel. Ende der Woche will die Regierung über mögliche Lockerungen der Corona-Auflagen entscheiden. Priorität habe der Schutz vorerkrankter und älterer Menschen, sagt Ministerpräsident Günther. Die Regierung plane einen “Phasenplan“ bei der Rückkehr zu Normalität.

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat vor den Gesprächen der Regierungschefs über mögliche Lockerungen bei den Corona-Auflagen vor zu hohen Erwartungen gewarnt. Die Schleswig-Holsteiner müssten sich in der "Phase des Hochfahrens" weiter auf Einschränkungen einstellen, sagte Günther am Dienstag. "Wir werden einen Phasenplan als Landesregierung entwickeln, um eine klare Perspektive zu geben." Die Menschen müssten abschätzen können, ab wann was wieder möglich sein werde.

Beim Wiederhochfahren des öffentlichen Lebens spielt für die Landesregierung neben dem Verlauf des Infektionsgeschehens auch die Auslastung der Krankenhäuser eine Rolle. "Immer steht im Mittelpunkt, Menschen mit Vorerkrankungen, ältere Menschen zu schützen", sagte Günther. Die Landesregierung werde vor den Gesprächen der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) definitiv keine Entscheidungen treffen.

"Wie es in Schleswig-Holstein ab dem 20 April weitergeht", werde die Jamaika-Koalition am Donnerstag beraten und das Kabinett am Freitag entsprechende Regelungen verabschieden, sagte Günther. Die Erwartungshaltung solle "möglichst gedämpft sein", die Regierung werde Entscheidungen mit Augenmaß treffen. Der Regierungschef geht davon aus, dass in einigen Bereichen bundesweit einheitlich vorgegangen wird. Als Beispiel nannte er die Regeln für Kitas und Schulen.

Auch SPD-Oppositionsführer Ralf Stegner setzt auf ein abgestimmtes Vorgehen. "Ziel muss es sein, dass es in Deutschland gelingt, eine weitgehend bundesweit einheitliche, nachvollziehbare und gut begründete und erklärte Exitstrategie zu erreichen."

Die Zahl der gemeldeten Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus ist im Norden auf 2162 gestiegen. Laut Landesregierung waren das bis Montagabend 27 Fälle mehr als nach der Meldung vom Vortag. Die Zahl der Todesfälle erhöhte sich seit der letzten offiziellen Meldung von 45 auf 49. Derzeit werden 151 Corona-Patienten in Kliniken behandelt, ein Minus von 6 zum Vortag. Mit Stand Dienstag waren 52 Prozent der 896 Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit belegt - sprich 430 Betten waren weiter frei.

Noch nicht enthalten war in den Zahlen der Regierung das Infektionsgeschehen in einer Pflegeeinrichtung in Rümpel (Kreis Stormarn). Dort wurden 53 der 70 Bewohner und 19 der 60 Mitarbeiter positiv auf Covid-19 getestet. Bisher seien keine schweren Erkrankungen festgestellt worden und es sei auch kein Infizierter im Krankenhaus, sagte Amtsarzt Jörg Günther. Entscheidend dürfte die zweite Woche nach der Infektion werden, ob jemand von einer schweren Verlaufsform verschont bleibe.

Das Durchschnittsalter der Bewohner beträgt nach Angaben von Heimleiter Daniel Schöneberg bei 81 Jahren. Wie das Virus in die Pflegeeinrichtung für Demenzkranke und psychisch Auffällige genau kam, ist laut Amtsarzt Günther ungeklärt. Eine Mitarbeiterin habe am 3. April noch in dem Heim gearbeitet, am Tag darauf, einem Samstag, habe sie Krankheitssymptome festgestellt. Nachdem die Mitarbeiterin positiv getestet worden war, sollten alle Bewohner und Mitarbeiter getestet werden. Ein Großteil wurde bereits getestet.

"Ich denke, die Zahlen der positiv Getesteten werden noch steigen", sagte Günther. Es sei nicht zwangsläufig so, dass die erste festgestellte infizierte Mitarbeiterin das Virus ins Heim getragen haben müsse. Denn nachdem sie positiv getestet worden sei, seien innerhalb weniger Tage 72 Infizierte nachgewiesen worden. "Es war keine Dynamik feststellbar, wir hatten einen Fall und dann sofort 72 Fälle." Er verteidigte die Entscheidung, dass auch infizierte Pflegekräfte weiterhin in der Einrichtung infizierte Bewohner betreuten. Dies liege daran, dass Demenzkranke auf vertraute Pflegekräfte angewiesen seien.

Noch unklar ist unterdessen, wann und wie an den Schulen im Land wieder Unterricht stattfinden wird. Bildungsministerin Karin Prien (CDU) will die Gespräche der Regierungschefs abwarten. "Dann wird sich die Landesregierung auf Grundlage unserer umfangreichen Vorarbeiten mit der Frage befassen, wie wir das Beschlossene in Schleswig-Holstein umsetzen können", sagte Prien der Deutschen Presse-Agentur.

Die Krise sei noch nicht überwunden. "Das erfordert ein allmähliches und stufenweises Vorgehen, langsam die Schulen wieder zu öffnen. Dabei geht es im Moment vor allem darum, die Abschlussprüfungen zu ermöglichen", sagte Prien. Der Fokus liege auf der Vorbereitung der Schüler für den einfachen und den mittleren Schulabschluss. Die schriftlichen Prüfungen für das Abitur sollen nach aktueller Planung am 21. April beginnen.

Nach Ansicht des SPD-Schulpolitikers Kai Vogel wird es an den Grundschulen fast unmöglich sein die Abstandsregelungen einzuhalten: "Priorität bei der Wiederaufnahme des Schulbetriebes sollten insgesamt Kinder und Jugendliche haben, die vor Weichenstellungen ihrer Bildungslaufbahn wie Prüfungen oder dem Wechsel in eine andere Schulart stehen.". Auch die Gesundheit der Lehrer müsse geschützt werden.

Seit Dienstag können auch Betriebe mit 10 bis 50 Mitarbeitern Zuschüsse beantragen. "Damit bieten wir 98 Prozent aller Betriebe in Schleswig-Holstein ein Zuschuss-Programm - und parallel sowie ergänzend dazu mehrjährig zinslose Darlehen aus dem Mittelstands-Sicherungsfonds für die besonders hart getroffenen Betriebe der Gastronomie und des Beherbergungsgewerbes", sagte Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP).

Wegen der Corona-Krise kommt der Landtag unterdessen am Freitagnachmittag (15.00 Uhr) zu einer Sondersitzung zusammen. Thema ist dann eine Regierungserklärung von Ministerpräsident Günther zu den künftigen Corona-Auflagen.