Hamburg. Stellen Sie sich vor, es ist Corona-Krise, endlich Zeit zum Lesen - und dann hat Ihr Buchladen zu. Ausgerechnet jetzt, wo die neuen Bücher des Frühlingsprogramms erscheinen sollten. Verlage fürchten herbe Verluste, Händler schwingen sich aufs Rad.

Die Buchläden sind dicht und große Online-Versandhändler bestellen Bücher eher zurückhaltend oder gar nicht mehr - vielen Verlagen im Norden hat die Corona-Krise ihr Frühjahrsprogramm komplett torpediert. Der Hamburger Landesverband des Börsenvereins des deutschen Buchhandels geht von 40- bis 80-prozentigen Einbußen aus. "Derzeit werden viele Bestellungen storniert, und es ist noch nicht klar wie viele Buchhandlungen, Zwischenbuchhändler und Versender vorzeitig und aus finanzieller Not remittieren (zurückschicken) müssen", sagte Mitgeschäftsführer Volker Petri der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg.

Um sowohl Verlage als auch örtliche Buchhandlungen in der Krise zu unterstützen, hofft Petri auf Aufträge durch die Stadt. "Hier ist es wichtig, dass die öffentliche Hand in Form von Bibliotheken und Schulen ihre Erwerbungsetats aufstocken und vor allem die lokalen Buchhandlungen mit Aufträgen bedenkt." So lasse sich die Struktur im Buchhandel erhalten, ohne dass eine Alimentierung über Soforthilfen nötig wäre. Hamburg gilt als einer der wichtigsten Verlagsstandorte in Deutschland.

Im Oetinger-Verlag sollten in zwei Wochen viele Bücher und Produkte rund um den 75. Geburtstag von Pipi Langstrumpf in den Handel kommen. Der Hamburger Verlag hat den Termin nun auf Mai geschoben. Auch viele andere vorfinanzierte Titel hängen im Lager fest. "Erste Kunden haben ihre Bestellungen bereits deutlich gekürzt oder haben diese auch komplett storniert. Das heißt, die Rückgänge, mit denen der Handel nun zu kämpfen hat, potenzieren sich bei den Verlagen um ein Vielfaches", sagte Oetinger-Vertriebsgeschäftsführer Thilo Schmid der Deutschen Presse-Agentur.

Er geht davon aus, dass die Corona-Folgen für die Branche "gravierend" sein werden und "die sensible, bereits angegriffene Buchhandelsstruktur" vor große Herausforderungen stellen und sie vermutlich nachhaltig verändern werde. "An vielen Stellen werden sehr unangenehme Entscheidungen notwendig sein." Er rief deshalb alle Leserinnen und Leser auf, "wo immer möglich, weiterhin lokal bei Ihren Buchhandlungen zu bestellen und diese in dieser schwierigen Situation zu unterstützen". Viele Buchhändler nehmen die Bestellungen online und telefonisch auf und liefern dann teils sogar persönlich mit dem Rad aus.

"Wer unsere einzigartige Buchhandelslandschaft über die Krise hinaus erhalten will, sollte das unbedingt bedenken", ergänzt Tim Jung, Verleger des Hamburger Verlages Hoffmann und Campe. Alle für den April angekündigten Titel sollten wie geplant erscheinen. "Ich halte es für einen Fehler der Politik, einerseits die Grundversorgung der Bevölkerung sichern zu wollen, andererseits aber Buchhandlungen die Schließung aufzuerlegen. Bücher sind ein geistiges Grundnahrungsmittel, das in diesen Tagen ganz besonders wichtig ist", sagte Jung zudem.

Der Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, Alexander Skipis, fordert zudem mehr als die bereits beschlossenen Hilfsmaßnahmen für die Buchbranche. Aufgrund der geringen Umsatzrenditen seien kaum Finanzpolster vorhanden, viele Buchhandlungen, Verlage, Autorinnen und Autoren sowie Buchlogistiker seien existenziell gefährdet. Auch sollten die Verlage wieder an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden, "damit sie möglichst schon in diesem Jahr mit diesen Einnahmen kalkulieren können".

Aufgrund der Corona-Krise verzeichnet die gesamte Buchbranche nach Einschätzung des Börsenvereins Umsatzeinbußen von monatlich einer halben Milliarde Euro. Bei den Buchhandlungen in Deutschland werden pro Monat insgesamt rund 15 Millionen Euro Mietverbindlichkeiten fällig, denen während der Schließungen keine Umsätze vor Ort entgegenstehen.