Hamburg. Mehr als 40 000 Kleinstunternehmer und Selbstständige haben bereits Anträge auf Corona-Soforthilfen gestellt. Etliche haben auch schon Geld erhalten. Bürgermeister Tschentscher warnt jedoch vor Missbrauch. Die Zahl der Anträge auf Kurzarbeit steigt weiter rasant.

Angesichts von Berichten über Missbrauchsfälle bei den Corona-Soforthilfen hat Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vor Betrügereien gewarnt. Alle Antragsteller müssten sich darauf einstellen, dass auch später noch alle gemachten Angaben kontrolliert werden. "Wer dort betrügt, muss auch mit Sanktionen rechnen", sagte Tschentscher am Donnerstag dem Radiosender NDR 90,3. Inzwischen haben allein in Hamburg mehr als 40 000 Kleinstunternehmer und Selbstständige einen Antrag auf Soforthilfe gestellt. Viele davon seien schon bearbeitet und auch angewiesen, sagte Tschentscher. "Ob aber wirklich alle bis Karfreitag die Überweisung auf ihrem Konto haben, das kann ich nicht sagen."

Immer mehr Unternehmen wollen unterdessen wegen der Corona-Krise ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Bis zum 5. April seien 22 480 Anmeldungen eingegangen, teilte die Hamburger Arbeitsagentur mit. Das war ein Anstieg um 76 Prozent gegenüber dem ohnehin bereits hohen Stand von Ende März. "Kurzarbeit wird branchenübergreifend stark nachgefragt", sagte Agenturchef Sönke Fock. "Die aktuellste Auswertung bestätigt diese Einschätzung leider deutlich."

Aus den Anmeldungen lässt sich noch nicht ableiten, wie viele der rund eine Million Hamburger Arbeitnehmer tatsächlich in Kurzarbeit gehen werden und dann mit 60 (mit Kindern 67) Prozent ihres Nettoeinkommens auskommen müssen. In den Anmeldungen sind kleine und große Firmen enthalten, wie zum Beispiel die Lufthansa Technik mit 8000 Arbeitnehmern. Aus der Anmeldung allein kann auch nicht geschlossen werden, dass die Kurzarbeit tatsächlich umgesetzt wird. Bessert sich die Auftragslage oder werden Beschränkungen aufgehoben, können die Firmen ihre Arbeitnehmer vielleicht weiterbeschäftigen.

Die Zahl der an Covid-19 erkrankten Hamburger stieg derweil seit Mittwoch um 148 auf 3518. Die Zahl der Toten habe sich um 4 auf 33 erhöht, teilte die Gesundheitsbehörde am Donnerstag mit. Insgesamt befänden sich nun 260 Covid-19-Kranke im Krankenhaus. Auf einer Intensivstation liegen 79 Corona-Patienten. Am Vortag waren 252 Covid-19-Kranke in einer Klinik und ebenfalls 79 auf einer Intensivstation. In Anlehnung an die Berechnung des Robert Koch-Instituts (RKI) schätzt die Behörde die Zahl derjenigen, die die Covid-19-Erkrankung bereits überstanden haben, auf etwa 2000. Am Tag zuvor seien es etwa 1900 gewesen. Die nächsten offiziellen Fallzahlen will die Behörde erst wieder am 16. April vorlegen.

In der Debatte um Lockerungen der Corona-Auflagen und Kontaktbeschränkungen warnte Bürgermeister Tschentscher einmal mehr vor voreiligen Schritten. "Meine Position ist, dass wir auf der Grundlage der aktuellen Einschätzung zum Epidemieverlauf prüfen, was man verantwortungsvoll lockern kann." Eine Idee könne sein, Kitas und Grundschulen zuerst zu öffnen. "Sollte sich herausstellen, dass Experten sagen, dass kleine Kinder nicht die Infektionsübertragungen machen, wie man ursprünglich angenommen hat, dann wäre es natürlich schön, dass man mit den Kitas, mit den Grundschulen beginnt." Es sei aber zu früh, dafür Erwartungen zu wecken.

Der Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) sprach sich dagegen für einen Kurswechsel hin zu einer Herdenimmunität aus und plädierte für eine Lockerung der Corona-Auflagen. Da es auf die Schnelle keinen Impfstoff geben werde, müsse einerseits die gefährdete Bevölkerung effektiver als bisher geschützt und andererseits zugelassen werden, "dass sich in der jüngeren Bevölkerung eine natürliche Immunität gegen das Virus entwickelt", sagte Prof. Ansgar Lohse in einem Interview des "Hamburger Abendblatts" (Donnerstag).

"Wir wissen, dass für Kinder und Jugendliche die Erkrankung milde verläuft oder ganz ohne Symptome. Covid-19 ist eine Erkrankung, die vor allem bei Älteren diagnostiziert wird", sagte Lohse. Gerade bei den Kindergärten seien auch die Eltern noch nicht in einem Risikoalter. Eine Öffnung der Kitas ginge aber "nur mit der klaren Ermahnung, dass diese Kinder dann nicht am Abend die Großeltern besuchen".

Tschentscher appellierte erneut an die Bevölkerung, über Ostern auf Familienbesuche zu verzichten. "Es soll nur Kontakte geben, innerhalb der häuslichen Gemeinschaft." An der frischen Luft könne man aber weiterhin mit einer weiteren Person spazieren gehen - nach wie vor mit dem nötigen Sicherheitsabstand. Alles, was dagegen einen Charakter von Fest, Zusammenkunft und Kontakt bedeutet, sollte weiter vermieden werden. "Ein Grillfest im Stadtpark - das geht auf gar keinen Fall!"

Schulsenator Ties Rabe (SPD) bedankte sich derweil in einem Brief an alle Schulen bei den rund 22 000 Lehrkräften der Stadt. "Durch die Hamburger Frühjahrsferien werden unsere Schulen mindestens sieben Wochen lang leer stehen." In keinem anderen Bundesland müsse eine so lange Zeit überbrückt werden. Klar sei, viele Menschen vermissten inzwischen die Schule und blickten nun mit noch größerer Wertschätzung auf die Einrichtungen. Der Grund dafür "sind Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen", schrieb Rabe. Und mit Blick auf die angebliche Technikfeindlichkeit von Lehrern und ihren tatsächlichen digitalen Einsatz während der Corona-Krise betonte der Senator: "Diesen Kritikern haben Sie es in den letzten Wochen aber mal richtig gezeigt! Ich bin restlos begeistert."

Die Hamburger Hochbahn verzeichnet in ihren Bussen und U-Bahnen coronabedingt einen Fahrgastrückgang von rund 70 Prozent. Das Unternehmen befördere derzeit nur noch knapp ein Drittel ihrer sonst üblichen Fahrgäste, sagte eine Hochbahn-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Normalerweise fahren täglich mehr als 1,2 Millionen Menschen mit Bus und Bahn.

Die Hamburger Privattheater erhalten mehr als zwei Millionen Euro aus dem Corona-Schutzschirm des Senats. Mit dem Hilfspaket sollen die Einnahmeverluste der Theater abgefedert werden. Wie die Kulturbehörde mitteilte, bemisst sich die Unterstützung individuell an den erwarteten Verlusten. Dabei würden alle Einsparungen, die durch die Schließung entstehen sowie Förderungen Dritter berücksichtigt.

Die Bischöfe der Nordkirche ermunterten unterdessen dazu, Ostern trotz Corona-Krise zu begehen. Es gebe Anlass genug, Ostern zu feiern, wenn auch dieses Jahr unter nie gekannten Bedingungen, heißt es in einem Schreiben der Bischöfe an die fast 1000 Gemeinden in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein. Der Wechsel der Blickrichtung vom Tod zum Leben hin könne heute heißen: "Wir vergessen die Einsamen nicht, die wirtschaftlich Belasteten, die Menschen auf den Intensivstationen." Ostern heiße: "Dreh dich um und sieh! Und finde das Leben auch unter den eingeschränkten Bedingungen dieser Wochen."