Kiel. Die Zahl der Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus steigt in Schleswig-Holstein. Auch die Anzeigen wegen Verstößen gegen die Auflagen nehmen zu. Unter den Folgen der Krise leidet auch der Tourismus.

Alleine in der vergangenen Woche haben Polizisten 166 Anzeigen wegen Verstößen gegen die strengen Corona-Auflagen in Schleswig-Holstein bearbeitet. Davon wurden 70 Anzeigen am Wochenende aufgenommen, wie eine Polizeisprecherin am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur sagte. Zum Vergleich: In der Woche vom 23. bis 29. März hatte es laut den vorläufigen Lagedaten der Polizei 130 Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz gegeben, davon 41 am Wochenende.

"In aller Regel haben sich viele Menschen auch in der vergangenen Woche einsichtig und kooperativ gezeigt, so dass viele Regelverstöße mit einer direkten Ansprache beendet werden konnten", sagte die Polizeisprecherin. Ende vergangener Woche hatte die Landesregierung mit einem Bußgeldkatalog und weiteren Regelverschärfungen noch einmal nachgelegt. Beispielsweise kosten Verstöße gegen die Kontaktverbote 150 Euro.

Noch mindestens bis 19. April gilt in Schleswig-Holstein ein Einreiseverbot aus touristischem Anlass oder zu Freizeitzwecken. Inseln dürfen nur Einheimische betreten. Urlauber und Gastgeber lassen sich in Ausnahmefällen aber einiges einfallen, um dieses zu umgehen. Laut dem Kreis Nordfriesland auf Sylt fielen etwa Privatvermieter auf, die Touristen mit ihren privaten Fahrzeugen mit NF-Kennzeichen in Niebüll abholten und auf die Insel brachten. Auch in Wyk auf Föhr seien vereinzelt Urlauber angetroffen worden, die durch die Kontrollen schlüpfen konnten.

"Manche Sylter haben sogar zum Schein Arbeitsaufträge erstellt, damit Urlauber unter dem Deckmantel beruflicher Tätigkeit auf die Insel kommen können", sagte Sylts Bürgermeister Nikolas Häckel. Er mahnte: "Sowohl die Polizei als auch unser Ordnungsamt greifen konsequent durch, um unsere Gesundheit und unsere medizinischen Ressourcen zu schützen."

Mittlerweile ist die Zahl der im Land gemeldeten Infektionen mit Covid-19 auf 1830 gestiegen. Nach Angaben der Landesregierung waren das bis Dienstagabend 95 Fälle mehr als nach der Meldung vom Vortag. Die Zahl der Todesfälle erhöhte sich seit der letzten offiziellen Meldung von 24 auf 28. Derzeit werden 153 Corona-Patienten in Kliniken behandelt, ein Plus von 2 zum Vortag.

Ministerpräsident Daniel Günther rechnet nicht mit weitgehenden Lockerungen der Corona-Regeln nach den Osterferien ab 19. April. "Es ist gut möglich, dass es dann erst wenig Erleichterung gibt", sagte der CDU-Politiker der "Wirtschaftswoche". Die Ausnahmesituation werde das Leben über geraume Zeit bestimmen. "Zurzeit sind eher die Älteren getroffen, deren Gesundheit stark gefährdet ist." Sie blieben noch länger eingeschränkt.

Massiv trifft die Krise auch den Tourismus. Das sonst starke Ostergeschäft fällt weg. Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP) hofft auf einen schnellen Neustart. "Ich glaube, dass wir für die nächsten Jahre vielleicht sogar einen Boom des Inlands-Tourismus und damit auch einen Boom bei uns im Land Schleswig-Holstein erleben können", sagte Buchholz der dpa. Von Null auf Hundert werde die Branche aber nicht aufdrehen können. Er glaube an eine gute Wiederbelebung auch schon in diesem Jahr, denn viele würden Auslandsreisen voraussichtlich erst später wieder antreten.

"Für den weltweiten Tourismus wird das Sommergeschäft vermutlich schwierig werden, je nachdem welche Einschränkungen und Reisewarnungen einzelne Länder aufgrund der Covid-19-Pandemie noch mittel- bis langfristiger bestehen lassen", sagte die Geschäftsführerin der Tourismusagentur, Bettina Bunge, dpa. "Wir in Schleswig-Holstein sind zuversichtlich, noch vom Sommergeschäft 2020 profitieren zu können, da wir ein attraktives Kurzreise- und Nahziel sind, dazu viel Natur und Weite für die Gäste bieten können."

Nach Überzeugung von Ärztepräsident Klaus Reinhardt wird der Sommerurlaub aber noch mit massiven Einschränkungen verbunden sein. "Ich glaube nicht, dass die Deutschen in diesem Sommer schon wieder Urlaubsreisen machen können", sagte der Präsident der Bundesärztekammer den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch).

Mit einem Fonds für den Mittelstand in Höhe von 300 Millionen Euro will die Landesregierung Hoteliers und Restaurantbesitzern mit Darlehen helfen, die infolge der angeordneten Schließungen in Existenznot geraten sind. Es seien bereits mehr als 400 entsprechende Anträge von der Tourismusbranche gestellt worden, sagte Buchholz. "Davon waren bis Dienstag schon 250 bewilligt, mit einem Gesamtvolumen von mehr als 38 Millionen Euro." Zusätzlich könnten die Betriebe Zuschüsse von bis zu 30 000 Euro beantragen.

Die Tourismusbranche sei von der Krise besonders stark betroffen, weil sich deren Umsätze nicht nachholen ließen, sagte Buchholz. "Sicherlich ist das der größte Einschnitt seit dem Krieg, den der Tourismus in Schleswig-Holstein erlebt hat." Wann genau die Hotels und Gaststätten wieder öffnen können, sei noch nicht vorhersagbar.

Klar ist dagegen, dass die Abiturprüfungen in Schleswig-Holstein wie angekündigt am 21. April starten und die anderen Abschlussprüfungen im Mai folgen sollen. "Wir schaffen mit den nun festgelegten Regeln einen Rahmen, in dem aus heutiger Sicht die Abschlussprüfungen stattfinden können", sagte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) nach einer Kabinettssitzung. Sicherheit und Gesundheit gingen vor. Prien machte den Schülern Mut: Sie seien gut vorbereitet. "Vertrauen Sie auf Ihr Können!".