Kiel. Mit mehr neuen Schulden will die Landesregierung die Folgen der Corona-Krise in Schleswig-Holstein abfedern. Dazu will sie die Hilfen auf eine Milliarde Euro erhöhen. Für Diskussionen sorgen Polizeikontrollen an der Grenze zu Hamburg.

Wegen der Corona-Krise will Schleswig-Holsteins Landesregierung deutlich mehr Geld in die Hand nehmen als bereits vom Landtag bewilligt. Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) wird einen Nachtragshaushalt vorlegen, der eine Verdopplung der Hilfen auf eine Milliarde Euro vorsieht, wie sie nach Abstimmung mit Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Montag ankündigte. Im März hatte das Parlament in Kiel einen ersten Nachtrag über 500 Millionen Euro beschlossen.

Mittlerweile sind im Land mindestens 1678 Menschen mit dem neuartigen Coronavirus infiziert. Laut Landesregierung waren bis Sonntagabend 40 Fälle mehr als am Vortag nachgewiesen. Die Zahl der Todesfälle erhöhte auf 20. Am Montag meldete die Stadt Kiel aber bereits den 21. Todesfall. Derzeit werden 156 Corona-Patienten in Kliniken behandelt, ein Minus von 6 zum Vortag.

14 Reha-Kliniken hat die Landesregierung vorsorglich bereits zu sogenannten Entlastungskrankenhäusern erklärt. Dorthin sollen künftig Patienten verlegt werden, die nicht an Covid-19 erkrankt sind. Weil von den Krankenkassen für leerstehende Betten nur 60 Prozent der durchschnittlichen Vergütung des Vorjahres vorsehen sind, beschloss die Regierung am Montag, den Reha-Kliniken eine Vorhaltepauschale in Höhe von 50 Euro pro Bett und Tag zu zahlen.

Nach Schätzung des Instituts für Weltwirtschaft kosten die von der Regierung in Kiel verfügten Betriebsschließungen im Handel und bei konsumnahen Dienstleistungen die Unternehmen in Schleswig-Holstein monatlich rund 1,25 Milliarden Euro Umsatz. Dienstleister im Einzelhandel und Tourismus mit 240 000 Beschäftigten seien besonders betroffen und damit fast jeder fünfte Arbeitsplatz im Land.

"Mit einer Erhöhung des Ausgaberahmens auf eine Milliarde Euro haben wir eine gute Grundlage, um weitere notwendige Hilfen Schritt für Schritt und mit Augenmaß auf den Weg zu bringen", sagte Finanzministerin Heinold. 650,5 Millionen Euro sind für konkrete Programme vorgesehen - für Wirtschaft, Gesundheitswesen samt Bonus für Pflegekräfte, Kultur, Bildung und Sport. Zusätzlich plant die Regierung 349,5 Millionen Euro als globale Mehrausgabe ein, um sich für Notsituationen und Folgekosten aus Bundesgesetzen zu wappnen.

SPD-Fraktionsvize Beate Raudies signalisierte die Unterstützung der Oppositionsfraktion. "Wir haben immer gesagt, dass wir alles Notwendige dafür tun werden, um die Krise gemeinsam zu bewältigen." Die SPD werde dem Nachtragsetat zustimmen, damit die Verbesserungen schnellstmöglich greifen. Ziel müsse es sein, "die Arbeitsplätze über den Einbruch zu retten".

Notleidenden Kleinunternehmen hat das Land mittlerweile bereits rund 49 Millionen Euro an Zuschüssen überwiesen. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums wurden bis Sonntagnachmittag Zuschüsse an 5800 Betriebe mit maximal zehn Mitarbeitern ausgezahlt. Insgesamt gingen fast 48 000 Antragsschreiben ein. Darunter seien häufig aber auch Mehrfachmails zu einem Antrag, sagte ein Sprecher.

Von 405 Anträgen auf Darlehen aus dem Mittelstandssicherungsfonds wurden bis Sonntag 224 bewilligt und in 171 Fällen die Auszahlung angewiesen. Die gesamte Darlehenssumme beträgt fast 29 Millionen Euro. Davon entfallen 27 Millionen Euro auf 120 Darlehen von jeweils mehr als 50 000 Euro. Der Fonds mit einem Volumen von 300 Millionen Euro ist speziell für Hotels und Gaststätten vorgesehen.

Für Diskussionen sorgen unterdessen die Polizeikontrollen an den Grenzen zu Hamburg. Der SPD-Landtagsabgeordnete Kai Vogel forderte Lockerungen. Spaziergänge, Jogging- oder Fahrradtouren im angrenzenden Bereich der Bundesländer müssten problemlos möglich sein. Polizisten hatten am Wochenende etliche Fahrzeuge kontrolliert und viele Ausflügler wieder heimgeschickt. In Schleswig-Holstein gilt wegen der Pandemie ein Einreiseverbot für Touristen.

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat die Corona-Kontrollen verteidigt. "Die touristischen Ströme auch zu unseren Hot Spots in Schleswig-Holstein sind zum Erliegen gekommen", sagte Günther. Er stehe im direkten Austausch mit Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Beide seien sich in dem Ziel einig, touristische Verkehre im Norden weitestgehend runterzufahren. Die Polizei gehe bei den Kontrollen mit Augenmaß vor. Viele Hamburger hätten großes Verständnis für die Regeln. Bei den Kontrollen habe "eine sehr entspannte Stimmung" geherrscht.

Nach Polizeiangaben wurden am Wochenende alleine im Gebiet des Rader Forstes im Kreis Segeberg 420 Fahrzeuge, 416 Radfahrer und 53 Fußgänger an der Landesgrenze zu Hamburg zurückgeschickt. Darunter waren etwa 300 Rennradfahrer aus Hamburg. Sie seien davon ausgegangen, sich zu Trainingszwecken in Schleswig-Holstein aufhalten zu dürfen, sagte eine Polizeisprecherin. "Dies ist nicht der Fall, daher wurden die Rennradfahrer von der Polizei zurückgeschickt. Probleme gab es dabei nicht, die Radsportler zeigten sich einsichtig und drehten um."

Innenminister Grote warb um Verständnis für die notwendigen Einschränkungen. "Ich stehe voll hinter der Arbeit unserer Landespolizei. Sie nimmt ihre Aufgabe, die Einhaltung der erlassenen Regelungen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus zu kontrollieren, mit Augenmaß und Besonnenheit wahr." Aufklärung und Dialog stünde für ihn "klar vor der Verhängung von Bußgeldern".

Via Internet sind unterdessen Studenten der Kieler Christian-Albrechts-Universität (CAU) ins Sommersemester gestartet. Der Unterricht wurde für unbestimmte Zeit weitgehend auf Online-Lehre umgestellt. Dies sei den fast 2000 Dozenten erstaunlich gut gelungen, sagte Uni-Vizepräsidentin Ilka Parchmann am Montag. "Kopfschmerzen bereiten uns aktuell noch die praktischen Lehrveranstaltungen, da dafür die entsprechenden Räumlichkeiten wie Labore, Bibliotheken oder Sportstätten nicht genutzt werden können."