Hamburg. Schädigt die Corona-Krise mit ihren Kontaktverboten und Ausgangsbeschränkungen die Psyche der Menschen? Eher nicht, sagen UKE-Experten. Sie hoffen auf das Gegenteil.

Experten der Kinder- und Erwachsenenpsychiatrie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) sehen in der Corona-Krise keine größere Gefahr für die Psyche der Menschen. "Das ist eine Umstellung, Unbequemlichkeit für viele, aber keine Extremsituation. Ich bin auch der Meinung, wir sollten es nicht zu einer machen", sagte der Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Prof. Jürgen Gallinat, am Mittwoch in Hamburg. Sein Kollege und Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Prof. Michael Schulte-Markwort, betonte: "Die Mehrheit aller Kinder und die Mehrheit aller Familien sind gesund." Beide Experten rieten den Menschen, ihren vor der Corona-Krise gewohnten Tagesablauf beizubehalten und den Tag zu strukturieren.

Covid-19 bestimme bei vielen Menschen das Denken, sagte Gallinat. "Die Angst spielt dabei eine große Rolle." Schwierig werde es aber nur, wenn die Angst übertrieben oder irrational werde. Denn "wenn wir rationaler an diese Frage herantreten, müssen wir zugeben, es gibt viele andere Gefahren, (...) die wesentlich mehr Bedeutsamkeit haben, wenn es um die Sterblichkeit (...) geht". Gallinat betonte, Angst, aber auch depressive Gefühle oder Schlaflosigkeit etwa wegen einer Quarantäne seien völlig normal. "Wir müssen vermeiden, das zu pathologisieren. Wir haben es hier noch nicht mit Diagnosen zu tun."

Schulte-Markwort riet Eltern, sich ihrer eigenen Ängste gewahr zu werden und nicht ungefiltert Corona-Erklärungen an die Kinder weiterzugeben. Auch sollten sie sich Gedanken machen, vor welchen Informationen sie das Kind schützen sollten. Stellten Kinder jedoch Fragen, sollten Eltern diese auch unbedingt beantworten.

"Ich empfehle Familien immer, im Grunde den Tag genauso anzugehen wie zu normalen Schul- und Arbeitszeiten", sagte Schulte-Markwort. Das helfe, den Tag von Beginn an zu strukturieren. Natürlich seien Familien belastet, wenn etwa Eltern im Home-Office arbeiten müssten, während die Kinder Beschäftigung suchten. Der Experte riet: "Lassen Sie sich stören von ihren Kindern." Denn dann sei das Anliegen des Kindes viel schneller und wirksamer erledigt, als wenn dem erst lange Diskussionen vorangingen.

Und noch einer in vielen Familien präsenten Dauerdebatte versuchte Schulte-Markwort die Spitze zu nehmen. Mehr Fernsehen, mehr Computerspiele während der Corona-Krise? "Das finde ich überhaupt nicht anrüchig, das finde ich überhaupt nicht schlimm. Hauptsache den Familien und den Kindern geht es gut." Wenn Kinder jetzt mehr an der Spielkonsole seien, dann führe das sicherlich nicht dazu, "dass sie für alle Zukunft darauf bestehen, dass das so weitergeführt werden muss".

Manche Menschen und Patienten profitierten sogar fast von der Corona-Krise, "weil sie zum Beispiel Solidarität erfahren, weil mehr Zusammenhalt entsteht", sagte Gallinat auch unter Verweis auf die inzwischen zahlreichen nachbarschaftlichen Hilfsangebote. Auch mit Blick auf die von der Pandemie stärker bedrohten älteren Menschen sagte Gallinat: "Ich glaube, dass da auch eine Art neue Solidarität entstanden ist." Das gelte auch für viele Minderheiten wie etwa Obdachlose. "Das ist sehr hoffnungsvoll."