Hamburg. Verschobene Gerichtstermine, Einschränkungen der Besuchszeiten in den Gefängnissen, kein Publikumsverkehr: Auch in der Justiz sind die Folgen der Corona-Krise zu spüren. Um die Verbreitung des Virus zu verlangsamen und Menschen vor einer Covid-19-Infektion zu schützen, wurden Vorgaben und Empfehlungen für Hamburgs Gerichte, die Staatsanwaltschaften, den Strafvollzug und die Behörde selbst getroffen.
„Auch die Justiz steht vor immensen Herausforderungen“, sagte Justizsenator Till Steffen (Grüne). „Wir müssen alles tun, um die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen. Das bedeutet erhebliche Einschnitte bei fast allen Abläufen. Gleichzeitig müssen wir sicherstellen, dass dringende Fälle weiterhin bearbeitet werden können. Deshalb nehmen wir dort Einschränkungen vor, wo es möglich und vertretbar ist.“
Verfahren auf dringende Fälle reduziert
Mündliche Verhandlungen, Hauptverhandlungen, Anhörungen und Beratungen der Gerichte werden seit Montag möglichst auf dringende Fälle reduziert. „Für laufende und anstehende Gerichtsverfahren prüfen die jeweils zuständigen Vorsitzenden Richter je nach Dringlichkeit im Einzelfall, ob und unter welchen Bedingungen Termine stattfinden“, sagte dazu Gerichtssprecher Kai Wantzen auf Anfrage. „Haftsachen und bereits länger andauernde Hauptverhandlungen stehen hier im Vordergrund, denn diese Verhandlungen dürfen nach der Strafprozessordnung nur begrenzt unterbrochen oder verschoben werden.“
Im Strafverfahren beträgt die Höchstfrist für Unterbrechungen von Hauptverhandlungen normalerweise drei Wochen. Kann die Verhandlung nach einer Unterbrechung nicht innerhalb dieser Frist fortgesetzt werden, muss die Hauptverhandlung von Neuem beginnen. Bei Prozessen mit zehn und mehr Terminen wird die Frist im Krankheitsfall für bis zu zwei Monate gehemmt, das heißt, sie verlängert sich faktisch um bis zu zwei Monate während einer Erkrankung des Angeklagten oder eines Richters. „Die Kollegen bemühen sich, auch in der gegenwärtigen Situation die vorgegebenen Fristen einzuhalten, damit die Prozesse nicht platzen“, sagte Wantzen. „Das gilt umso mehr bei Verfahren, in denen sich die Angeklagten in Untersuchungshaft befinden.“
Personalengpässen vorbeugen
Einer der Prozesse, bei denen noch in dieser Woche das Ende der zulässigen Frist erreicht ist, ist das Verfahren gegen den ehemaligen SS-Wachmann Bruno D. Ließe man den Termin am kommenden Freitag ausfallen, würde der Prozess gegen den 93-Jährigen, dem Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vorgeworfen wird, platzen. Könnte der Termin dagegen wegen einer Erkrankung des Angeklagten oder eines Richters nicht stattfinden, würde die Fristverlängerung greifen. Dann könnte das Verfahren auch bis maximal Mitte Mai pausieren.
Coronavirus: Die Fotos zur Krise
Zudem werden Gerichtstermine, die nicht unbedingt jetzt verhandelt werden müssen, verschoben oder zurückgestellt. „Das ist ein Beitrag zum Infektionsschutz und dient zugleich dem Ziel, in der gegenwärtigen Situation für die dringenden Fälle handlungsfähig zu bleiben“, erklärte Gerichtssprecher Wantzen. „Durch die Aussetzung oder Verschiebung von Terminen beugen wir möglichen Personalengpässen, insbesondere im nicht richterlichen Bereich, vor, die andernfalls infolge der Erkrankungswelle drohen könnten.“ Soweit möglich nähmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die bestehenden Möglichkeiten zur Heimarbeit wahr.
Ersatzfreiheitsstrafen werden ausgesetzt
Darüber hinaus wurden im Justizbereich diverse Maßnahmen verfügt. Der Zutritt zu den Gerichtsgebäuden und den Gebäuden der Staatsanwaltschaften ist allen Personen, die in den letzten 14 Tagen ein Risikogebiet besucht oder in dieser Zeit Kontakt mit einer an Covid-19 erkrankten Person gehabt haben, seit Montag verboten. Das Gleiche gilt auch für die Justizbehörde.
Um ausreichend Kapazitäten für eine Aufnahmequarantäne- und eine Isolierstation zu schaffen, werden vorerst keine Ersatzfreiheitsstrafen mehr vollstreckt. Das gilt ab heute über die Ersatzfreiheitsstrafen hinaus, die noch nicht angetreten wurden, auch für Ersatzfreiheitsstrafen, die bereits angetreten wurden. Letzteres betrifft etwa 40 Personen. Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen zum Beispiel mehrfach erwischte Schwarzfahrer, die ihre Geldstrafe nicht bezahlt haben.
Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen
- Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
- Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
- Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
- Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
- Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen
Auch der Jugendarrest wird vorübergehend nicht vollzogen. Am Dienstag mussten Besuche bei Gefangenen aus organisatorischen Gründen entfallen. Vom heutigen Mittwoch an werden Besuche in allen Justizvollzugsanstalten nur noch in begründeten Einzelfällen gewährt und unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen (mittels einer Trennscheibe) durchgeführt.
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Schließlich werden in den Justizvollzugsanstalten bis auf Weiteres keine Vollzugslockerungen – Genehmigungen für Gefangene, die Justizvollzugsanstalt befristet zu verlassen – mehr gewährt. In begründeten Einzelfällen kann die jeweilige Anstalt von dieser Regelung abweichen. Mit den genannten Maßnahmen möchte die Justizbehörde das Risiko einer Ansteckung in den Justizvollzugsanstalten verringern.
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