Gold- und Diamantenkönig

Wie ein Hamburger aus dem Nichts schwerreich wurde

| Lesedauer: 12 Minuten
Sven Kummereincke
Alfred Beit wurde aus dem Nichts zu einem der reichsten Männer Europas – und zu einem der großzügigsten.

Alfred Beit wurde aus dem Nichts zu einem der reichsten Männer Europas – und zu einem der großzügigsten.

Foto: Wikipedia

Eine Reise veränderte sein Leben: Alfred Beit wurde zum reichsten Mann Südafrikas. Mit seinem Geld wurde Uni Hamburg gegründet.

Hamburg. Der Mann, der da vor dem Untersuchungsausschuss des Parlaments in Westminster sitzt, ist klein, rundlich und sehr eingeschüchtert. Es ist wohl der Tiefpunkt seines Lebens, wie er im Sommer 1897 da hockt, sich geradezu zaghaft äußert und auf manche Frage gar nichts zu sagen weiß. Und das soll der Mann sein, der „aus eigennützigen kommerziellen Absichten“ einen Staatsstreich unterstützt hat? Der aus dem Nichts im rauen Gold- und Diamantengeschäft zum reichsten Mann Südafrikas geworden war?

Diamantenkönig Alfred Beit ist mit Hamburg verbunden

Der kleine Mann mit dem freundlichen Gesicht ist Alfred Beit. Und nichts, aber auch gar nichts deutete in seiner Kindheit und Jugend in Hamburg darauf hin, dass er einmal Bedeutung erlangen würde. Seine weitverzweigte Familie darf zwar durchaus als reich bezeichnet werden, er aber wurde in den ärmsten Teil davon hineingeboren. In der Schule war er bestenfalls durchschnittlich, und auch sonst zeigte das schüchterne, kleine Kind keine besonderen Begabungen. Dass Alfred Beit einer der reichsten Männer der Welt werden sollte, war ihm wahrlich nicht vorherbestimmt.

Seine Eltern Laura Caroline und Siegfried Beit wohnen im Mittelweg 51, als am 15. Februar 1853 ihr erster Sohn geboren wird (Schwester Bertha ist zwei Jahre älter). Über seine Kindheit und Jugend ist nicht allzu viel bekannt – er selbst hatte keinerlei Neigung, darüber Schriftliches zu hinterlassen. Das Wenige, was überliefert ist, zeichnet das Bild eines eher zarten Kindes ohne ersicht­liche besondere Talente. Sein Sinn für Sparsamkeit und seine Abscheu gegen Verschwendung (für eigene Zwecke) dürfte aber in Kindertagen geprägt worden sein, denn der kränkliche und geschäftlich nicht sehr erfolgreiche Vater konnte seiner Familie nur einen eher bescheidenen Wohlstand bieten.

Eigentlich war der junge Beit in allem mittelmäßig

Das stand in krassem Gegensatz zu anderen Teilen der jüdischen Familie (Beit selbst wurde getauft), die seit dem 17. Jahrhundert in Hamburg ansässig ist. Zunächst Händler, gründeten die Beits eine Silber- und Goldscheide, aus der später die Norddeutsche Affinerie (heute Aurubis) hervorging, es gab Bankiers und Großkaufleute in der Familie, und ein Onkel war Mitbegründer der Badischen Anilin- und Sodafabriken, besser bekannt als BASF.

Unter diesen Umständen war es zumindest kein Problem, dem 17-jährigen Alfred eine Ausbildung zum Kaufmann zu ermöglichen: bei „Lippert Co.“, einem Woll-Importeur. Auch hier tat sich Alfred weder im Guten, noch im Schlechten sonderlich hervor. Und als er nach seinem einjährigen Militärdienst 1874 nach Amsterdam ging, um bei einem Diamantenhändler zu arbeiten, führte das auch nicht zu Ausbrüchen von Ehrgeiz. „Ich habe gearbeitet und ansonsten meine Zeit verschwendet wie andere junge Männer auch“, sagte er später über diese Zeit.

Als nächste Station sollte er 1875 nach Südafrika gehen, dorthin, wo ein paar Jahre zuvor Diamanten entdeckt worden waren. Eine Reise, die alles verändern sollte. Es war die Zeit des ungebremsten Kapitalismus, in der viele Selfmade-Männer sagenhaft reich wurden. Und dort, wo Gold, Öl oder eben Diamanten gefunden werden, tummelten sich Abenteurer, Glücksjäger und halbseidene Geschäftsleute. Alfred Beit entdeckte dabei eine „Marktlücke“: Seriosität. Als er tief im Landesinneren in dem Ort Kimberley ankam, wo die Vaal und die Oranje zusammenfließen, sah er eine über Nacht gewachsene 30.000-Einwohnerstadt, die nur aus Wellblechhütten und Zelten bestand.

Geschäfte mit Diamanten, Gold und Immobilien

Im Gegensatz zu den meisten Schürfern und Händlern vor Ort kannte sich Beit bestens aus: Er wusste den Wert der Funde auf dem europäischen Markt einzuschätzen. Und so bot er viel höhere Preise als die Konkurrenz, die aber trotzdem noch beträchtliche Gewinne abwarfen. Das sprach sich schnell herum, sodass viele Schürfer zuerst zu ihm kamen und er sich die Ware aussuchen konnte. Noch war er im Auftrag von „Lippert Co.“ aus Hamburg tätig (für bescheidene 300 Mark pro Monat), doch er machte auch seine eigenen Geschäfte: mit Immobilien. Mit Geld, das ihm ein Onkel gegeben hatte (unter der Bedingung, nie wieder von ihm zu hören), kaufte er ein Grundstück und bebaute es mit Wellblechhütten, die er teuer vermietete. Später verkaufte er das Ganze mit gigantischem Gewinn.

1880 stieg Beit in der Firma des französischen Diamantenhändlers Jules Porges ein und wurde dessen Repräsentant in Südafrika und Anteilseigner. Es war die Phase der Konzentration, in der europäische Kapitalgeber benötigt wurden, um die mit hohem technischen Aufwand immer tiefer ins Erdreich vordringenden Minen zu finanzieren. Zahlreiche Aktiengesellschaften wurden gegründet, die Kurse stiegen rasch und bald folgte auf die Spekulationsblase der unvermeidliche Crash. Doch während in Kimberley die Zahl der Selbstmorde stieg, behielt Alfred Beit die Nerven und wurde zum Profiteur, weil er zahlreiche Firmen vor der Pleite retten konnte.

Beit war anders als die Rockefellers und Krupps

Warum aber hatte er Erfolg, wo so viele andere scheiterten? Sein Rezept war jedenfalls ein anderes als das der Rockefellers und Krupps, die auf Skrupel- und Rücksichtslosigkeit setzten. Beit war ungemein fleißig, sehr gut vernetzt und hatte eine extrem schnelle Auffassungsgabe für wirtschaftliche Zusammenhänge. Außerdem machte er sich immer selbst ein Bild und verließ sich nie auf Angaben aus zweiter Hand.

Und, so erstaunlich das klingen mag, er war beliebt. Beit galt als grundehrlich, verlässlich – und hilfsbereit. So (vergleichsweise) bescheiden er lebte, so großzügig zeigte er sich, wenn andere Hilfe brauchten. Ob das Herzensangelegenheit oder auch Kalkül war, sei dahingestellt. Geschadet hat es ihm gewiss nicht. „Geld zu verdienen war das, was er konnte, aber Geld war wohl nicht das, was er begehrte“, schrieb sein Biograf, der Hamburger Historiker Henning Albrecht.

Beit war mit einer schillernden Persönlichkeit befreundet

Dass Beit zu den Gewinnern des Diamanten-Monopoly der 80er-Jahre ge­hörte, hängt eng mit seiner Freundschaft zu einer der schillerndsten Persönlichkeiten der Epoche zusammen: Cecil Rhodes, nach dem der Apartheidsstaat Rhodesien (heute Zimbabwe) benannt wurde. Der Pfarrer-Sohn aus der englischen Provinz und der gleichaltrige Beit hatten sich in Kimberley kennengelernt.

Eine Anekdote besagt, Beit habe auf Rhodes’ Frage, was seine Ziele seien, geantwortet: Den gesamten Diamantenhandel kontrollieren. „Das will ich auch, wir sollten zusammenarbeiten“, habe Rhodes geantwortet. Da sie gemeinsam später tatsächlich das Monopol erreichten, ist das allerdings fast zu schön, um wahr zu sein.

Ein ungleiches Paar: "Little Alfred" und Cecil Rhodes

Sie waren ein ungleiches Paar, äußerlich (Rhodes war viel größer und imposanter) und charakterlich: hier der Lautsprecher und imperialistische Visionär, dort der zurückhaltende Realist und nüchterne Geschäftsmann. Mit der massiven Unterstützung des Bankhauses Rothschild schafften sie es nach hartem Kampf, dass Rhodes’ Firma „de Beer“ als klarer Sieger aus dem Konzentrationsprozess hervorging. „In finance we have Beit“, sagte Rhodes und immer, wenn er etwas nicht wusste nur: „Ask little Alfred.“ Spätestens da, als Teilhaber von de Beers, war Beit schwerreich. Zumal er es auch noch geschafft hatte, große Teile der Schürfrechte in „Witwatersrand“ zu erwerben, wo neue riesige Goldvorkommen entdeckt worden waren.

Doch Alfred Beit ließ sich auch in Cecil Rhodes’ politische Abenteuer verwickeln. Um die zu verstehen, muss die komplexe Lage im südlichen Afrika erläutert werden. Die Briten hatten schon 1814 die Kapkolonie gegründet und waren dabei in Konflikt mit den seit Jahrhunderten siedelnden Holländern – den Buren – geraten. Viele Buren waren nach Norden gezogen und hatten eigene Staaten gegründet, unter anderem Transvaal. Während die Deutschen sich Südwest­afrika (Namibia) und Ostafrika (Tansania, Burundi) sicherten, die Belgier den Kongo zur Kolonie machten und die Portugiesen in Angola und Mosambik waren, erweiterten die Briten ihr Gebiet nach Norden, wo sie Stammesgebiete der Zulu und anderer annektierten.

Traum vom vereinten Südafrika unter britischer Hoheit

Seit 1890 Ministerpräsident der Kapkolonie und überzeugt von der Überlegenheit der „angelsächsischen Rasse“, träumte Rhodes von einem vereinten Südafrika unter britischer Hoheit. Mit Billigung aus London schuf er sich ein Privatreich: Die „Britische Südafrikagesellschaft“ besiedelte Land und hoffte auf Rohstoffe. Beit war dabei ein wichtiger Finanzier und somit auch ein Gründervater Rhodesiens. Seine Motive bleiben im Unklaren. Geschäftlich sah er in dem Projekt keinen Sinn: „Ich sehe nichts, in was ich auch nur 100 Pfund investieren würde“, sagte er nach einem Besuch der Region.

Tatsächlich investierte er riesige Summen. Ob aus Ergebenheit zu Rhodes, kolonialer Überzeugung oder einem Gefühl der Verpflichtung dem Geschäftspartner gegenüber – das lässt sich heute nicht mehr klären. Jedenfalls bezahlte er 1895 auch für einen Staatsstreich, den Rhodes in Transvaal plante, wo Beits Goldminen lagen. Der als „Jameson Raid“ in die Geschichte eingegangene Angriff von Rhodes Privatarmee auf die Buren-Republik scheiterte kläglich und löste einen Skandal aus, mit dem sich auch das britische Unterhaus befasste – und Alfred Beit vorlud, der seinen Hauptwohnsitz längst in London hatte. Er machte eine sehr schlechte Figur und wehrte sich verzweifelt gegen den Vorwurf, aus Profitgier gehandelt zu haben.

Mit Beits Geld wurde die Uni Hamburg gegründet

Verloren hat er seinen Posten bei der Britisch-Südafrikanischen Gesellschaft – und seinen guten Ruf. Wohl deswegen zog sich Beit mehr ins Privatleben zurück. Er war regelmäßig in Hamburg, wo er seiner Mutter, zu der er immer ein inniges Verhältnis hatte, im Mittelweg 113 eine (heute noch stehende) Villa baute, in der sie bis zu ihrem Tod 1918 lebte. A

lfred Beit aber nahm die britische Staatsbürgerschaft an und ließ am Hyde Park ein großes Anwesen bauen. Nach der Jahrhundertwende befasste sich Beit viel mit Kunst und legte eine umfangreiche Sammlung an, zu der Werke von Rembrandt, Vermeer und van Dycks gehörten. Dabei ließ er sich unter anderem von Alfred Lichtwark beraten, dem ersten Direktor der Hamburger Kunsthalle.

Beit wurde auch verstärkt als Spender und Stifter aktiv: in Südafrika, Großbritannien und Deutschland. Hamburg verdankt ihm vor allem die weit größte Spende zur „Wissenschaftlichen Stiftung“, mit der Werner von Melle (Beits Schulfreund) die Gründung der Universität vorantreiben wollte. Beit gab 1905 zwei Millionen Mark (von insgesamt 3,8 Millionen) – der Grundstock für die Gründung der Hochschule, die dann wegen des Krieges erst 1919 erfolgte.

Beits Beerdigung – ein Spektakel in Twein Water

Es war Beits letzte große Spende zu Lebzeiten. Er litt unter Herzproblemen, reiste nach Wiesbaden, doch die Ärzte konnten ihm nicht helfen. Und so begab er sich auf seinen Landsitz Twein Water, wo er am 16. Juli 1906 im Alter von nur 53 Jahren starb – unverheiratet und kinderlos. Seine Beerdigung war gleichzeitig ein Spektakel und ungemein bescheiden.

Beit lag in einem betont einfachen Sarg, nur zwei Pferde zogen den Leichenwagen, nur ein Geistlicher war anwesend, der eine kurze Ansprache hielt. So war es Beits Wunsch gewesen. Die Zahl der Gäste aber war riesig. Um die vielen Gäste aus London nach Twein Water zu bringen, wurde ein Sonderzug mit 15 Waggons eingesetzt.

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