Hamburg. Bis 2030 will die Bundesregierung mit dem Deutschland-Takt mehr Menschen auf die Schiene bringen. Dazu müssen die Kapazitäten bei der Bahn ausgebaut werden - auch am Knotenpunkt Hamburg, der schon jetzt voll ausgelastet ist. Ein neuer City-Tunnel könnte helfen.

Die Pläne für einen zweiten S-Bahn-City-Tunnel zur Entlastung des Hamburger Hauptbahnhofs nehmen Gestalt an. Laut einem Papier des Bundesverkehrsministeriums, über das das "Hamburger Abendblatt" am Dienstag berichtete, könnte er auf einer Strecke von etwa 5,5 Kilometern mit drei neuen Bahnhöfen den Hauptbahnhof mit dem geplanten neuen Fernbahnhof Altona am Diebsteich verbinden. Durch die Verlagerung des S-Bahn-Verkehrs unter die Erde würden zusätzliche Gleiskapazitäten auf der sogenannten Verbindungsbahn - der Strecke zwischen Hauptbahnhof und Altona über Dammtor - frei, die für den Fern- und Regionalverkehr genutzt werden könnten.

Der Beauftragte der Bundesregierung für den Schienenverkehr, Enak Ferlemann (CDU), hatte den zusätzlichen Tunnel im Dezember bei der Einweihung des Bahnhofs Elbbrücken ins Gespräch gebracht. Hintergrund sind die Pläne der Bundesregierung, die Fahrgastzahlen bei der Bahn bis 2030 zu verdoppeln. "Der zweite Citytunnel für die Hamburger S-Bahn ist der entscheidende Befreiungsschlag, der die Kapazitätsengpässe im Hamburger Hauptbahnhof und auf der Verbindungsbahn auflösen wird", erklärte Ferlemann jetzt.

Erste Schätzungen gehen von Kosten in Höhe von 650 Millionen Euro aus, von denen der Bund 75 Prozent übernehmen würde. Grundlage für die Schätzung sind laut dem Papier, das auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, die Kosten für die Erweiterung der U-Bahn-Linie 4 zwischen Jungfernstieg und HafenCity Universität. Die rund vier Kilometer lange Strecke mit zwei neuen Bahnhöfen kostete rund 325 Millionen Euro. Der neue City-Tunnel mit Bahnhöfen am Stephansplatz, Schlump und Doormannsweg dürfte in etwa doppelt so teuer werden.

Wie schon beim Bau der U4-Erweiterung müsste auch der neue S-Bahn-Tunnel im sogenannten Schildvortrieb, also komplett unterirdisch, entstehen. Am Stephansplatz und am Schlump könnten den Plänen zufolge Umsteigemöglichkeiten von S- zur U-Bahn geschaffen werden. Auch die Verlagerung der S-Bahn am geplanten neuen Fernbahnhof Altona unter die Erde ist laut dem Papier grundsätzlich denkbar. "Dies ermöglichte eine Verlagerung der S-Bahnzüge in den Tunnel und die Nutzung der bislang für den S-Bahnverkehr vorgesehenen Bahnsteige in Altona-Nord durch Fern- und Regionalzüge, was die Kapazität in diesem Bereich weiter erhöhte", heißt es darin.

Das Bundesverkehrsministerium will das Projekt jetzt im Kontext des Deutschland-Takts - also mit Blick auf den Ausbau des Bahnverkehrs bis 2030 - gesamtwirtschaftlich bewerten. "Sofern diese Bewertung positiv ausfällt, wird der Vorhabenträger DB Netz AG eine vertiefte Machbarkeitsstudie durchführen und bei positivem Ergebnis die Umsetzung vorbereiten", heißt es in dem Papier.

Verkehrssenator Michael Westhagemann (parteilos) zeigte sich erfreut, "dass wir gemeinsam mit dem Bund das Verständnis haben, dass am Eisenbahnknoten Hamburg umfangreiche Maßnahmen notwendig sind, um den zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden". Nur so könne der erwartet steigenden Zahl an Fahrgästen eine ausreichende Infrastruktur bereitgestellt werden. "Jetzt kommt es darauf an, dass schnell die nächsten Schritte erfolgen."

Der Verkehrsexperte der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Dennis Thering, sieht auch den Senat in der Pflicht. Hamburg könne froh sein, wenn der Bund den Großteil der Kosten übernimmt. "Das darf jetzt nicht durch Zögern und Zaudern verspielt werden, sondern gehört als wichtiges Zukunftsprojekt ganz nach oben auf die verkehrspolitische Agenda des nächsten Senats", sagte er. "Die einzige Chance, den Hauptbahnhof zu entlasten, ist die vollständige Verlegung der S-Bahn unter die Erde in einen zweiten Citytunnel."

Die spannende Frage sei, "wie ein so langer Tunnel baulich und finanziell realisierbar ist", sagte die verkehrspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heike Sudmann. Der Tunnel sei ein Langzeitprojekt, deshalb dürften die bereits jetzt machbaren Maßnahmen wie die Durchbindung der Züge im Hauptbahnhof nicht auf die lange Bank geschoben werden. Erneut sprach sie sich gegen die Verlegung des Fernverkehrs an den Diebsteich aus. "Wer mehr Platz für Züge schaffen will, braucht den heutigen Bahnhof Altona mit seinen großen Gleiskapazitäten." Der geplante neue Bahnhof sei dafür viel zu klein.